Ein ÖVP-Berater verriet unlängst, dass der Wahlkampf von Sebastian Kurz angelegt gewesen sei wie eine Serie im Bezahlfernsehen: viel Werbung, eine einfache Handlung und wöchentlich ein Häppchen an Neuigkeiten - aber nie zu viel davon, um die Spannung bis zum Schluss hoch zu halten.
Wenn man es genau betrachtet, laufen die Koalitionsverhandlungen jetzt nach genau dem gleichen Netflix-Muster ab. Alle paar Tage loben ÖVP und FPÖ ihre vortreffliche Verhandlungsführung, lassen der Öffentlichkeit ein Häppchen an Einigungen zukommen, verraten im Übrigen aber nicht, was sie hinter diesem Vorhang an Werbung und Überschriften wirklich tun und planen.
Oder hat schon jemand gehört, wie sich die beiden kommenden Regierungsparteien die Sanierung des Budgets vorstellen? Oder die Sicherung der Pensionen? Oder die Reform des Bundesstaates? Oder die Senkung der Lohnnebenkosten?
Nichts. Sendepause. Man bewundert die Disziplin der Verhandler, mit der sie diese Inszenierung durchziehen. Aber langsam würde man sich wünschen, dass die Phase des Marketings endet und die Zeit der Fakten beginnt. Auch und nicht zuletzt, was den Ausbau der direkten Demokratie betrifft. Diese von beiden Parteien gehegte Absicht würde eine grundlegende Reform des politischen Systems darstellen. Da wüsste man doch gern mehr darüber.
Auf die Idee, mehr Entscheidungen als bisher an das Volk zu übertragen, sind Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache vermutlich aus dem gleichen Grund gekommen. Angesichts einer stillstehenden Großen Koalition musste der Gedanke verführerisch sein, einer Regierung, die nicht regiert, durch Volksentscheide Beine zu machen.
Bald aber sind es Kurz und Strache selbst, die regieren. Daher dürfte ihnen soeben dämmern, dass alles, was sie jetzt planen, vielleicht schon bald Makulatur ist: Zwölf-Stunden-Arbeitstag, Aufweichung des Rauchverbots, Zusammenlegung der Kassen, Kürzung der Kammerbeiträge - jede einzelne Reform könnte laut den Demokratieplänen von ÖVP und FPÖ durch eine geschickt agierende Minderheit zum Gegenstand einer Volksabstimmung gemacht und so möglicherweise zu Fall gebracht werden.
Jede Wette: Hinter ihrem Vorhang sind Kurz und Strache gerade dabei, die Hürden für Volksentscheide viel, viel höher zu schrauben als anfangs geplant.