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Alltag in der Psychiatrie: "Klinik" im Theater Drachengasse

Wer ist krank, wer gesund? Und wer bestimmt das? Fragen wie diese verhandelt Melike Yağız-Baxant in ihrer neuen Soloperformance "Klinik", die am Montag als Koproduktion mit dem diverCITYLAB im Theater Drachengasse zur Uraufführung kam. In ihrem Text verarbeitet die aus der Türkei stammende Autorin und Schauspielerin die eigenen Erfahrungen als Kunsttherapeutin in einer psychiatrischen Klinik mit erfrischend humorvollen Szenen aus ihrem Arbeitsalltag.

Die Soloperformance von Melike Yağız-Baxant berührt
Die Soloperformance von Melike Yağız-Baxant berührt

Dabei spielt sie eine Frau, die selbst versucht, nicht den Verstand zu verlieren. Also tritt sie eine Stelle in der Psychiatrie an, wo sie mit Menschen arbeitet, die von Angst, Trauma oder Schuld geprägt sind. Kann sie hier selbst zur Ruhe kommen? Findet sie hier jene Sicherheit, die ihr "draußen" nicht zuteil wird? Im klinikweißen Bühnenraum schlüpft Yağız-Baxant in die Rolle von Ärztinnen, Patienten und Angehörigen und zeichnet in kurzen Szenen den Alltag jener Menschen nach, denen jegliche Selbstbestimmung genommen wurde.

Behutsame Annäherung an ein Tabuthema

Die Stärke des Textes liegt in der Behutsamkeit, mit der Yağız-Baxant die Ticks, Sorgen und Nöte der psychisch Erkrankten sichtbar macht, während sie zugleich das Machtgefälle zwischen Personal und Patienten entlarvt. Mit ihrer Empathie überschreitet die Kunsttherapeutin bald Grenzen, zumindest laut Klinikleitung. Da heißt es dann: "Die sind nicht unsere Freunde, die sind unsere Patienten!" Doch innerhalb der Klinikmauern gelingt der Kunsttherapeutin das, was ihr sonst verwehrt bleibt - echter Kontakt zu Menschen, denen sie nichts beweisen oder vorspielen muss. Immer deutlicher steht die Frage im Raum, wo eigentlich die Grenze gezogen wird, ab der man diese Klinik noch eigenständig verlassen darf oder nicht. Wer gesund ist, wer nicht.

Mit "Klinik" bringt Yağız-Baxant das Tabuthema psychische Gesundheit ebenso auf die Bühne wie Schieflagen zwischen Personal und Patienten. Ein berührender Abend, an dem aber auch geschmunzelt werden darf. Das einstündige Stück ist Teil eines Themenschwerpunkts rund um Krankheit und Gesundheit, den das Theater Drachengasse diese Spielzeit setzt. Ende November folgt das Gastspiel "Hilde" des Theaters im Bahnhof, das anhand von Liedern von Hildegard Knef vom Überleben einer Krebsdiagnose erzählt, im Frühjahr begleitet die Uraufführung von Lisa Danulats "Ota" eine Operationstechnische Assistentin durch ihren Alltag.

(Von Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Klinik" von und mit Melike Yağız-Baxant im Theater Drachengasse, Bar&Co, Koproduktion mit dem diverCITYLAB. Regie: Gabriela Hütter und Melike Yağız-Baxant, Dramaturgie: Anna Schober, Künstlerische Mitarbeit und Kostüm: Anillo Sürün. Weitere Termine: Dienstag bis Samstag (bis 22. November). www.drachengasse.at)

(Quelle: APA)

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