Gebetsnuss der Maria von Burgund
Die Gebetsnuss der Maria von Burgund ist eine kugelige Miniaturschnitzerei, die man in die Hand nimmt.
Geschichte
Diese Gebetsnuss gehörte Maria von Burgund (* 1457; † 1482), die im Jahr 1477 Erzherzog Maximilian von Österreich geheiratet hatte, den späteren Kaiser Maximilian I.. Ihr Vater, Herzog Karl der Kühne, war der damals ehrgeizigste, draufgängerischste und kunstsinnigste Herrscher Europas. Die anmutige, junge Frau war eine der begehrtesten Bräute Europas. Noch Jahrhunderte nach ihrem Tod wurden ihre Porträts wie Ikonen einer Prinzessin verehrt.
Um 1470 ließ Maria die Gebetsnuss anfertigen. Klappt man die Hälften auseinander, werden filigrane, bedeutungsreiche Szenen sichtbar.
Hermann Mayrhofer, Kustos des Bergbau- und Gotikmuseums Leogang hat diese Betnuss für das Leoganger Museum erworben. Im Sommer 2011 habe eine Dame aus Wien das Gotikmuseum besucht und sei derart begeistert gewesen, dass sie zwei kostbare Stücke - die Betnuss und einen geschnitzten gotischen Kamm - aus ihrer Familiensammlung zum "Freundschaftspreis" zum Kauf angeboten habe, schildert Hermann Mayrhofer. Dank gesammelter Spenden habe er zugreifen können.
Diese Betnuss der Maria von Burgund ist unschätzbar wertvoll. Solche Stücke sind rar. Sie waren in der Renaissance beliebt, etwa ab Mitte des 15. Jahrhunderts bis 1530. Nach Angaben Mayrhofers gibt es nur eine im Kunsthistorischen Museum in Wien, drei in der Münchener Residenz, eine in Basel und die eine oder andere in US-amerikanischen Museen. Zudem sind alle persönlichen Gegenstände der Maria von Burgund sagenhaft kostbar. Ihr Vater hatte am Burgunder Hof eine legendäre Pracht entfalten lassen, mit Tapisserien, Buchmalerei, Gold und Silber. Davon zeugt etwa das Stundenbuch der Maria von Burgund, eine der Zimelien in der Österreichischen Nationalbibliothek. Und weil die zarte hohe Frau 25-jährig nach einem Sturz vom Pferd an einer Fehlgeburt starb, hegte Kaiser Maximilian Zeit seines Lebens alles, was an sie erinnerte.
Beschreibung der Betnuss
Diese Betnuss enthält das Bild einer Frau, die für Leogang wichtig ist, die heilige Barbara. Nach ihr benannten die Bergleute einen Stollen, sie war ihnen Trösterin und Fürsprecherin, in ihrem Namen zündeten sie unter Tag Lichter an, um vor plötzlichem Tod geschützt zu sein. Und der 4. Dezember, ihr Namensfest, war für sie ein hoher Feiertag. Auch in Flandern, woher die Gebetsnuss stammen dürfte, wurde Barbara verehrt. Eines der herzergreifendsten Bilder dieser eleganten, intelligenten, frommen Frau malte Robert Campin 1438, es hängt nun im Prado in Madrid und zeigt Barbara in ähnlich lesender Pose wie Maria von Burgund in ihrem Stundenbuch.
In Brügge, wo Maria von Burgund begraben ist, hängt heute noch das von Hans Memling für das dortige St.-Johann-Spital gemalte Altarbild mit ähnlicher, etwas figurenreicherer Szene wie jene in der Leoganger Nuss: Johannes der Evangelist mit den Heiligen Katharina und Barbara. Diese beide Frauen galten als klug und mutig, beide waren harten Prüfungen ausgesetzt, beide haben für ihre Überzeugung ihr Leben gelassen. Beide halten ein Buch. Das könnte ein Hinweis auf ihre Belesenheit sein. So große Vorbilder, so viele Andeutungen, so tiefe Hinweise birgt diese Nuss, die Maria von Burgund in ihren Händen gewiegt hat.
Wann die Gebetsnuss, deren zweite Szene Maximilian von Österreich, Maria von Burgund und den heiligen Georg zeigt, in Leogang ausgestellt werden wird, ist noch nicht absehbar. Er versuche, rund um das neue Kleinod eine kleine, exquisite Ausstellung über den österreichischen St.Georgs-Ritterorden zu organisieren, kündigt Hermann Mayrhofer an.
Quelle
- "Salzburger Nachrichten", 4. Dezember 2012
, Beitrag "Geschmiegt in zarte Frauenhände" von Hedwig Kainberger