Hermann-Bahr-Bibliothek

Aus SALZBURGWIKI
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Blick in die Hermann-Bahr-Bibliothek 1935.

Die Hermann-Bahr-Bibliothek befand sich in der Bibliotheksaula der Salzburger Studienbibliothek.

Geschichte

Dr. Ernst von Frisch, der von 1919 bis in die 1930er-Jahre Direktor der Salzburger Studienbibliothek war, erwarb die aus rund 12 000 Büchern[1] bestehende Hermann-Bahr-Bibliothek 1932.

Die "Salzburger Chronik" berichtet in ihrer Ausgabe vom 23. April 1932, wie die Hermann-Bahr-Bibliothek nach Salzburg gekommen war:[2]

Warum verschenkt Bahr seine Bibliothek?

Die Geschichte dieser Schenkung, bei der natürlich auch einige nicht unwesentliche realere Momente mitbestimmend waren, ist bald erzählt. Die Bücherei des schon in beträchtlichem Alter stehenden Dichters war allmählich zu einer Mächtigkeit angeschwollen, die sich im normalen Haushalt des bürgerlichen Menschen als Beschwernis äußern mußte. Mit anderen Wor­ten, eine Bibliothek von solchem Umfang mußte sich not­gedrungen in einer Privatwohnung zu einer Bela­stung entwickeln, über die keinerlei tröstender Hin­weis auf die Aufspeicherung von Geistigkeit hinweg­kommt. Anläßlich einer Übersiedlung mag der wohl schon lange gefaßte Plan feste Formen angenommen haben: Hermann Bahr suchte jemanden, dem er seine Bibliothek schenken konnte. Man beachte wohl diesen Zug von Hinneigung zu seinen geliebten Büchern: Er stellte nur die eine Bedingung, daß die Bibliothek als Ganzes erhalten bleibe. Ursprünglich kamen etwa drei Städte in Betracht: Linz, die Heimatstadt, Salz­burg und München, das naturgemäß auch großes Interesse dafür zeigte, die Bibliothek in ihren Besitz zu bringen.

Wie kam die Bibliothek nach Salzburg?

Die im Schwarzweißbild zu sehende Büste von Hermann Bahr befindet sich heute im Treppenhaus zur Bibliotheksaula. Die Gipsbüste wurde 1932 von Erich Windbichler aus Salzburg geschaffen.

Es muß hier ausdrücklich das Verdienst der zustän­digen Stellen hervorgehoben werden, denen wir es zu danken haben, daß die Wahl schließlich auf Salzburg fiel. Nur schnelle Entschlußfassung konnte zum Ziele kommen. Denn naturgemäß war die Annahme der Schenkung an die Bereitwilligkeit zur Aufbringung der erforderlichen Mittel, die der Transport und dergleichen erforderten, sowie an die Möglichkeit der Raumbeschaf­fung gebunden. Wir verdanken es nicht zuletzt der Leitung unserer Studienbibliothek, Oberstaatsarchivar Di­rektor Dr. Frisch, und der Initiative des Landeshauptmannes Dr. Rehrl, daß die wertvolle Bibliothek in unseren Besitz gekommen ist. Gelegentlich einer Be­sprechung beim Landeshauptmann konnte Direktor Dr. Frisch erklären, daß es ihm gelingen werde, die Bibliothek unterzubringen, worauf sich die Landesregierung unverzüglich zur Annahme der großzügigen Schen­kung entschloß. Daraufhin konnte die Angelegenheit mit Hermann Bahr bereinigt werden, worauf dann die Übersendung der vielen Bücherkisten nach Salzburg er­folgte. Zugleich wurde mit dem Bunde ein entspre­chendes Abkommen getroffen. Die Bibliothek ist Eigen­tum des Landes Salzburg, bleibt aber unbeschadet dieses Eigentumsrechtes der Verwahrung der Studienbibliothek überlassen. Dieser Tatbestand ist unter den gegen­wärtigen Umständen belanglos, könnte aber beispiels­weise in ein akutes Stadium treten, wenn etwa die Stu­dienbibliothek in Salzburg vom Bunde aufgelassen würde. In diesem Falle müßte die Hermann-Bahr-Bibliothek aus den anderen Buchbeständen ausgeschieden werden und stünde wiederum völlig zur Disposition des Landes.

Wo ist sie ausgestellt?

Unterdes ist die Bibliothek bereits ausgestellt. Bei den gegenwärtigen Raumverhältnissen mußte sie in der sogenannten Kleinen Aula, deren Fenster auf die Hofstallgasse münden, untergebracht werden. Leider ist der Aufstellungsplatz keineswegs sehr günstig. Wäre der nötige Platz vorhanden, so könnte man sich über die Unterbringung in diesem großen Raum, der durch die ge­waltige Holzdecke eine schöne, künstlerische Note erhält, nur freuen. Leider aber sind alle Regale schon besetzt so daß man sich damit behelfen mußte, die neue Biblio­thek in vier gewaltigen Doppelschränken unterzubringen, von denen übrigens Hermann Bahr selbst zwei gewidmet hat. Sie stehen überdies mitten im Saal, so daß die Regale der Rückseiten völlig unbeleuchtet sind, ein Umstand, der sich bei dem Mangel an künstlicher Beleuchtung ungünstig auswirkt. Einstweilen können wir nur hoffen, daß das Land dereinst, wenn bessere Verhältnisse eingetreten sind, diese Mängel beheben wird.

