H.C. Artmann
Hans Carl Artmann (* 12. Juni 1921 in Wien-Breitensee; † 4. Dezember 2000 in Wien) war ein österreichischer Dichter und Übersetzer.
Leben
H.C. Artmann wuchs als Sohn des Schuhmachers Johann Artmann und seiner Frau Marie in Wien auf, besuchte Volks- und Hauptschule und arbeitete drei Jahre als Büropraktikant. 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kämpfte im Zweiten Weltkrieg bis zur Verwundung 1941, danach bis Kriegsende in einem Strafbataillon.
Artmann gilt als einer der wichtigsten Anreger und Schöpfer von progressiver Kunst und Literatur in Österreich nach 1945 und war Mitglied der legendären Wiener Gruppe. Seit 1954 unternahm er ausgedehnte Reisen durch Europa, lebte zwischen 1961 und 1965 in Schweden, danach bis 1969 in Berlin und ab 1972 in der Stadt Salzburg, wo er die spätere Schriftstellerin Rosa Pock heiratete. H.C. Artmann war Gründungsmitglied und Präsident der Grazer Autorenversammlung, aus der er 1978 austrat. Für sein Schaffen erhielt er zahlreiche Preise und Ehrungen, zuletzt als 76jähriger mit dem renommierten Georg-Büchner-Preis die wichtigste Literaturauszeichnung im deutschen Sprachraum.
In seinen letzten Lebensjahren zog das Ehepaar Artmann nach Wien, wo der Poet an einem Herzversagen starb. Sein Ehrengrab befindet sich am Urnenhain des Wiener Zentralfriedhofs.
Die Stadt Wien kaufte Artmanns literarischen Nachlass und stiftete 2004 ihm zu Ehren den H.C. Artmann-Preis. Seit 2008 vergibt die Stadt Salzburg gemeinsam mit dem Literaturhaus Salzburg – gelegen am H.C.-Artmann-Platz und ausgestattet mit dem h.c.café – das H.C. Artmann-Stipendium.
Werk
Artmann veröffentlichte ab 1947 literarische Texte im Hörfunk und in der Zeitschrift Neue Wege. Seit 1952 Zusammenarbeit mit Gerhard Rühm, Konrad Bayer, Friedrich Achleitner und Oswald Wiene in der Wiener Gruppe, von der er sich 1958 distanzierte. In dieses Jahr fällt auch sein größter Publikumserfolg – der Gedichtband med ana schwoazzn dintn (erschienen im Salzburger Otto Müller Verlag), mit dem die moderne Dialektdichtung begann. Der Dichter kann jedoch keinesfalls auf das Wienerische reduziert werden, seine Romane, Lyrik, Theaterstücke, Erzählungen, Hörspiele etc. sind vom Surrealismus und Dadaismus beeinflusst. Bekannt wurde Artmann auch durch seine vielen Lesungen im In- und Ausland, mit denen er in Insiderkreisen Kultstatus erreichte.
Acht-Punkte-Proklamation
Als Theoretiker trat Artmann 1953 mit seiner "Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes" hervor, die proklamierte, "dass man Dichter sein kann, ohne auch irgend jemals ein Wort geschrieben oder gesprochen zu haben":
1. Der poetische Act ist jene Dichtung, die jede Wiedergabe aus zweiter Hand ablehnt, das heißt, jede Vermittlung durch Sprache, Musik oder Schrift.
2. Der poetische Act ist Dichtung um der reinen Dichtung willen. Er ist reine Dichtung und frei von aller Ambition nach Anerkennung, Lob oder Kritik.
3. Ein poetischer Act wird vielleicht nur durch Zufall der Öffentlichkeit überliefert werden. Das jedoch ist in hundert Fällen ein einziges Mal. Er darf aus Rücksicht auf seine Schönheit und Lauterkeit erst gar nicht in der Absicht geschehen, publik zu werden, denn er ist ein Act des Herzens und der heidnischen Bescheidenheit.
4. Der poetische Act wird stark bewußt extemporiert und ist alles andere als eine bloße poetische Situation, die keineswegs des Dichters bedürfte. In eine solche könnte jeder Trottel geraten, ohne es aber jemals gewahr zu werden.
5. Der poetische Act ist die Pose in ihrer edelsten Form, frei von jeder Eitelkeit und voll heiterer Demut.
6. Zu den verehrungswürdigsten Meistern des poetischen Actes zählen wir in erster Linie den satanisch-elegischen C. D. Nero und vor allem unseren Herrn, den philosophisch-menschlichen Don Quijote.
