Brief vom 17. November 1819 aus Salzburg
Der Brief vom 17. November 1819 aus Salzburg wurde von Abt Albert IV. Nagnzaun des Benediktinerstifts St. Peter geschrieben.
Der Brief
Wohllöbl. Kais. königl. Kreisamt zu Salzburg!
Mit Kreisämtlicher Signatur vom 19/22 Okt. d.J. No 11577 sind dem Unterzeichneten einige vermöge höchster Entschließung Sr. Majestät vom 10ten July 1819 von den hohen Studien – Hofcommission vom 28ten Sept. 1819 Zahl 6243 anbefohlene, und mit hohem Regieruns.Dekrete vom 12ten d.v.M. Zahl 19453 eröffnete Änderungen und Modifikationen in Rücksicht der Gymnasial-Schüler mitgetheilt worden.
Unter diesen allerhöchst anbefohlenen und hieher bekannt gemachten überaus weisen und in ihren Folgen sehr wohlthätigen Änderungen und Modificationen ist aber auch folgende begriffen:
"Die bisher vorgeschriebenen gemeinschaftlichen Beichten und der gemeinschaftliche Genuß des Altarsakramentes werden dahin beschränkt, daß sich jeder Schüler fünfmahl des Jahres, nähmlich: zu Anfang des Schuljahres, zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und zu Ende des Schuljahres über die abgelegte Beicht innerhalb 14 Tagen mit einem Beichtzettel ausweise."
So eifrig sichs nun der Unterzeichnete immer und überhaupt angelegen seyn läßt, daß jeder hohen Anordnung die pünklichste Folge geheißet werde, um auch insbesondere die angeführte Verordnung bereits in Vollzug gesetzt hat; so glaubt er doch, selbst seiner aufhabenden Pflicht gemäß, dießmahl eine unterthänigst – gehorsamste ganz unmaßgeblche Gegendarstellung zu einer höheren gnädigsten Würdigung vorlegen zu dürfen und zu müssen.
Durch die Aufhebung der gemeinschaftlichen Beichten und Kommunion bey der studierenden Jugend wird nicht nur dem Lehrerpersonale, welchem nebst der literarischen Bildung auch die moralisch-religiöse Erziehung derselben ganz besonders anvertraut ist, die zweckdienlichste Aufsicht gerade bey den wesentlichsten äußere Religionshandlungen gänzlich entzogen; sondern auch die Moralität und Religiosität der studierenden Jugend selbst, und die Erbauung des Publikums gefährdet, so wie die weiseste Absicht der höchsten Staatsbehörde und des Monarchen vereitelt.
Welcher Professor wird sich überzeugen, welche von seinen Schülern, die ihm nach der bestimmten 14tägigen Zeitfrist einen Beichtzettel überbringen, wirklich gebeichtet haben oder nicht? Bekanntlich sitzen die wenigen dermahligen Beichtväter in ihren respecktiven Kirchen nur zu gewissen Stunden, und nicht nur für die Studenten, sondern für das gesammte Publikum zur Beicht, ohne daß sie außer der Osterzeit Beichtzettel zur beliebigen Vertheilung bey sich führen, und zudem sind diese Beichtzettel nur für die Osterzeit, nicht aber für das ganze Jahr, oder für jede beliebige Zeit verfaßt. Jeder Student müßte demnach, um die erforderliche Beichtzettel zu erhalten, seinen Beichtvater, wenn er ihn ja persönlich kennt, auf dessen Wohnzimmer aufsuchen; und wie kann jeder Beichtvater bey einem größeren Zulaufe erkennen, ob dieser oder jener ihm wirklich gebeichtet habe? Mancher kann auch sehr leicht jederzeit einen Beichtzettel einliefern, ohne jemals gebeichtet zu haben. Viele können von der Beicht abgehalten werden durch Mangel an Zeit, besonders an größeren Concurstagen zwey bis 3 Stunden am Beichtstuhle anstehen zu müssen. Eine Gewißheit über den Genuß des hl. Abendmahles kann schlechterdings nicht erhalten werden.
Sollte aber auch jeder Gymnasialschüler zur Beicht und Kommunion gehen; so darf man doch sicher erwarten, daß die Erbauung des Publikums durch das Benehmen mehrerer nicht viel gewinnen werde, daß vielmehr Klagen in Menge einlaufen werden ohne daß ihnen doch die gehörige Abhilfe könntet geleistet werden.
Alle diese wohl gegründeten und bereits durch die Erfahrung bewährten Besorgnisse würden verschwinden, Ordnung, Anstand und Erbauung des Publikums würde sehr leicht erhalten werden, wenn eine hohe Studien-Hofkommission gnädigst eine gemeinschaftliche Beicht und Kommunion bey der hiesigen Gymnasialjugend erlauben wollte, und zwar auf folgende Art:
Der Gymnasial-Präfekt soll zu den allerhöchst angewiesenen fünf Zeiten im Jahre einen Sonnabend zur gemeinschaftlichen Beicht bestimmen. Da hierorts fast allgemein sehr frühzeitig Mittagsmahl gehalten wird, kann jeder Schüler ohne Beschwerden von 1 Uhr Nachmittag sich in dem Studiengebäude einfinden. Schlag 1 Uhr sollten alle in gewöhnlicher Ordnung nach der Universitätskirche ziehen, wo sie sich gebührend zur Beicht vorbereiten können. Zur Abhörung der Beicht werden sich nebst der Herren Professoren alle dazu gebettenen Beichtväter in der Stadt sehr gerne einfinden, so daß jedem Gymnasialschüler freie Wahl seines Gewissensvathers bleibt. Jeder Schüler wird nach abgelegter Beicht seinem Beichtvater einen nach einem von dem Professor entworfenen Formular verfaßten Beichtzettel übergeben, welche alle ihm übergebenen Beichtzettel nach vollendeter gemeinschaftlicher Beicht dem Gymnasialpräfekten übergibt, der während der Beicht selbst durch ununterbrochene Aufsicht in der Kirche Ordnung, Ruhe und gebührenden Anstand zu erhalten wissen wird. Am Sonntag darauf dürfte zu einer festgesetzten Stunde in der näherlichen Universitätskirche die gemeinschaftliche Kommunion statt haben, bey welcher von dem Gymnasial-Präfekten oder dem Religionslehrer einem jeden Schüler das Abendmahl gereicht und ein Communionzettel übergeben wird, welchen jeder Schüler tags darauf seinem Professor in der Schule an Handen zu stellen hat.
Krankheitsfälle und manche andere wichtige Gründe dürften bey Einzelnen hie und da eine giltige Ausnahme machen.
Auf diese Art würde dem Lehrerpersonale die nöthige Aufsicht über die denselben anvertraute Jugend bey den wichtigsten Religionshandlungen möglich gemacht und erleichtert, die bestgemeinte und weiseste Absicht der höchsten Regierung rücksichtlich religiöser Bildung der Jugend am leichtesten erreicht, und die Erbauung des Publikums gesichert.
Indessen bittet der Unterzeichnete, dieser Vorschlag wolle gnädigst für das angesehen und gewürdigt werden, was er wirklich ist, nähmlich:
als unterthänigst gehorsamste unmaßgebliche Vorstellung
Eines Wohllöbl. Kais. königl. Kreisamtes
Stift St. Peter zu Salzburg am 17ten Nov. 1819
Unterthänig – gehorsamster
Albert Nagnzaun Abt, als Local-Director
des k.k. Gymnasiums daselbst.