Tourengeher verboten

"Tourengeher verboten" heißt es besonders seit dem Dezember 2015 in manchen österreichischen Skigebieten, was bei Betrachtung der Zukunft des Winterfremdenverkehrs im 21. Jahrhunderts angesichts der schneearmen Winter zu Diskussionen führt. Die Online-Abstimmung der "Salzburger Nachrichten" im Dezember 2015 fiel dementsprechend knapp gegen eine Sperre aus. 57 Prozent der 1 800 Befragten wollen, dass die Pisten für Tourengeher frei bleiben.

Der Hintergrund

Alpine Skipisten werden nach der aktuellen Rechtsprechung als Wege im Sinne des § 1319a ABGB[1] gesehen. Der Pistenerhalter hat also den von ihm zur Verfügung gestellten Pistenbereich so zu sichern, dass die Benützer diesen gefahrlos befahren können.

Tourengeher dürfen daher Pisten nur dann zum Aufstieg benutzen, wenn eine solche Verwendung nicht vom Pistenerhalter untersagt ist. Denn der Pistenerhalter haftet bei Unfällen auch für jene Benutzer der Pisten, die nicht im Besitz einer gültigen Liftkarte sind, beispielsweise Schwarzfahrer oder eben Tourengeher.

Die Ausgangslage im Dezember 2015

Es fehlt an Schnee, auch an Kunstschnee.

Aufgrund eines weiteren milden Winters konnten viele Lifte nur dadurch ihren Betrieb vor Weihnachten aufnehmen, dass sie durch künstliche Beschneiung ihre Abfahrten bis ins Tal fahrbereit präparierten. Dies hatte aber mancherorts zur Folge, dass nur (sehr) schmale Schneebänder entstanden sind, die zu schmal für talwärts fahrende Skifahrer und bergwärts wandernde Tourengeher sind.

Der Trend der letzten Jahre, dass immer mehr Menschen zu Tourengehern werden, setzt sich auch in der Wintersaion 2015/16 fort. Nicht zuletzt auch, weil viele Skigebiete die Preise für Tageskarten (kräftig) erhöht hatten. So verlangt man im Winter 2015/16 im Skicircus Saalbach-Hinterglemm-Leogang-Fieberbrunn 51 Euro für die Tageskarte.

Die Folgen des Schneemangels vor Weihnachten 2015

Trotz Verboten halten sich nicht alle Tourengeher daran, was zunächst im Salzburger Raum die Flachauer Bergbahnen zum Aufstellen von Verbotsschildern und Hinweisen von Rechtsanwälten veranlasste. Auch von Kontrolleuren war schon die Rede.

Kurz vor Weihnachten hatte nun auch die Hauser Kaibling Seilbahn- und Liftges.m.b.H. & Co KG in Haus im Ennstal nachgezogen und aus Sicherheitsgründen das Begehen der Skipisten mit Tourenskiern strengstens verboten und bei Zuwiderhandlung erfolgt eine Besitzstörungsklage heißt es auf den Tafeln, die bei der Talstation der Liftanlage auf den Hauser Kaibling]] aufgestellt wurden. Planai-Hochwurzen-Bahnen-Chef Georg Bliem sieht die Sache noch gelassener. Es gebe eigene Skitourenabende auf der Hochwurzen]] und wenn dann der Schnee kommt, werden auch auf der Galsterbergalm Tourengeher aufsteigen dürfen.

Wie kann man den Konflikt um den Schnee lösen?

In Salzburg gibt es einige Beispiele, wo Tourengeher und andere Skifahrer friedvoll nebeneinander ins Tal wedeln. "Ein Verbot bringt nichts, wir müssen Anreize schaffen", sagt etwa Peter Radacher. Er hat den Skitourenlehrpfad in Mühlbach am Hochkönig errichtet. Der Pfad habe einen großen Vorteil: "Die Tourengeher steigen dort auf, wo es niemanden stört." Auf 280 Höhenmetern erklären Tafeln im freien Gelände, wie der Sportler sein Material überprüft, wie er richtig geht und was eine Spitzkehre ist. "Der Pfad hat einen Notausstieg. Die Piste ist gleich in der Nähe - aber gefühlt sehr weit weg", sagt Radacher. Am Gipfel des Hochkeils wartet eine alte Gondel auf die Sportler, an einem schönen Tag habe er schon 200 Leute dort gezählt. Die Tourengeher können dann zwischen der Abfahrt über die Piste und im freien Gelände wählen. Wenn die Lawinenwarnstufe drei erreicht ist, sollte man den Lehrpfad jedoch meiden.