7. Der poetische Act ist materiell vollkommen wertlos und birgt deshalb von vornherein nie den Bazillus der Prostitution. Seine lautere Vollbringung ist schlechthin edel.
8. Der vollzogene poetische Act, in unserer Erinnerung aufgezeichnet, ist einer der wenigen Reichtümer, die wir tatsächlich unentreißbar mit uns tragen können.
Übersetzer
Artmann arbeitete auch als Übersetzer, u. a. aus dem Englischen für den Schriftsteller wie H. P. Lovecraft, übertrug sehr frei Gedichte von François Villon aus dem Französischen ins Wienerische vor, die von Helmut Qualtinger auf Schallplatte aufgenommen wurde. 1999 erschien Asterix oes Legionäa, ein Asterix-Band auf Wienerisch, übersetzt von H.C. Artmann.
Preise und Auszeichnungen (Auswahl)
- 1974: Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur
- 1977: Literaturpreis der Stadt Wien
- 1981: Ehrenring der Stadt Salzburg
- 1981: Rauriser Literaturpreis|Rauriser Bürgerpreis für Literatur
- 1981, 1989 und 1991: Literaturpreis der Landeshauptstadt Salzburg
- 1983: Literaturpreis der Salzburger Wirtschaft
- 1984: Goldenes Ehrenzeichen des Landes Salzburg
- 1984: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
- 1986: Manuskripte-Preis für das Forum Stadtpark des Landes Steiermark
- 1986: Übersetzerprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst
- 1989: Franz-Nabl-Preis
- 1991: Ehrenbecher des Landes Salzburg
- 1991: Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg
- 1991: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
- 1992: Franz-Grillparzer-Preis
- 1996: Ehrenring der Stadt Wien
- 1997: Georg-Büchner-Preis
- 1997: Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln
Werke (Auswahl)
- 1958: med ana schwoazzn dintn. gedichta r aus bradnsee
- 1959: hosn rosn baa (mit Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm)
- 1959: Von denen Husaren und anderen Seil-Tänzern
- 1959: das suchen nach dem gestrigen tag oder schnee auf einem heißen brotwecken
- 1966: verbarium
- 1967: Grünverschlossene Botschaft
- 1968: Frankenstein in Sussex, Fleiß und Industrie
- 1969: Die Anfangsbuchstaben der Flagge
- 1969: ein lilienweißer brief aus lincolnshire. gedichte aus 21 jahren
- 1970: The Best of H.C. Artmann
- 1970: Grammatik der Rosen. Gesammelte Prosa
- 1971: How much, Schatzi?
- 1972: Der aeronautische Sindtbart oder Seltsame Luftreise von Niedercalifornien nach Crain
- 1974: Unter der Bedeckung eines Hutes
- 1975: Aus meiner Botanisiertrommel
- 1978: Nachrichten aus Nord und Süd
- 1982: Die Sonne war ein grünes Ei
- 1984: Nachtwindsucher - Einundsechzig österreichische Haiku
- 1993: Der Schlüssel zum Paradies: Religiöse Dichtung der Kelten
Tonaufnahmen (Auswahl)
- Allerleirausch, Märchen und Gedichte von H.C. Artmann, gelesen von Jutta Schwarz
- Aus meiner Botanisiertrommel, H.C. Artmann und die Gruppe Bärengässlin (auch als Buch, Salzburg 1975, Residenz Verlag)
- Dracula Dracula, Hörspiel, vorgetragen von H.C. Artmann
- Hirn mit Ei, Jazz + Lyrik, H.C. Artmann, Wolfgang Bauer (Schriftsteller)|Wolfgang Bauer, Hans Koller, Fritz Pauer
- Kein Pfeffer für Czermak, gelesen vom H.C. Artmann
- Villon übersetzt von Artmann gesprochen von Qualtinger mit Jazz von Fatty George
Weblinks
H.C. Artmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
- literaturhaus.at Umfassendes Werkverzeichnis
- H. C. Artmann als Lehrer an der "Schule für Dichtung" – Eine Reportage von Günter Kaindlstorfer erschienen in Die Presse 1992
- H.C.Artmann Lexikon mit Biographie, Bibliographie und Sekundärliteratur
Quellen
- Weblinks
- Tomas Friedmann