Oswald Menghin
Prof. Dr. Oswald Menghin (* 19. April 1888 in Meran, Südtirol; † 29. November 1973 in Buenos Aires, Argentinien) war ein österreichischer Prähistoriker, Universitätsprofessor, Schriftsteller und Unterrichtsminister im nationalsozialistischen Kabinett von Arthur Seyß-Inquart.
Leben
Er war Mitglied der Deutschen Gesellschaft und hatte eine strikt antisemitische und antiliberale Gesinnung. Darüber hinaus war er Mitglied der Leo-Gesellschaft, die dem katholischen Lager zuzuordnen war. Er studierte in Wien Prähistorische Archäologie und arbeitete nach Promotion und Habilitation am Niederösterreichischen Landesarchiv. 1928/29 war er Dekan der philosophischen Fakultät und 1935/36 Rektor der Universität Wien. In den frühen 1920er-Jahren beschäftigte er sich mit Themen zur "Rassenkunde" und mit "der Judenfrage".
Oswald Menghin bewegte sich später zwischen deutschnationalem Bekennertum und altösterreichischer Gesinnung.
Nach Ende des Zweiter Weltkriegs entschloss sich Menghin zur Flucht nach Argentinien in Südamerika. Nachdem 1956 das Strafverfahren gegen ihn wegen § 8 des Kriegsverbrechergesetzes und der Anklage wegen Hochverrats eingestellt worden war, konnte er drei Jahre später korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaft werden.
Der Salzburger Zeithistoriker Robert Obermair wies 2023 anhand des ehemaligen Wiener Rektors und Unterrichtsministers Oswald Menghin nach, wie rechte Netzwerke in Österreich funktioniert haben - auch weit über die Nazizeit hinaus. Menghin war von 1918 bis 1945 Professor am Urgeschichtlichen Institut der Universität Wien, wurde 1935/36 zum Rektor gewählt und agierte 1938 als Unterrichtsminister im sogenannten Anschlusskabinett von Arthur Seyß-Inquart. In diese Zeit fielen das Anschlussgesetz und die sogenannte Säuberung der Universität Wien - rund 40 Prozent des Lehrkörpers wurden wegen jüdischer Abstammung beziehungsweise aus politischen Gründen entlassen. Daran war Menghin maßgeblich beteiligt. "Mir fiel auf, dass es zu dieser einst einflussreichen politischen Person kaum Forschungsliteratur gab", sagt der Zeithistoriker Obermair. Ihm ging es aber nicht darum, eine Gelehrtenbiografie zu schreiben, vielmehr habe ihn Menghins Leben als Beispiel dafür interessiert, wie extrem rechte Netzwerke organisiert waren und wie sie nach dem Krieg weiter funktioniert haben. "Durch die Unterstützung seiner Netzwerke wurde Menghin 1955 begnadigt und bekam so in Argentinien eine hohe österreichische Pension", berichtet Obermair.
Menghin und Mattsee
Wie Seyß-Inquart verkehrte er in Wiener antisemitisch-deutschnationalen Kreisen, hatte aber ein durchaus freundschaftliches Verhältnis zum christlich-sozialen Salzburger Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl.
In Mattsee kaufte Menghin ein Haus am Fuß des Hinterwartsteins. Der Kauf stand in enger Verbindung zu den politischen Ereignissen im Frühjahr 1938. Den Kaufvertrag wurde am 21. März 1938 abgeschlossen, Margarethe Menghin, seine Frau, wurde aufgrund dieses Vertrages mit 16. März 1938 das Eigentumsrecht eingetragen.
Als Menghin 1945 erkannte, dass es mit dem Deutschen Reich zu Ende gehen wird, setzte er sich von Wien in Richtung Westen ab. Er tauchte im Ferienhaus seiner Frau Mattsee unter, wurde aber verraten, von den Amerikanern verhaftet und in ein Zivilistenlager nach Deutschland gebracht. "Ein Glück für ihn", wie Obermair befindet. "In Österreich stand Menghin wegen Hochverrats beziehungsweise Vorbereitung zum Hochverrat auf der sogenannten ersten Kriegsverbrecherliste: "Er hat ja in der Zeit des Austrofaschismus geholfen, die nationalsozialistische Regierung herbeizuführen und so den Untergang Österreichs mitbesiegelt. Darauf stand die Todesstrafe."
Menghin kam 1947 in Deutschland frei und startete in sein zweites Leben, reiste nach Südamerika: Die Flucht führte zu Fuß über den Reschenpass nach Italien, dann per Schiff von Genua nach Buenos Aires. "Bei seiner Flucht ist er etwa vom damaligen Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher unterstützt worden", sagt Obermair. Und: Obwohl in Österreich zur Fahndung ausgeschrieben, wurde ihm dennoch ein Reisepass ausgestellt.
Ab Herbst 1948 arbeitete Menghin bereits als Professor an der Universität Buenos Aires. Es wurde, beschreibt Obermair, kein Auslieferungsverfahren gegen ihn eröffnet. Im Gegenteil: Menghin wurde unter Hinweis auf sein wissenschaftliches Ansehen rehabilitiert. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1973 in Argentinien wissenschaftlich tätig, hatte dort eine Machtposition, kehrte mehrfach nach Österreich zurück, wo er sich in Tirol einen Alterssitz gekauft hatte. Und wurde von Vertrauten hofiert wie gefeiert.
Quellen
- austria-forum.org
- geschichte.univie.ac.at
- Wo Dollfuß baden ging, Mattsee erinnert sich: Schönberg - Seyß-Inquart - Stephanskrone, Seite 65 und 95
- www.sn.at, 20. Oktober 2023: "Wissenschafter im Dienste der Nazis", ein Beitrag von Martin Behr