Zwei neue Routen und eine Punktekarte

In Rauris will die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes über Skitouren mehr Urlauber in das Gebiet locken. "Freilich ist unserem Skigebiet der zahlende Gast wichtig, das kann ich nicht abstreiten", sagt Alexandra Fankhauser. Aber Skitouren liegen nun mal im Trend und die Sportler zu vertreiben helfe niemandem. Die Tourengeher will sie deshalb nicht aussperren, sondern ihnen gute Angebote machen. Die Skitourenkarte inkludiere etwa eine Übernachtung sowie eine Punktekarte. Wer sich nicht zutraut, komplett auf den Gipfel aufzusteigen, könne damit bis zur Mittelstation fahren. Apropos Aufstieg: Rauris eröffnet zwischen 6. und 10. Jänner 2016 zwei neue Routen. In den vier Tage gebe es zudem Vorträge zur Sicherheit, Lawinen und einen Basiskurs. "Über Jahre gab es keine Regeln. Jetzt haben wir uns gemeinsam mit den Hochalmbahnen etwas überlegt", sagt Fankhauser. Die markierten Touren führen von der Talstation Kreuzboden zur Waldalmhütte beziehungsweise von der Talstation der Hochalmbahn bis zur Hochalm. Der Aufstieg verläuft meist abseits der Pisten - und die Skitourengeher können in den bewirtschafteten Hütten noch ein Bier trinken, bevor sie abfahren. Am Freitag ist Skitourenabend: Die Pisten können bis 22 Uhr befahren werden.

Katschberg sperrt die Pisten

Das Skigebiet Katschberg sperrt indes ab Samstag die Pisten. "Wir hatten innerhalb einer Stunde 100 Tourengeher. Das war einfach zu viel", sagt ein Sprecher. Die Pisten-Security überwache, ob das Verbot eingehalten wird. Wie lange die Sperre gilt, könne man derzeit noch nicht abschätzen. Die Nachttour am Montag auf die Brantweinerhütte bleibt indes offen.

Am Mittwoch können Tourengeher zudem von Mauterndorf auf das Großeck aufsteigen. Am Donnerstag führt die beleuchtete Piste die Tourengeher von St. Michael im Lungau auf das Speiereck. "Aber bitte nur bis 21 Uhr abfahren, danach präparieren die Pistenraupen", sagt Kerstin Hartsleben von der Ferienregion Lungau.

Hartsleben hofft, dass es bald mehr schneit: "Dann geht eh niemand freiwillig auf der Piste." Damit Tourengeher nicht durch das Gelände irren, hat die Ferienregion Lungau einen Führer herausgegeben. 25 Routen sind darin aufgelistet, nach Schwierigkeitsgrad und Höhenmetern geordnet. "Skitourengeher sind bei uns herzlich willkommen, wenn sie sich an die ausgeschilderten Aufstiege halten", sagt Hartsleben.

Fünf Euro für den Parkplatz

Im Tennengau erklären die Skigebiete in einem Folder, wo das Tourengehen wann erlaubt ist. In vielen Gebieten zahlen die Sportler für den Parkplatz. Unter der Woche kostet das Parken in Gaißau etwa fünf Euro, am Wochenende sieben Euro. Dafür können die Tourengeher zwei Pisten bis 19 Uhr benützen - am Mittwoch sogar bis 22 Uhr. Thomas Lenzhofer, zuständig für das Marketing, hält das für gerechtfertigt: "Die Skitourengeher bewegen sich entlang der Piste, nutzen damit die Schneeanlage und den lawinensicheren Aufstieg." Deshalb sei es nur fair, dass die Sportler für die Infrastruktur auch zahlen. "Es wird auch durchwegs akzeptiert", sagt Lenzhofer.

