SN.AT / Festspiele / Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele: Bundespräsident Van der Bellen ruft in Rede zu Verantwortung auf - "Sich selbst exponieren für das, was wesentlich ist"

Verantwortung zu tragen, beginne beim Verlassen der eigenen Blase, betonte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele. Wie man Verantwortung trägt - und warum dazu für das Staatsoberhaupt auch gehört, Unangenehmes auszusprechen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Rede zur Festspieleröffnung 2024.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Rede zur Festspieleröffnung 2024.

"Verantwortung beginnt dort, wo Macht auf Menschen trifft. Wer entscheidet, gestaltet. Und wer gestaltet, trägt Verantwortung." Es waren deutliche Worte, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Samstag an die Öffentlichkeit richtete. Klare Worte, mit einem klaren Arbeitsauftrag. Und zwar nicht nur an das Publikum, das sich am Samstag zur offiziellen Eröffnung der Salzburger Festspiele eingefunden hatte, sondern an die gesamte Zivilgesellschaft.

Van der Bellen ging in seiner Rede spontan auch auf die zuvor erfolgte Störaktion pro-palästinensischer Demonstranten ein: "Ja ich bin ein Freund Israels, ja, ich habe viele jüdische Freundinnen und Freunde. Das bedeutet nicht, jede Maßnahme der israelischen Regierung gutzuheißen, das wäre ja absurd. Die Situation in Gaza ist niederschmetternd und in keiner weise humanitär zu rechtfertigen. Aber bitte, vergesst auch nicht den Oktober 2023, dem schlimmsten Progrom der Nachkriegszeit, das ein Trauma in Israel ausgelöst hat, mit dem wir jetzt alle zu tun haben."

Van der Bellen appelliert, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen

In Zeiten multipler globaler Krisen, wachsender Ungleichheit und des schwindenden Vertrauens in Institutionen zeige sich, dass Verantwortungsträger aller Bereiche auf dem Prüfstand stünden, betonte der Bundespräsident gleich zu Beginn seiner Rede. Drei Rezepte gegen diese Krisen hatte Van der Bellen bereits vor rund einer Woche bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele präsentiert. Am Samstag wurde er in Salzburg persönlicher. Immer wieder denke er darüber nach, was das für ihn privat bedeute: "Verantwortung zu tragen." Eine der Antworten, die er für sich gefunden habe, sei es, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen, gab Van der Bellen Einblick in seine Gedanken. Um das zu können, brauche man allerdings moralische Klarheit. Man müsse also wissen, woran man glaube. Man müsse wissen, wofür man stehe - und vor allem, wofür man auch einstehe.

Doch wie soll das gelingen?

"Ich lade uns alle ein, dies nach bestem Wissen und Gewissen zu überprüfen und uns bewusst zu machen", wandte sich der Bundespräsident direkt an das Publikum. "Dass Werte nur so viel wert sind wie die Taten, die wir für sie auch setzen."

Denn neben moralischer Klarheit sei auch die innere Distanz zentral, um sich verantwortungsvoll zu verhalten. Konkreter meinte Van der Bellen "die Fähigkeit, abzuwägen, wie weit die eigene Überzeugung gehen darf und wann Prinzipientreue einer vernünftigen Lösung im Weg steht". Und zwar einer Lösung, die nicht nur im Sinne der eigenen Blase sei. Damit meine er, kurz gesagt, die Fähigkeit zum Kompromiss, merkte Van der Bellen an - also schließlich eines seiner Lieblingsthemen.

Wirtschaftslage erfordere Mut, zu handeln

Und noch eines brauche verantwortungsvolles Handeln: "Den Mut, unbequem, notfalls auch unpopulär zu sein." Als aktuelles Beispiel führte Van der Bellen die aktuelle Wirtschaftslage an. Sie erfordere Investitionen. Damit in Konkurrenz stehe die Budgetlage, die ihrerseits Kürzungen erfordere. Handle man mit Verantwortung, sehe man hier nicht weg, sondern nehme die Chancen wahr, appellierte der Bundespräsident. Schließlich tue sich in Momenten wie diesen auch die Gelegenheit für strukturelle Veränderungen auf - "auch wenn es wehtut. Weil es noch mehr wehtun wird, nichts zu ändern."