Dem Personal der Studienbibliothek obliegt nunmehr die keineswegs leichte Arbeit, sämtliche Bücherschätze der Hermann-Bahr-Bibliothek zu katalogisieren. Ein Teil, die Einordnung nach den verschiedenen Gebieten, ist mit der Aufstellung bereits vollendet. Lediglich jeden der vielen tausend Bände mit den nötigen (eigenen) Stempeln zu versehen, ist eine zeitraubende Beschäfti­gung. Dazu gesellt sich sodann die eigentliche Katalo­gisierung, nach deren Vollendung die Bibliothek erst zur öffentlichen Benützung freigegeben werden kann. Man hofft, daß dies bis zum heurigen Herbst geschehen wird. Staatsbioliolhekar Dr. Grein und Frl. Pallweber haben sich ihrer Aufgabe mit aller Hingabe gewidmet.

Was enthält sie?

Eine nähere Besichtigung der hier aufgestapelten Bücherbestände ist natürlich ein Hochgenuß für den Bücherfreund. Das erstaunlich reiche Geistesleben die­ses Mannes könnte sich in nichts anderem so überwälti­gend stark ausdrücken als in diesem herrlichen Reichtum. Die Bücherreihe beginnt mit der deutschen Literatur und umfaßt die Mehrzahl der bekannteren Dichter, die hier bereits in alphabetischer Reihenfolge aufschrinen. Be­sonders reich vertreten ist Goethe in verschiedenen teils kostbaren Ausgaben, darunter der wertvollen Sophirn-Ausgabe. Nicht weniger reich vertreten ist die Goethe-Literatur. Für den Bahr-Verehrer gewinnen die ein­zelnen Bände durch die verschiedenen Notizen und Aus­schreibungen, die Bahr, der Eilfertigkeit seines Schaf­fens gemäß, am Rand oder sonstwie hingekritzelt hat. Man kennt die kleine, zierliche Schrift, die so gar nicht zum olympischen Schädel des Mannes passen will. Ne­ben wahren Prachtausgaben, beispielsweise einer Pro­pyläenausgabe (Georg Müller Verlag) neben der Weimarer Ausgabe, steht eine billige Klassikerausgabe, die sich wohl der junge Student gekauft haben mag. "Bahr" steht auf dem Blatt, mit noch großen Buchstaben, die noch nichts mit der zierlichen Kritzelei von später zu tun haben. Auf die deutsche folgt die französische Literatur, ihr die englische, slavische, ungarische, indische, asiatische.

Von besonderer Reichhaltigkeit ist, wie zu erwarten, die kunst- und theatergeschichtliche Abteilung. Herrliche Werke, die einen den Mund wässern machen könnten, kostbare Kunstzeitschriften, die uns erraten laffen, aus welch zahlreichen Quellen die Vertrautheit Hermann Bahrs mit all diesen Geistesgebieten ge­nährt worden sein mag. Das Gleiche gilt für Theologie. Politik und Wirtschaft. Ein ewig zusammenraffender Geist hat hier einen weiten Tummelplatz gefunden, der uns die erstaunliche Vielseitigkeit dieses Mannes erst ganz erklärt. Riesenfolianten wechseln gelegentlich mit kleinsten Dingen, nicht einmal Klassikerpräparationen fehlen, die man uns, als wir noch faule Studenten waren, mehr oder weniger pflichtgemäß verboten hat.

Die Bedeutung dieser Bibliothek

Es erübrigt noch, die Bedeutung der Hermann-Bahr-Bibliothek im Rahmen der gesamten Salzburger Studienbibliothek festzulegen. Das Urteil des hiezu am mei­sten zuständigen Fachmannes, des Direktors Dr. Frisch geht dahin, daß die Erwerbung der Hermann-Bahr-Bibliothek für unsere Studienbibliothek eine ganz beträchtliche Wertvermehrung darstellt, da sie gerade in jenen Gebieten Lücken ausfüllt, die bisher am schmerzlichsten waren: moderne Kunst und Literatur, beonders im Zeitalter des Realismus. Damit ist unsere Studienbibliothek in die Reihe der großen Bibliotheken gestellt, so daß sie in vieler Beziehung mit ihnen konkurrieren kann. Dazu kommt noch die aus­drückliche Bestimmung des Spenders, daß diese Biblio­thek nicht den üblichen strengen Bibliotheksvorschriften unterliegt, sondern ausdrücklich zur Benützung freisteht, so daß gewisse Werke, die sonst nur in der Stu­dienbibliothek eingesehen werden dürfen, nunmehr, sofern sie der Hermann-Bahr-Bibliothek zugehören, auch ausgeliehen werden können. Auffallend ist eines: die Bibliothek enthält einstweilen, abgesehen von in Zeitschriften gesammelten Auf­sätzen des Dichters, kein einziges Werk von Hermann Bahr selbst. Da die nicht unbegründete Erwartung besteht, daß Bahr später einmal vielleicht selbst Wert darauf legen wird, die restlichen Bücher­bestände, die er sich jetzt zurückbehalten hat, jener Bü­chersammlung beizugliedern, die seinen Namen trägt und sein Andenken in uns immer wacherhalten wird, wird vielleicht auch diesem Mangel abgeholfen werden, ebenso wir sicher einmal der Tag kommen wird, da die gesamte Bibliothek eine zweckmäßigere Ausstellung er­hält.

Einstweilen wollen wir uns der reichen Gabe freuen, mit der Hermann Bahr seinem geliebten Salzburg eine Zuneigung erwiesen hat, um die uns jede andere Stadt beneiden wird. Es waren also nicht leere Worte, wenn er immer und immer wieder mit so zärtlicher Leidenschaft von Salzburg gesprochen hat. Die Stadt und ihre Be­völkerung werden sich dem Dichter verbunden fühlen für immer.

Quellen

  1. ANNO, "Salzburger Volkszeitung", Ausgabe vom 5. Juli 1949, Seite 3
  2. ANNO, "Salzburger Chronik", Ausgabe vom 23. April 1932, Seite 3