Eigentlich erzürnt es meine Großmutter immer, wenn ich im Winter nur kurz ohne Jacke aus dem Haus trete. Letzte Woche bin ich aber nur mit meinem grauen Kapuzenpullover rausgegangen, weil es ohnehin viel zu warm für die Jahreszeit war. Die Großmutter schwieg. Der Klimawandel ist auch bei ihr angekommen. So traurig es mich auch macht: Die ultimativen Auswüchse der Klimakatastrophe wird sie aber nicht mehr miterleben. Ich schon. Und ich würde jetzt gerne schreiben - wie es sich vielleicht für einen braven Schulaufsatz gehört: "Wenn jetzt nicht gehandelt wird ..." Doch bin ich diese Floskel schon leid und auch die vielen leeren Phrasen zu Klimazielen, Klimaabkommen und Klimagipfeln. Haben sie irgendetwas gebracht?
So überrascht es mich auch nicht, wenn Claudia Plakolm, die Staatssekretärin für Jugendangelegenheiten, die Letzte Generation als Klimachaoten bezeichnet, während gleichzeitig Ski gefahren wird über dünne Streifen künstlichen Schnees. Nein, die Klimachaoten sind natürlich jene, die wieder einmal daran erinnern, dass etwas falsch läuft. Sind dann eigentlich die vielen namhaften Wissenschafter, die am Dienstag bei einer Aktion der Letzten Generation vertreten waren, ebenfalls Chaoten? Etwa der Biodiversitätsforscher Franz Essl, der erst kürzlich zum Wissenschafter des Jahres gekürt worden ist? Ist er ein Chaot, weil er auf die Straße geht?
Sicherlich, die Maßnahmen der Letzten Generation sind unangenehm und auch radikaler, als man es von früheren Klimabewegungen gewöhnt war. Und die Betroffenen der Aktionen können meist selbst nur wenig für die Gesamtsituation. Doch was wurde denn erwartet? Seit Jahrzehnten warnen Experten wie Essl vor den Folgen des Klimawandels und schlagen Maßnahmen dagegen vor. Ohne Erfolg. Bereits vor 31 Jahren, also lange vor Greta Thunberg, trat beim Umweltgipfel von Rio 1992 die zwölfjährige Severn Cullis-Suzuki auf. Auch sie kämpfte für ihre Zukunft, gegen den Klimawandel. Sie und Greta und unzählige andere stellten friedlich und vernünftig Forderungen nach ihrer Zukunft. Forderungen, die nicht erfüllt wurden.
Wieso also ist die Verwunderung jetzt so groß, dass die Maßnahmen der Klimaaktivisten radikaler werden? Die Klimakrise spitzt sich immer weiter zu und die Klimaziele rücken immer weiter weg. Man kann noch glücklich sein, dass es bisher nur Straßenblockaden und zerstochene Reifen durch Extremisten sind - im Gegensatz zu den Millionen Menschen, deren Leben durch den Klimawandel radikal verändert wird, weil ihr Lebensraum zerstört wird.
Greta Thunberg beendete übrigens ihre berühmte Rede bei der Klimakonferenz in Katowice mit: "Im Jahr 2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern. Wenn ich Kinder habe, werden sie diesen Tag mit mir verbringen. Vielleicht werden sie mich nach euch fragen. Vielleicht werden sie fragen, warum ihr nichts unternommen habt, als es noch nicht zu spät war."
Ich werde im Jahr 2078 ebenfalls meinen 75. Geburtstag feiern. Meine Kinder werden mir lediglich sagen, sie brauchen den Kapuzenpullover nicht mehr, dafür ist es zu heiß.
Stefan Garic ist 19 Jahre alt, kommt aus Wörschach (Stmk.) und leistet derzeit Zivildienst.