Verantwortung tragen, auch wenn der Applaus ausbleibt

Die Politik trage hier eine besondere Verantwortung: nicht bloß zu taktieren, nicht zu dramatisieren und sich nicht in symbolischen Gesten zu verlieren. "Als-ob-Politik löst nichts. Sie verspricht - und enttäuscht im nächsten Moment", wandte sich der Bundespräsident explizit an Politikerinnen und Politiker aller Fraktionen. "Ich ermutige alle Verantwortlichen, einen Schritt zurückzumachen und für das Ganze zu arbeiten." Man trage die Verantwortung schließlich gemeinsam, so der Appell: "Und wir können diese Verantwortung nur gemeinsam erfüllen. Auch wenn der Applaus das eine oder andere Mal ausbleibt."

Bundespräsident begrüßt Reformwillen der Bundesregierung

Auch positive Worte fand der Bundespräsident. Dass die neue Bundesregierung wichtige Reformen angehe, freue ihn. Er begrüße es, dass sich in Bildung, Gesundheit und Energie etwas bewege. Nun gehe es auch darum, im Interesse des Staatsganzen "eine zeitgemäßere und effizientere Arbeitsteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu finden", spielte Van der Bellen auf die beschlossene Reformpartnerschaft an.

An die Wirtschaft appellierte der Bundespräsident: Wer profitiere, müsse auch beitragen. Wirtschaftliche Freiheit könne schließlich nur dort bestehen, wo sie auf sozialem Vertrauen ruhe. Und auch die Presse trage eine wichtige Verantwortung. Die Sucht nach Klicks werde zunehmend zum Problem. Doch in einer komplexen Welt brauche es Medien, "die erklären statt empören", betonte Van der Bellen.

Schließlich gelte es für alle, für die ganze Zivilgesellschaft: "Wer bei allem Engagement nur die eigenen Partikularinteressen sieht, verliert das große Ganze aus dem Blick." Hier liege es an jedem und jeder, sich zu hinterfragen.

"Künstlerische Freiheit ist ein Privileg und dieses Privileg verlangt Haltung"

Auch die Kunst habe eine Aufgabe, kam der Bundespräsident schließlich zur präsentesten Branche dieser Festspieleröffnung. Und zwar auch eine politische: "Sichtbar machen, was bedroht ist. Widersprechen, wo andere schweigen. Infrage stellen, wo sich Macht verschanzt." Eine freie Gesellschaft brauche Kunst, die wehrhaft sei. Kunst, die sich nicht anpasse, sondern sich klar positioniere. "Künstlerische Freiheit ist ein Privileg und dieses Privileg verlangt Haltung", betonte Van der Bellen.

Das bedeute schließlich, dass man nicht nur für das verantwortlich sei, was man wolle, sondern auch für das, was daraus werde. Eine Gesellschaft könne mit Fehlern leben, aber nie mit Gleichgültigkeit an den Spitzen der Gesellschaft. "Wir müssen uns wieder selbst exponieren für das, was wesentlich ist", appellierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum Start der diesjährigen Salzburger Festspiele.

Podcast Jederspiele - Ein Blick hinter die Kulissen der Salzburger Festspiele

Schauspielerin Marie-Luise Stockinger über ihre Kindheit, ihre Rolle in "Die letzten Tage der Menschheit" und warum sie manchmal lieber offline statt online ist:

Schauspieler und Jedermann Philipp Hochmair verrät im Podcast, wie lange er diese Rolle noch spielen will - und warum er überlegt, nach Salzburg zu ziehen.

Die Bestseller-Autorin, Sängerin und Festspielbesucherin Hera Lind spricht vom eigenen Scheitern auf der Bühne und von ihren größten Erfolgen.

Der Tonmeister der Salzburger Festspiele, Edwin Pfanzagl-Cardone, über den perfekten Ton und wo im Großen Festspielhaus die besten Plätze liegen

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.