Erstbefahrung der Großglockner Hochalpenstraße





Der abenteuerliche Erstbefahrung der Großglockner Hochalpenstraße fand am 22. September 1934 statt.
Mit einem Pkw über die Großglockner Hochalpenstraße
„Franz, der Franz, der Dr. Rehrl, hat mich gerade wissen lassen, dass er am 22. September über die Straße nach Heiligenblut fahren will“. So oder ähnlich hatte Josefine Wallack am 19. September 1934 ihren Mann, Ing. Franz Wallack, telefonisch informiert. Ing. Wallack war Planer und Bauleiter der gerade im Gange befindlichen Errichtung der Großglockner Hochalpenstraße.
Nachdem „der Franz, der Dr. Rehrl“, der damalige Salzburger Landeshauptmann und Initiator des Baus der Großglockner Hochalpenstraße, nach Jahren des sogenannten Variantenstreits im Sommer 1933 endlich eingelenkt hatte, stand Ing. Wallack 1934 unter einem enormen Zeitdruck. Die Straße sollte nämlich 1935 eröffnet werden. Beim Variantenstreit ging es darum, dass Dr. Rehrl eine wesentlich teurere Scheitelstrecke vom Salzburger Hochmais zur Kärntner Kaiser-Franz-Josefs-Höhe durchsetzen wollte als Ing. Wallack sie geplant hatte, damit die Kärntner nicht an den Mautgebühren und somit auch an damals wichtigen Deviseneinnahmen mitnaschen können. Aber das ist eine eigene Geschichte. Jedenfalls wurde im kurzen Bausommer 1934, der erst Mitte Mai in dieser Höhenlage begonnen hatte, unter Hochdruck an der Fertigstellung der Straße gearbeitet.
Eröffnung der Edelweißstraße am 23. September 1934
Am 23. September 1934 plante Ing. Wallack die Eröffnung der Großglockner Hochalpenstraße auf Salzburger Seite von dem bisher fertigstellten Parkplatz Hochmais (1 850 m ü. A.) bis zum Fuscher Törl (2 482 m ü. A.). Darüber hinaus hatte Wallack durch seine sparsame Bauweise so viel Geld einsparen können, dass sich noch der Bau der Stichstraße vom Fuscher Törl auf die Edelweißspitze ausgegangen war, der Edelweißstraße. Diese sollte ebenfalls am 23. September eröffnet werden. Auf Kärntner Seite war bereits 1932 die Gletscherstraße von Heiligenblut über Guttal zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe eröffnet worden.
158 Zentimeter fahren zwischen Stollenhölzern und über Schotter
In diese Hektik platzte also die Nachricht, dass Rehrl unbedingt einen Tag vor der Eröffnung die erste Tauernüberquerung durchführen möchte. Er war der Meinung, Wallack schaffe das schon. Nach dem Anruf seiner Frau beriet sich Wallack mit seinen Ingenieuren. Im Mittertörltunnel bestand bisher nur ein Fußweg von einem Meter Breite zwischen den Bolzhölzern, die für den Ausbau des Tunnels notwendig waren. Der „Steyr Hundert“ aber, mit dem Dr. Rehrl über den Tauern in drei Tagen fahren wollte, hatte eine Breite von 158 Zentimetern und nur 25 Zentimeter Bodenfreiheit. Während nun noch fieberhaft am letzten Abschnitt Hochmais – Fuscher Törl gearbeitet wurde, die Arbeiten auf der Südseite an der Auffahrt zum Hochtor (Tunnel) noch in vollem Gang waren, ging Wallack Meter für Meter die Scheitelstrecke ab, um die Breite zu messen. Noch in der Nacht vom 21. auf 22. September „stolperte ich über die ganze Scheitelstrecke, um mich davon zu überzeugen, ob wirklich alles klappen würde“ schrieb Franz Wallack in seinem Buch über die Baugeschichte der Straße.
Der Steyr, der Rehrl und die erste Alpenüberquerung
Als der Landeshauptmann am Samstag, den 22. September 1934, in der Früh in Ferleiten eintraf, konnte Wallack melden, dass die schmälsten zu passierenden Stellen 165 Zentimeter breit wären, also ganze sieben Zentimeter breiter als der Steyr. Dann stieg Wallack in das Auto, in dem noch ein Chefingenieur der Steyrwerke sowie ein Techniker saßen und die „1. Überquerung des Tauernmassivs“ begann mit Dr. Franz Rehrl am Steuer. Leinwandstreifen mit dieser Aufschrift zierten die Seitenwände des Steyrs. Denn damit das 32 PS starke „Glocknerauto“ die Steigungen schaffen konnte, wurde es von überflüssigem Gewicht befreit. Dazu zählten auch einige Karosserieteile, die durch die Leinwandstreifen ersetzt wurden.
