Am 15. Oktober findet jährlich der "Tag des weißen Stockes" statt. An diesem Tag fordern blinde und sehbehinderte Menschen die restliche Gesellschaft zu mehr Rücksichtnahme und Verständnis auf. Weltweit sind laut Weltblindenunion (WBU) 253 Mill. Menschen blind oder sehbehindert, in Österreich sind ca. 300.000 betroffen. Als dauerhafte Sehbeeinträchtigung zählt alles, was sich nicht mithilfe von Sehhilfen wie einer Brille korrigieren lässt.
Um mehr über das Leben mit dieser Einschränkung zu erfahren, habe ich mit Sarah gesprochen. Die 24-Jährige ist selbst seit vielen Jahren blind und blickt trotz ihrer Behinderung positiv in die Zukunft.
Sarah ist nicht von Geburt an blind, sondern konnte in den ersten Jahren ihres Lebens noch einigermaßen gut sehen. Erst mit fünf Jahren ist sie komplett erblindet. Sie selbst betrachtet das als großen Vorteil, da sie deshalb zum Beispiel noch weiß, was Farben sind. So findet sie sich an neuen Orten besser zurecht. Natürlich ist das Wissen, dass man irgendwann erblinden wird, belastend, aber wirklich verstanden habe sie es als Kind nicht. Als sie dann immer weniger gesehen hat, bemerkte sie das laut eigenen Aussagen erst spät, da sie eine "sehr lebhafte Fantasie und zu den Geräuschen immer Bilder im Kopf" gehabt hatte.
In der Schulzeit war es für Sarah nicht immer leicht, zum Teil wurde ihre Behinderung sogar von anderen Kindern ausgenutzt. Heute studiert sie Unternehmensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Innsbruck. Über Was-wäre-wenn-Fragen denkt sie nicht oft nach. "Das bringt nicht viel", meint die Salzburgerin.
Im Normalfall nehmen wir 80 Prozent der Informationen über unsere Augen auf. Bei blinden Personen müssen alle anderen Sinne das kompensieren. Am wichtigsten sei der Gehörsinn, meint Sarah. Zum Glück gibt es auch einige Erleichterungen für Blinde. Zum Beispiel das Aufmerksamkeitsfeld an Busstationen: Wenn Busfahrerinnen eine blinde Person sehen, halten sie direkt vor ihr. So bleibt Sehbehinderten das mühsame Suchen der Einstiegstür erspart. Beim Einkaufen helfen Sarah meist Mitarbeitende. Auch sonst wollen viele helfen, manche sind laut Sarah zu aufdringlich. "Sie meinen es gut, aber sie verunsichern mich oder ich lande irgendwo, wo ich mich nicht auskenne." Ein Nein sollte akzeptiert werden.
Von großer Bedeutung ist die Brailleschrift. Dabei wird mit den Händen gelesen: Aus Punkten entstehen Kombinationen, die Buchstaben darstellen. Louis Braille (1809-
1852) hat mit der Erfindung dieser Schrift den Grundstein dafür gelegt, dass blinde Menschen Zugang zu Bildung und damit zu einem möglichst selbstständigen Leben haben. Erfahrene Braille-Leserinnen können etwa 100 Wörter pro Minute lesen. Sehende schaffen 250 bis 300 Wörter pro Minute.
Eine große Erleichterung in ihrem Leben sei ihr Blindenführhund gewesen. Mit dem Blindenstock war es ein "mühsames Durchtasten". Sarah bekam dafür 6000 Euro Unterstützung, die Anschaffung eines solchen Hundes kostet aber bis zu 40.000 Euro.
Sarah achtet darauf, auch mit Leuten ohne Behinderung Kontakt zu haben, aber natürlich trifft sie sich auch häufig mit anderen Blinden. Es gibt etwa Sportwochen, wo hörbare Bälle benutzt oder Barfuß-Spaziergänge gemacht werden. Selbst Ski fahren ist mit Begleitsportler möglich.
Zum Schluss appelliert Sarah an andere Blinde: "Wenn wir Blinde uns einfach nur verstecken, dann wird sich auch nichts ändern. Wir müssen unser Potenzial nutzen, wir sollten mutig sein und unseren Weg gehen."
Elisa Wimmer ist 14 Jahre, kommt aus Anthering und besucht die 4. Klasse am
Musischen Gymnasium.
