Andreas Maislinger
Dr. phil. Andreas Maislinger (* 26. Februar 1955 in St. Georgen bei Salzburg) ist Historiker und Politikwissenschaftler. 1992 gründete er den ersten Verein für Gedenkdienst in Österreich.
Leben
Andreas Maislinger studierte Rechts- und Politikwissenschaft an der Universität Salzburg, sowie Politikwissenschaft und Geschichte in Wien mit Studienaufenthalten unter anderem in Frankfurt am Main, an der Freien Universität Berlin, der Universität Innsbruck und am Salzburg Global Seminar. 1980 promovierte er zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Probleme der österreichischen Verteidigungspolitik. Im Folgenden war er mit Joachim Schlör als Freiwilliger im von Volker von Törne und Christoph Heubner geleiteten Polenreferat der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste tätig. Im Museum Auschwitz-Birkenau betreute er deutsche Jugendgruppen. Der Auschwitz-Überlebende Jerzy Adam Brandhuber war während dieser Zeit sein Vertrauter. Anschließend leistete Maislinger seinen Zivildienst beim Internationalen Versöhnungsbund in Wien und arbeitete mit dem Service Civil International (SCI) zusammen.
Von 1982 bis 1991 war Maislinger am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, an der University of New Orleans in den USA, an der Humboldt-Universität in Berlin, an der Johannes Kepler Universität Linz und an der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel tätig. 1982 war er Mitgründer der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Friedensinitiativen Österreichs, 1986 Gründungsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Tirol und 1988 im Auftrag der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte in der DDR. Dieser und frühere DDR-Aufenthalte Maislingers wurden von der Stasi beobachtet. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Maislinger vor allem durch seine Auftritte im "Club 2" bekannt.
Seit 1992 ist Maislinger der wissenschaftliche Leiter der jährlich stattfindenden Braunauer Zeitgeschichte-Tage in Braunau am Inn. Bürgermeister Gerhard Skiba hatte diese von Maislinger vorgeschlagene Tagung ermöglicht.
Maislinger ist der Gründer des österreichischen Gedenkdienstes. Er setzte sich für die gesetzliche Verankerung dieser Art des Militärersatzdienstes ein, der die Aufklärung über den Holocaust zum Ziel hat. Unterstützt wurde er dabei vor allem von Simon Wiesenthal, Teddy Kollek, Ari Rath und Gerhard Röthler. Einer der Söhne Röthlers hatte später Gedenkdienst geleistet.
Als Vorsitzender des Vereins Gedenkdienst wurde er allerdings abgewählt und gründete, nach einer längeren Auseinandersetzung mit dem neuen Vorstand des Vereins Gedenkdienst, den Verein Österreichischer Auslandsdienst.[1]
Bis 1996 veröffentlichte Andreas Maislinger Kolumnen in der "Jüdischen Rundschau" und in der Innsbrucker Zeitung "tip". 1998 gründete er den Österreichischen Auslandsdienst. Außerdem ist er in Projekten zur Förderung hochbegabter Kinder tätig.
Nach der FPÖ-Regierungsbeteiligung im Jahr 2000 schlug Maislinger der Stadt Braunau am Inn vor, in Adolf Hitlers Geburtshaus ein "Haus der Verantwortung" einzurichten.
Seit 2003 leitet er das von ihm begründete "Georg-Rendl-Symposion", das sich mit Leben und Werk des Malers und Schriftstellers Georg Rendl befasst, dessen Bekanntschaft Maislinger schon als Kind in St. Georgen gemacht hatte.
Bereits in den 1980er-Jahren beschäftige er sich mit dem ehemaligen Arbeitserziehungs- und Zigeuneranhaltelager St. Pantaleon-Weyer in der Nachbargemeinde St. Pantaleon. Ludwig Laher griff den Stoff auf und veröffentlichte 2001 den Roman "Herzfleischentartung".
Ab 2006 leitet Maislinger das zweijährlich in Bürmoos bei Salzburg stattfindende Ignaz-Glaser-Symposion zum Thema Integration. Im August 2006 verlegte Gunter Demnig auf Einladung Maislingers im Bezirk Braunau am Inn Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus. Weiters stiftete Maislinger 2006 den Austrian Holocaust Memorial Award, welcher an Personen vergeben wird, die sich besonders für die Erinnerung an die Shoah einsetzen. Der am 29. September 2007 in Braunau am Inn zum ersten Mal vom Verein für Zeitgeschichte vergebene Egon Ranshofen-Wertheimer-Preis wurde von Maislinger initiiert.
