SN.AT / Jungeseite

Ist am Land leben out?

Die Jungen zieht es in die Stadt. Aber auch das Landleben hat gute Seiten. Erfahrungen aus dem Lungau.

Während 1950 noch zwei Drittel der Menschheit am Land lebten, wohnen seit 2015 schon mehr als die Hälfte der Menschen weltweit in Städten. Und man schätzt, dass bis 2050 der Anteil der Stadtbevölkerung auf der Erde größer als zwei Drittel sein wird. Während zum Beispiel in Westeuropa der Anteil an Menschen in Städten schon heute hoch ist, werden vor allem Asien und Afrika einen großen Teil des Zuzugs ausmachen.

Denke ich an meine Heimat in Salzburg, den Lungau, dann fallen mir viele Beispiele zu diesem Thema ein: Ortskerne werden oft Jahr für Jahr verlassener und vor allem jüngere Erwachsene ziehen in die Städte. Wer studieren will, und das wollen heute immer mehr, muss in die Stadt. Fernstudiengänge oder Fernlehre, wie während Covid-19, haben für fast niemanden den Reiz des Studentenlebens in der Stadt, auch wenn es anfangs im ersten Lockdown mit Sicherheit am Land angenehmer war. Die Stadt hat einfach mehr Möglichkeiten zu bieten, da können ländliche Gegenden schwer konkurrieren.

Und trotzdem gibt es auch den umgekehrten Trend, wenn man so will: das Wegziehen aus der Stadt. Gerade während der letzten zwei Jahre wurden Einfamilienhäuser mit Garten am Land immer gefragter. Hier gibt es mehr Natur, mehr Ruhe, man ist nicht so anonym wie in größeren Städten, hat mehr Platz und kann sich das Haus noch eher leisten. Ich kenne auch einige, die zum Studieren und für die ersten Berufsjahre in die Stadt ziehen, später aber, wenn sich eine Familie mit Kindern abzeichnet, wollen sie wieder aufs Land zurück. Weil sie glauben, dass ihre Kinder es dort zum Aufwachsen schöner haben. Vielleicht sind es auch nur alte, schöne Erinnerungen an ihre eigene Kindheit am Land, die sie ihren Kindern jetzt ebenso bieten möchten.

Hinzu kommt noch eine Entwicklung, die sich durch die Covid-19-Phase beschleunigt hat: das Homeoffice. Heute ist es gängiger, dass man einige Tage pro Woche von daheim aus arbeiten kann. Internet gibt es schließlich inzwischen überall. Und dieses "überall" kann auch das Zuhause am Land sein.

Wie geht es aber nun zum Beispiel meinen Freunden persönlich mit diesem Thema? Mit einem guten Schulfreund aus der Volksschule treffe ich mich noch immer regelmäßig, obwohl er als Kind mit seiner Familie nach Salzburg gezogen ist. Für ihn ist am Landleben im Lungau vor allem der Umgang der Menschen untereinander so extrem schön: wesentlich lockerer und herzlicher, wie er findet. Und die frei zugängliche Natur sei eine perfekte Umgebung zum Aufwachsen. Das nicht so große Angebot an Schulen im Oberstufenbereich sei aber schade, sagte er. Und durch die schlechteren Busverbindungen brauche man leider ein Auto. In Zukunft könne er sich aber auf jeden Fall wieder vorstellen, aufs Land zu ziehen. Wegen der entschleunigenden Lebensweise und auch wegen der steigenden Preise für Wohnraum.

Eine Freundin von mir, die ich seit dem Kindergarten kenne, studiert Gesundheits- und Krankenpflege in Graz. Sie findet, dass man sich in den letzten Jahren sehr bemüht hat, den Lungau wieder attraktiver zu machen. Zum Beispiel wird jetzt gerade in Sankt Michael ein Freizeit- und Sportzentrum gebaut, es gibt ein lungauweites Beachvolleyballturnier im Sommer und die Gemeinschaft untereinander sei allgemein einfach viel stärker als in Städten. Für sie werde es höchstwahrscheinlich aber trotzdem keine Option sein, wieder in den Lungau heimzuziehen. Sie möchte einfach mehr Erfahrungen und Herausforderungen und nach dem Studium auf einer größeren Intensivstation arbeiten. In anderen Berufen könne man schon zufrieden und gut leben im Lungau, aber eben nicht in jedem Beruf.

Das hat mir letzte Woche auch eine alte Schulkollegin aus dem Gymnasium erzählt. Sie wohnt seit fast einem Jahr in Mississippi in den USA und macht dort ein Auslandsstudium. Karriere machen im Lungau, das geht einfach nicht so recht bei uns. Aber es hat auch viele gute Seiten, wenn man im Lungau lebt. Das ist ihr in Mississippi erst so richtig bewusst geworden. Hier würde sie sich nicht so richtig trauen, den Campus zu verlassen. Höchstens in den Coffeeshop in der Nähe. Es sei einfach zu gefährlich. Man höre regelmäßig Schüsse. Frei, in Sicherheit und ohne Angst herumspazieren können, das ist im Lungau eine Selbstverständlichkeit. Ebenso das frische Trinkwasser und die gute Luft überall, oder die Natur mit den Bergen. Und wieder erzählte sie mir, wie schön sie die Gemeinschaft dort mit Freunden und Bekannten findet. Später, zum Beispiel mit einer Familie, könnte sie sich schon vorstellen, wieder in den Lungau zu ziehen.

Und ich selbst? Wie geht es mir dabei? Seit knapp drei Jahren - mit Ausnahme der Lockdown- und Fernuniphasen - wohne ich in Graz zum Studieren. Für mich sind die schönen Seiten besonders die vielen Sportvereine und die vielen neuen Menschen und Möglichkeiten, die es in der Stadt gibt. Aber ganz daheim fühle ich mich in der Stadt ehrlich gesagt noch immer nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich mich das dort jemals fühlen werde. Vielleicht ziehe ich irgendwann dann doch wieder zurück aufs Land.

Armin Brandstätter ist 22 Jahre alt,
kommt aus St. Michael im Lungau
und studiert im sechsten Semester Architektur in Graz.