Die Fahrt führte nach Ende der fertigen, gewalzten Sandstraße über den noch nicht fertiggestellten Teil der Straße: eine Baustrecke mit Erdschüttungen, Rollbahngeleisen, gröbster Packlage, Grobschotter, Baugerüsten, Pölzungen und Zimmerungen in den Tunnels und anderen Hindernissen. Ein paar bescheidene hölzerne "Triumphpforten" waren mit Tannengrün und Flaggen geschmückt. Sie kennzeichneten sehr provisorisch die einzelnen Baulosgrenzen. Rehrl chauffierte das Auto auf die Edelweißspitze, fuhr dann zum Fuscher Törl und weiter zur Fuscher Lacke. Dahinter wurde es dann wirklich eng – die Felsbrocken der letzten Sprengung zur Straßenverbreiterung wurden buchstäblich von den Augen des Landeshauptmanns zur Seite gebracht. Die Fahrt durch den noch nicht erweiterten Sohlstollen des Mittertörltunnel führte durch einen Stangenwald von Bolzhölzern. Nach kurzer „Erholung“ im schon weiter ausgebauten Hochtortunnel ging es in halsbrecherischer Fahrt hinunter in Richtung Heiligenblut. In diesem Abschnitt unterhalb des Hochtors wurden gerade die Stützmauer für die Straße aufgeführt und Baugerüste, schwere Steine, Rollbahngleis und andere Dinge versperrten immer wieder die gerade Linie. Bei der Guttalbrücke erreichten die Drei dann wieder den fertiggestellten Teil der Gletscherstraße und fuhren zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe hinauf. Anschließend führte die Tauernüberquerung verhältnismäßig ruhig nach Heiligenblut. Dort angekommen, griff Rehrl sofort zum Telefon und informierte die Frau von Wallack in Salzburg vom Erfolg seiner ersten Tauernüberquerung.
Schließlich traten sie die zweite Tauernüberquerung, die Rückfahrt an und erreichten nach einer Stunde und 56 Minuten wieder Ferleiten. Die Hinfahrt hatte fünf Stunden gedauert, hatte Rehrl doch auch immer wieder angehalten, um Zigaretten an die Arbeiter zu verteilen. Damit war die erste Überquerung der Tauern auf der Großglockner Hochalpenstraße geglückt.
23. September 1934 – die erste große Teileröffnung auf Salzburger Seite
Am späten Abend des 22. Septembers fuhr Wallack noch nach Zell am See, wo bereits die ersten Gäste für die morgige Eröffnungsfeier eingetroffen waren. Von der Edelweißspitze her sah man einen brennenden mächtigen Holzstoß als kleines Licht. Noch in der Nacht kehrte Wallack zusammen mit seiner Frau nach Ferleiten zurück.
Am Sonntag, den 23. September 1934, fand dann die Eröffnung der Nordrampe der Großglockner Hochalpenstraße. Noch bis 23. November wurde in jenem Jahr an der Fertigstellung der Straße gearbeitet. Bei 17 Grad Minus Außentemperatur wurde der Hochtortunnel noch fertiggestellt. Ein Lokomobil trieb Warmwasser durch Rohrleitungen im Tunnel zu den Mauerungsstellen. Große Öfen erwärmten die Luft und so konnte man die Temperatur immer über null Grad halten. Dann kehrte auch in dieser Baustelle Winterruhe ein. Im darauffolgenden Sommer, am 3. August 1935, konnte dann die gesamte Großglockner Hochalpenstraße dem Verkehr übergeben werden.
Bildergalerie
im Hochtor (Tunnel)tunnel, der noch in Bau war
bei einem Baulager unterhalb des Hochtortunnels auf Kärntner Seite, das durch eine Materialseilbahnmit Heiligenblut verbunden war
Abfahrt auf Kärntner Seite im Bereich von Guttal
Begrüßung des Landeshauptmanns Dr. Franz Rehrl durch das Söhnchen der Mautnerin
auf der Rückfahrt bereits bei der Abfahrt nach Ferleiten
in der Früh in Ferleiten - die erste Tauernüberquerung in einem Automobil beginnt
Quelle
- Wallack, Franz: Die Großglockner Hochalpenstraße - die Geschichte ihres Baues, zweite Ausgabe, anlässlich der 25-Jahr-Feier der Großglockner Hochalpenstraße, 1960, Springer Verlag, Wien
Baugeschichte im Überblick
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