Kritik an Maislinger
Maislinger wurde im Juni 1997 vom Vorstand des Vereins Gedenkdienst abgewählt, woraufhin er freiwillig zurücktrat, nur um kurz danach seine Abwahl anzufechten. Maislinger sprach von einem "Generationenkonflikt", die "Eigendynamik" des Vereinslebens habe zum "Vatermord" geführt. Laut "Kurier" soll er sich nicht zurückgehalten haben, Schmutz auf seinen Nachfolger als Obmann, Sascha Kellner, zu werfen. Der Verein Gedenkdienst leitete daraufhin rechtliche Schritte ein. Maislinger behauptete, man habe einen linken "Putsch" gegen ihn angezettelt. Sascha Kellner kritisierte zahlreiche Ungereimtheiten in der Vereinsführung, auch von Seiten Maislingers. Beide Parteien waren unwillig, eine Lösung zu finden. Dadurch wurde die Auszahlung der Förderung an die Gedenkdiener gefährdet. Christian Klösch, der in den 1990er-Jahren Teil des Vorstands des Verein Gedenkdienst war, berichtete, dass Maislinger damals Menschen emotional erpresst haben soll.[25] Dies sei auch Mitgrund für seine Abwahl gewesen.
Am 10. Mai 2023 erhob die Wochenzeitung "Falter" schwere Vorwürfe gegen Maislinger. Einen Gedenkdiener habe er angerufen und ihm seinen Suizid mit den Worten "Du musst damit leben, dass ich mich jetzt umbringe" angekündigt, berichtete der Nachrichtensender Puls 24 unter Berufung auf entsprechende Telefonmitschnitte. Auch Jonathan Dorner, der 2019 Gedenkdienst leistete, sei das Ziel einer Suiziddrohung und zahlreicher anderer Drohungen gewesen, nachdem er Maislinger widersprochen und problematische Umstände angesprochen hatte. Dorner sieht in diesen Drohungen ein System, so sei die Ankündigung des eigenen Suizids gegen die jungen Menschen im Verein angewandt worden, "um den eigenen Willen durchzusetzen, wenn etwas nicht nach seinem Plan lief". Weiters soll auch mit Klagen gedroht worden sein. Auf Kurier-Nachfrage kommentierte Maislinger, dass die Vorwürfe mithilfe eines Ombudsteams zwei Jahre zuvor abgeklärt worden seien und er keine Absicht habe, sich an einer öffentlichen Diskussion zu beteiligen.
Dem Sozialministerium seien die Vorwürfe seit Herbst 2022 bekannt gewesen, so "Puls 24". Eine Einstellung der Förderung sei auf Basis des damaligen Kenntnisstandes unverhältnismäßig gewesen, kommentierte das Ministerium auf ORF-Nachfrage.
Die Organisation WeltWegWeiser fordert eine sofortige Aufklärung und weist auf die verpflichtenden Qualitätsstandards für Entsendeorganisationen hin, ebenso die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz[30] und der Verein Gedenkdienst.
Drei Tage nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gab Maislinger seinen Rücktritt als Vorsitzender des Auslandsdienstes bekannt. Zuvor hatte das Sozialministerium mitgeteilt, dass der Verein kein Geld mehr erhalten würde, solange Maislinger in seiner Position bleibt.[9] Eine vom Verein initiierte externe Untersuchung der Vorfälle kam zum Schluss, dass es Fälle von Machtmissbrauch durch Maislinger gegeben habe. Die Organisationsstruktur sei entsprechend angepasst worden, um eine ähnliche Machtkonzentration wie unter seiner Obmannschaft künftig zu verhindern.
2023 wurde Andreas Maislinger auf Platz 81 der „Best of Böse“-Rangliste der Wochenzeitung "Der Falter" gelistet.
Auszeichnung
2005 verliehen ihm Bundespräsident Heinz Fischer das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und Herwig van Staa und Luis Durnwalder die Verdienstmedaille des Landes Tirol.
Veröffentlichungen
- Friedensbewegung in einem neutralen Land. Zur neuen Friedensbewegung in Österreich. In: Medienmacht im Nord-Süd-Konflikt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-11166-3.
- "Neue" Österreichische Friedensbewegung. In: Österreichisches Jahrbuch für Politik 1983. Wien, 1984.
- Das katholisch-konservative Lager. In: Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934-1945. Band 2. ÖBV, Wien 1984, ISBN 3-215-05368-3.
- Der Fall Franz Jägerstätter. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Jahrbuch. 1991, ISBN 3-901142-02-9.
- "Den Nationalsozialisten in die Hände getrieben". Zur Geschichtspolitik der SPÖ von 1970 bis 2000. In: Europäische Rundschau, Heft 3/2001.
Herausgeberschaft
- Costa Rica. Politik, Gesellschaft und Kultur eines Staates mit ständiger aktiver und unbewaffneter Neutralität. Inn-Verlag, Innsbruck 1986 ISBN 3-85123-091-4
- Der Putsch von Lamprechtshausen. Zeugen des Juli 1934 berichten. Eigenverlag, Innsbruck 1992 ISBN 3-901201-00-9
- Handbuch zur neueren Geschichte Tirols. Band 2 Zeitgeschichte. (gemeinsam mit Anton Pelinka) Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1993
Bilder
Andreas Maislinger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
Weblink
Quelle
- Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia zum Thema "Andreas Maislinger"
Einzelnachweise
- ↑ Auslandsdienst-Kurier, Link war bei einer Überprüfung am 25. November 2024 nicht mehr abrufbar