Die Glocknerfahrt 1936 des italienischen Thronfolgers Umberto

Von der Glocknerfahrt des italienischen Thronfolgers Umberto am 10. August 1936 berichtet die "Salzburger Chronik" in ihrer Ausgabe vom 11. August 1936.
Einleitung
Umberto von Piemont, der später als Umberto II. letzter König von Italien war, war zu Besuch bei den Salzburger Festspielen 1936 gekommen.
Über die Glocknerfahrt
Salzburg, 10. August. Seine königliche Hoheit Prinz Umberto von Piemont wurde heute vormittags zu einer Besichtigung der Großglockner Hochalpenstraße eingeladen. Um 7.30 Uhr früh wurde die Fahrt angetreten. Das Gefolge des hohen Gastes bestand aus Seiner Exzellenz dem Armeegenerval Aymonino, dem italienischen Geschäftsträger in Wien Grazzi, dem Konsularagenten in Salzburg Floro Bernardo und den Ordonnanzoffizieren Porta und Grandi.
Von österreichischer Seite nahmen an dem Ausflug teil: Bundeskanzler Dr. Schuschnigg, Vizekanzler Baar-Baarenfels, Staatssekretär für Äußeres Dr. Guido Schmidt, Landeshauptmann Dr. Rehrl, Landesstatthalter Wagenbichler, der Chef des Protokolls Gesandter Orsini-Rosenberg, Sicherheitsdirektor Oberst Bechinie, Landesmilitärkommandant Oberst Szente, Landesgendarmeriekommandant Oberst May, Sektionsrat Schuller von der Kanzlei des Vizekanzlers, der Adjutant des Bundeskanzlers Oberstleutnant Bartl und der Ehrenoffizier des italienischen Kronprinzen Major Vogl.
Fahrt bei herrlichem Wetter
Bei herrlichem Wetter ging die Fahrt durch das wundervolle Salzachtal über Hallein, Werfen, Bischofshofen, St. Johann und Schwarzach-St. Veit nach Bruck, wo sich der Bezirkshauptmann von Zell am See Dr. Hanifle meldete, weiter über Fusch und Ferleiten, die Kehren der Glocknerstraße aufwärts bis zum Fuschertörl auf die Edelweißspitze. Der Kronprinz war sichtlich ergriffen von der machtvollen Szenerie der Alpenriesen, die sich in den Kehren in wechselvollem Bild immer grandioser entfalteten.
Bei der Dollfuß-Kapelle
auf dem Fuschertörl wurde Halt gemacht und Prinz Umerto legte an der Gedächtnisstätte für den großen Förderer des ungeheuren Werkes Dr. Dollfuß einen Blumenstrauß nieder. Alle Orte, die die Wagenkolonne passierte, hatten Fahnenschmuck angelegt und die Bevölkerung bereitete dem italienischen Gast und den österreichischen Staatsmännern überall Kundgebungen herzlichen Willkommens.
Vom Fuschertörl ging die Fahrt weiter durch die beiden Tunnels auf der Kärntner Seite durch immer großartiger sich entrollende Landschaftsbilder, bis der Blick auf den Pasterzengletscher sich öffnete und die Franz-Josefs-Höhe erreicht wurde.
Dort hatten sich zur Begrüßung der Landeshauptmann von Kärnten FML. Hülgerth, der Bezirkshauptmann Spittal an der Drau Grubischitz und eine Offiziersabordnung des selbständigen Jägerbataillons Nr. 5 aus Villach unter Führung des Kommandanten Oberst Gerschabek eingefunden.
Die Großglockner-Hochalpenstraßen-A.-G. war durch den Schöpfer der Straße Ing. Wallack vertreten.
Im Angesicht der Bergriesen
Bewundernde Äußerungen des Kronprinzen
Im Schutzhaus Franz Josefshöhe wurde das Mittagessen eingenommen. War die Aussicht bisher durch Nebel etwas beeinträchtigt, der die Sonnenstrahlen zum Teil abhielt und die Gipfel einhüllte, so brach jetzt die Sonne durch und ließ den Gletscher und die Bergspitzen bis zum grandiosen Glocknergipfel in dem schillernden Weiß des Neuschnees erstrahlen, der vor einigen Tagen gefallen war. Der Kronprinz genoß in vollen Zügen das überwältigende Bild der Bergriesenwelt und äußerte wiederholt sein Entzücken über das herrliche Landschaftsbild, über die technische Durchführung der Glocknerstraße sprach er sich in Worten höchster Anerkennung aus.
