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Architektur neu denken: Anupama Kundoo im AzW

Architektur abseits einer kapitalistischen Logik: Diesem Grundprinzip folgt die indische Baukünstlerin Anupama Kundoo. Mit einem Fokus auf lokale Ressourcen, Traditionen und Lösungen, aber auch Lehren aus der allgemeinen Bauhistorie, gelingt es der Architektin, in ihrer Heimat ästhetische und technische Qualitäten zu verbinden. Unter dem Titel "Reichtum statt Kapital" würdigt das Architekturzentrum Wien nun das Œuvre der 1967 geborenen Kundoo in einer sinnlichen Ausstellung.

Eine Ecke im Wall House von Anupama Kundoo
Eine Ecke im Wall House von Anupama Kundoo

Das eigene Wohnhaus als Ausgangspunkt

Dabei setzt man nicht auf die klassischen Architekturmodelle hinter Glas, sondern fokussiert auf 1:1-Installationen der Arbeiten und die Möglichkeit, die technischen Lösungen, die Kundoo erarbeitet, auch tatsächlich zu berühren. Es ermöglicht den unmittelbaren Zugang zum Werk einer Architekturdenkerin, die Hochtechnologie und hohe ästhetische Ansprüche zu vereinen weiß, ausgehend vom Grundriss von Kundoos eigenem Haus, dem Wall House.

Die in Mumbai aufgewachsene Kundoo widersetzte sich bereits in ihren Anfängen als Architektin dem Grundprinzip "Form folgt Geld", sondern gründete ihr Büro im südindischen Auroville, einer Planstadt, in der die Baukünstlerin auch ihr eigenes Wohngebäude errichtete. Über 100 Bauten entstammen bis dato ihrer Zeichenfeder. Sie finden sich vornehmlich im Bundesstaat Tamil Nadu, auch wenn Kundoo heute auch ein Büro in Berlin unterhält. Die Architektin lehrt überdies an vielen Universitäten und war mehrfach auf der Biennale von Venedig vertreten.

"Unbequeme Fragen gestellt"

"Ich habe immer die unbequemen Fragen gestellt", erinnerte sich Kundoo am Mittwoch bei der Präsentation ihrer Ausstellung an die eigenen Lehrjahre. Sie habe sich stets gegen den postkolonialen Umgang mit Materialien gewendet, der meist auf Ausbeutung beruhe. Eine Standardisierung der Materialien diene vor allem der Bauindustrie, berücksichtige aber nicht die reich vorhandenen Ressourcen vor Ort. "Es gibt S, M und L, und wenn du da nicht reinpasst, meinst du, dich einer Operation unterziehen zu müssen - anstatt zu sehen, dass das Ganze vielleicht zu sehr standardisiert wurde."

Auf die technischen Innovationen und die ästhetischen Ansprüche Kundoos verwies auch AzW-Chefin Angelika Fitz, die für die aktuelle Schau als Co-Kuratorin fungierte: "Gegensätze, die man ansonsten nicht so leicht zusammenbringt, gehen bei ihr wie ganz selbstverständlich zusammen." Dies zeige sich vor allem vor Ort in Indien. "Die sinnliche Qualität dieser Bauten hat uns beinahe die Socken ausgezogen - die wir nicht anhatten, weil es so heiß war", so Fitz: "Es ist eine Schönheit, die einem nicht den Atem raubt, sondern Luft zum Atmen gibt."

Elke Krasny, die bei der Schau die Kuratorinnenschaft übernahm, strich zugleich die egalitären Ansprüche Kundoos heraus, deren Bestreben auf allgemein zugängliche Architektur, einem Denken außerhalb vorgegebener Normen und Ideologien beruhe: "Das eigene Haus ist nicht wichtiger als die Bushaltestelle."

(S E R V I C E - "Reichtum statt Kapital. Anupama Kundoo" im Architekturzentrum Wien, Ausstellungshalle 2, Museumsquartier Wien, bis 16. Februar 2026. Dazu erschienen "Abundance Not Capital. The Lively Architecture of Anupama Kundoo", hrsg. von Angelika Fitz, Elke Krasny und Architekturzentrum Wien, The MIT Press, 30,80 Euro. www.azw.at/de/termin/reichtum-statt-kapital-anupama-kundoo/)

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