Die Naturfreunde Österreich

Tourengehern generell das Begehen der Skipisten zu verbieten ist das falsche Zeichen in Richtung Tourismus. Die Naturfreunde ersuchen vielmehr Pistenbetreiber, aber auch Tourengeher um ein faires Miteinander. "Wir verstehen die zurzeit schwierige Situation auf den schmalen Kunstschneepisten. Doch ein generelles Verbot kann nicht die Lösung sein. Basis für ein faires und sicheres Miteinander auf der Piste sind die von den alpinen Vereinen gemeinsam mit dem Kuratorium für alpine Sicherheit ausgearbeiteten Fair-Play-Regeln für PistentourengeherInnen." so Martin Edlinger, staatl. geprüfter Berg- und Skiführer sowie Abteilungsleiter des Referates Skitouren der Naturfreunde Österreich.

Die 10 Fair-Play-Empfehlungen für Tourengeher auf der Piste

  • Warnhinweise sowie lokale Regelungen beachten!
  • Der Sperre einer Piste oder eines Pistenteils Folge leisten!
  • Nur am Pistenrand und hintereinander aufsteigen!
  • Die Piste nur an übersichtlichen Stellen und mit genügend Abstand zueinander queren!
  • Frisch präparierte Pisten nur im Randbereich befahren!
  • Bis 22:30 Uhr oder bis zu der vom Seilbahnunternehmen festgelegten Uhrzeit die Pisten verlassen!
  • Sich sichtbar machen!
  • Bei besonders für Pistentouren gewidmeten Aufstiegsrouten/Pisten nur diese benützen!
  • Hunde nicht auf Pisten mitnehmen!
  • Ausgewiesene Parkplätze benützen und allfällige Parkgebühren entrichten!

Pro und Contra

Die Fronten zwischen Liftbetreibern und Tourengehern bleiben verhärtet. Die SN stellen Pro und Kontra in zwei Gastbeiträgen einer Expertin und eines Experten gegenüber[2].

Vroni Scheffer

So sieht Vroni Scheffer, Präsidentin des Verbundes Ski Amadé, die Sache:

In den letzten Wochen vor Weihnachten gab es bei fast allen Salzburger Bergbahnen eine massive Beschwerdeflut von Skifahrern über Pistengeher. Wir haben jetzt einen Punkt erreicht, an dem an einem Verbot des Pistengehens auf präparierten Abfahrten in einigen Regionen als Notwehrreaktion kein Weg mehr vorbeigeführt hat.

Diese Entscheidung fiel nicht leicht. Es gingen ihr intensive interne Gespräche und Diskussionen voraus.

Es sollte eigentlich auch jedermann einleuchten, dass es dort Grenzen gibt, wo andere Skifahrer oder Snowboarder gefährdet werden. Dass die derzeitige Situation untragbar ist, haben einige Institutionen inzwischen erkannt. Der Alpenverein hat ein 10-Punkte-Regelwerk herausgegeben, an das sich jeder Pistengeher halten müsste (was aber leider nicht der Fall ist).

Jetzt liegt das Problem vor allem darin, dass bergauf Gehende nebeneinander unterwegs sind, häufig die Pisten gekreuzt werden und teilweise Hunde unangeleint über die Pisten laufen. Daraus entstehen Gefahrensituationen, die absolut inakzeptabel sind. Letztlich entstehen daraus auch Haftungsfragen, die verständlicherweise die Bergbahnen nicht tragen können.

Bei allem Verständnis für sportliche Menschen, die in der alpinen Landschaft Energie tanken wollen: Ich sehe es als dringend geboten an, dass sich die Behörden auf Landes- und Gemeindeebene, Seilbahngesellschaften, Bergrettung, Alpenverein und Sprecher der Pistengeher zusammensetzen, um Lösungen für die Zukunft zu finden.

Auf eines können sich die Pistengeher jedenfalls nicht berufen, nämlich das freie Wegerecht. Das gilt nämlich auf einer präparierten Piste nicht.

Zudem muss ein rechtlich verbindlicher Verhaltenskodex erstellt werden, der auch einzuhalten ist. Was sicher nicht funktionieren wird, ist der status quo. Denn der ist für alle Gäste, die für ihre Liftkarten bezahlen, untragbar. Die Seilbahngesellschaften müssen sich dagegen wappnen, dass sie für regelloses "Geistergehen und -fahren" auf den Pisten womöglich auch noch bei Unfällen finanziell in Anspruch genommen werden.

