Das Tosen eines Föhns übertönt das leise Summen eines Rasierers. Strähne um Strähne fällt zu Boden. Das ist aber keine Szenerie aus einem Friseursalon. Denn der Stylist Mario Plesser trägt einen langen schwarzer Bart, Piercing und Lederkutte. Er ist "Gastengel" bei der "Barber Angels Brotherhood". Die Aufgabe des Friseurs aus Altaussee im Verein Neustart in Salzburg: Bedürftigen die Haare schneiden und rasieren. Die Lederkluft trägt er dabei nicht ohne Grund. "Die Scheu der Menschen fällt allein durch das lockere Äußere." Etwas an Andere zurückzugeben begeistert ihn. Der Zusammenhalt unter den Engeln sei außerdem wie bei den Motorradfahrern, ist der Biker überzeugt.
Die "Barber Angels" sind eine Gruppe von freiwilligen Friseuren. Ausgestattet mit Schere und Kamm kämpfen sie gegen Armut an. Sie wollen Bedürftigen ihre Würde und ihr Selbstvertrauen mit kostenlosen Haar- und Bartschnitten zurückgeben. Die Ärmeren sollen sich von der Gesellschaft akzeptiert fühlen.
Kerstin Distler ist für die Organisation der "Barber Angels" in Österreich zuständig. Sie kommt aus dem Marketing und managed die Gruppe mit großer Begeisterung: "Man kann nicht jedem Geld spenden. Was wir als Brotherhood geben können, ist unser Handwerk." Obwohl sie keine Friseurin ist, wollte sie unbedingt mithelfen: "Ich war begeistert von der Idee, etwas als Gruppe zu machen."
Damit sich die Bedürftigen gut aufgenommen fühlen, tragen die Friseure Lederwesten. Sie wollen den Kunden auf einer Ebene begegnen und ihnen zeigen: "Wir sind einer von euch." Bei Ernst Guggenbichler funktioniert das Prinzip. Er trägt auch eine schwarze Lederjacke und fühlt sich offensichtlich wohl. Guggenbichler streicht sich über seine frisch rasierte Glatze. "Jetzt bin ich zufrieden", sagt er und bezeichnet seinen neuen Haarschnitt als "Feinschliff". Ansonsten lasse er seine Haare einfach wachsen.
"Die Menschen fühlen sich hier sicher"
Die Veranstaltung fand auf Einladung des gemeinnützigen Unternehmens "Neustart" in dessen "Saftladen" statt. "Die Angels frisieren hier in die Einrichtung, weil sich die Menschen hier sicher fühlen", erklärt Sozialarbeiter Martin Schmidbauer. Es sei ihre gewohnte Umgebung. Dennoch bemerkt Schmidbauer bei manchen Teilnehmern eine gewisse Scheu vor Berührung. "Genuss und Irritation" sei in den Gesichtern zu sehen. Rund 95 Prozent der Gäste sind Stammkunden. Ehemalige Häftlinge, Arbeitssuchende und Suchtkranke sind unter ihnen. Schmidbauer bezeichnet sie als "soziale Randgruppen jeder Art." Das klinge leider klischeehaft, sei jedoch die Wahrheit.
Mandy Fengler ist glücklich über ihre neue Frisur: "Ich fühle mich so gut." Strähne um Strähne ihres langen braunen Haares fallen zu Boden. Die Salzburgerin besucht den Schallmooser Saftladen des Vereins seit drei Jahren fast jeden Tag. Ihrer Arbeit bei der Lebenshilfe kann sie im Moment nicht nachgehen. Wegen Problemen mit der Wirbelsäule befindet sie sich im Krankenstand. "Die Ärzte wissen nicht genau, was es ist", erklärt Fengler.
Menschen in solch schwierigen Situationen wollen die Engel helfen. Dreißig Mitglieder haben die "Barber Angels" bereits in Österreich. Gegründet wurde die Gruppe von dem erfahrenen Friseur Claus Niedermaier im November 2016 in Deutschland. Dort besteht der Klub sogar aus rund 100 Freiwilligen. Eines haben sie alle gemeinsam, sie wollen Gutes tun. Und das gelingt ihnen.
Es ist der dritte Einsatz von Alex Mayr für die "Barber Angels". "Die Dankbarkeit der Bedürftigen ist mehr wert als jede Bezahlung", sagt der Oberösterreicher. Er wisse seine Arbeit dadurch wieder zu schätzen. Die Geschichten der Menschen seien prägend für sein Leben. Einer seiner ersten Kunden wollte sich wieder ins soziale Leben integrieren und eine Arbeit finden. "Als Wohnungsloser ist das katastrophal. Er bekommt keine Chance und verzweifelt an seinem Schicksal." Nach dem Haarschnitt sagte der Kunde, er habe sich das erste Mal seit langem wieder wie ein Mensch gefühlt. Für Mayr ist das sehr emotional: "Es geht um die Wertschätzung."