Der Toast des Landeshauptmannes Dr. Rehrl
Während des Mittagessens nahm Landeshauptmann Dr. Rehrl die Gelegenheit war, Seine königliche Hoheit an dem schönsten Punkt Österreichs zu begrüßen. Er dankte dem hohen Gast, daß er nach Österreich gekommen sei und die Festspiele sowie die Großglocknerstraße besuchte.
Ich glaube, fuhr er fort, Ihnen mit den Schönheiten, die wir Ihnen zeigen konnten, eine Freude gemacht zu haben und Ihnen damit Dank zu sagen für alle Freundschaft, die Sie unserem Vaterlande entgegenbringen. Wir hoffen, daß unser Österreich auf der betretenen Bahn weiterschreiten werde, damit es unter den Nationen, besonders unter den befreundeten Nationen, einen Platz einnehme, der seiner Geschichte und Tradition würdig ist. Der Landeshauptmann schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät den König von Italien und auf Seine königliche Hoheit den Prinzen von Piemont.
Von der Terrasse des Schutzhauses aus bewunderten die Festgäste noch lange Zeit das überwältigend schöne Landschaftsbild. Auf der Franz Josefshöhe hatten sich überaus zahlreiche Touristen und Ausflügler eingefunden, darunter auch viele Italiener. Von allen Seiten wurden dem Kronprinzen stürmische Ovationen bereitet und auch Bundeskanzler Dr. Schuschnigg mit herzlichen Kundgebungen gefeiert. Während des Frühstücks sang ein Kärntner Quartett Heimatlieder.
Die Rückfahrt
erfolgte auf demselben Wege und wieder wurde bei der Dollfuß-Kapelle Halt gemacht. Der Kronprinz trat noch einmal an die Gedenkstätte für Österreichs großen Kanzler und bewunderte von diesem unvergleichlich schönen Punkt aus die schneebedeckten Gipfel, die, in der Nachmittagssonne erstrahlend, zu den dunklen Schatten des mächtig eingerissenen Tales einen überaus grandiosen Gegensatz boten.
Auf der Rückfahrt feierte die Bevölkerung, die geduldig auf die Durchfahrt der Wagen gewartet hatte, den hohen Gast und die österreichischen Staatsmänner abermals mit lebhaften und freudigen Kundgebungen.
Salzburg, 11. August. Diese Fahrt bedeutet zweifellos eine Genugtuung für die einheimische Bevölkerung, vor allem aber für die Großglockner A. G. und ihren Präsidenten, den Schöpfer dieser Straße, Landeshauptmann Dr. Rehrl, für Hofrat Wallack und für alle jene Kreise, die für den Ausbau dieser Straße eingetreten sind und ihn ermöglicht haben. Es liegt eine eigenartige Symbolik in dem Gedanken, daß der Mann, der bestimmt ist, einst die Krone des Königreichs Italien zu tragen, schon heute durch eigenen Augenschein diese Straße kennen lernt, die, abgesehen von ihrer landschaftlichen Erhabenheit, eine überaus bedeutungsvolle Verbindungslinie zwischen dem deutschen Norden und der italienischen Märchenstadt Venedig und damit für ganz Italien bildet. Wenn der Thronerbe eines Reiches, in dem die anmutige Schönheit des Südens wie kaum in einem anderen beheimatet ist, in neidloser Bewunderung die Bedeutung dieser Straße anerkennt, dürfen wir dies ohne jede Überheblichkeit freudig zur Kenntnis nehmen, weil diese Anerkennung von einem Manne ausgesprochen wird, dessen Urteil ungleich mehr als das eines anderen maßgebend ist. Wir freuen uns der glücklichen Fügung, daß heller Sonnenschein diese Fahrt begleitet hat und wollen auch das als ein Omen nehmen, daß die Beziehungen der beiden Reiche wie in den letzten. Jahren so auch weiterhin vom Sonnenschein des Glücks und des allgemeinen Friedens begünstigt bleiben mögen.
Prinzessin von Piemont in Salzburg eingetroffen
Salzburg, 10. August. Ihre königliche Hoheit die Prinzessin von Piemont ist heute um 16 Uhr 45 in Salzburg eingetroffen. Die Prinzessin wurde am Bahnhof von Bundeskanzler Dr. Schuschnigg, Staatssekretär Doktor Schmidt und dem königlich italienischen Gesandten in Wien, Senator Salata, empfangen.
Quelle
- ANNO, "Salzburger Chronik", Ausgabe vom 11. August 1936, Seite 1