Die verhängten Sperren sind nichts anderes als eine Notwehrreaktion der Seilbahnunternehmen. Ich gehe davon aus, dass in jedem Fall auch ein Verhaltenskodex für das Pistengehen mit Ski nötig ist.

Franz Deisenberger

So sieht Franz Deisenberger, Skischulleiter in Leogang, die Sache:

Für mich ist die derzeitige Diskussion über das Tourengehen auf Pisten bzw. deren Sperre nicht zielführend. Es fehlt die Sachlichkeit. Soweit ich mich erinnere, gab es vor 20, 25 Jahren eine ähnliche Diskussion durch den aufkommenden Snowboard-Boom.

In den FIS-Pistenregeln ist das notwendige Verhalten aller Pistenbenützer recht klar beschrieben. In Regel 1 steht beispielsweise, dass sich jeder so zu verhalten hat, dass er niemanden gefährdet oder schädigt - also gegenseitige Rücksichtnahme wäre angesagt. In Regel 2 steht, dass der Abfahrende auf Sicht fahren muss und seine Geschwindigkeit den Verhältnissen anzupassen hat. Und aus Regel 7 geht hervor, dass man beim Aufstieg den Pistenrand zu benützen hat. Wenn sich alle an diese Regeln halten würden, dann sollte eigentlich nichts passieren. Leider haben Untersuchungen gezeigt, dass etwa drei Viertel aller Pistenbenützer die Pistenregeln nicht kennen.

Für betroffene Bergbahnen ist das Verbot kurzfristig vielleicht eine Lösung, langfristig halte ich es aber nicht für zielführend, wenn man eine Gruppe von Wintersportlern diskriminiert. Wir alle, die vom Wintersport leben, können uns die Ausgrenzung einer einzelnen, boomenden Wintersportgruppe nicht leisten.

Tourengehen ist der einzige Bereich im Skisport, in dem es seit einigen Jahren noch ein sehr deutliches Wachstum gibt. Wir alle im Wintersportland Salzburg müssen über jeden, der Wintersport betreiben will und sich das Skifahren - in welcher Art auch immer - leistet, froh sein.

Wenn man miteinander lösungsorientiert arbeitet, kann man mögliche Probleme auch in den Griff bekommen. Im Übrigen ist mir aus meiner Tätigkeit als Sachverständiger für Skiunfälle kein gerichtsanhängiger Fall bekannt, bei dem es um den Zusammenstoß zwischen einem Abfahrer und einem Pistentourengeher gegangen wäre. Auch das Argument, dass die Bergbahnen in so einem Fall immer haften müssten, ist aus meiner Sicht unrichtig. Verantwortlich sind primär immer die Unfallbeteiligten.

Mit einem Verbot des Tourengehens auf geöffneten Pisten, das vielleicht rechtlich gar nicht haltbar ist, verärgert man Tourengeher, vor allem wenn sie auch Liftkarten besitzen, und vergrault potenzielle Kunden und Gäste. Denn längst gehen nicht nur die Einheimischen auf Pisten-Skitour, sondern auch immer mehr ausländische Wintersportler. In diesem Sinne an der Talstation: Infopoint statt Wachdienst.

Leser-Kommentare im Ennstal

Auf der Internetseite der Quelle für diesen Beitrag meldeten sich Leser zu Wort (Auszug):

  • Tourengehen, auch wettkampfmässig boomt, das steht außer frage. Grund dürfte der fitnesstrend sein, aber auch die horrenden Preise für saisonkarten tragen sicher dazu bei. Nebeneinander auf engen schneebändern zu gehen oder einen Hund mitzunehmen ist abzulehnen. Aber jetzt alle sportbegeisterten auszusperren ist unverständlich.
  • Wie will der Betreiber ein dauerndes Betretungsverbot rechtfertigen, wenn er selbst abseits der Pisten durch Schilder auf Lebensgefahr aufmerksam macht?
  • aber die Gastronomie dürfen die Tourengeher schon aufsuchen oder?
  • Liftbetreiber sind die Buhmänner, weil sie das jetzt verbieten. Sie wären es auch, wenn etwas passieren würde.

Quellen

Einzelnachweise

  1. siehe § 1319a ABGB
  2. "Salzburger Nachrichten", 28. Dezember 2015