APA: "The Kabarettist" klingt schon sehr großspurig. Welchen Typ stellen Sie da auf die Bühne?
David Scheid: Es ist auch sehr großspurig, sehr überzeichnet. Es geht um einen Kabarettisten, der im Exil lebt, weil er sich zu sehr politisch geäußert hat und das Land verlassen musste. Die ganze Geschichte spielt in der Zukunft - so um das Jahr 2040. Der Kabarettist lässt sein Leben Revue passieren. Er hat einen Antagonisten, den Diktator des Landes, Dominik Scheidhäusl. Es ist ziemlich dick aufgetragen, weil ich mir gedacht habe: Draufhauen! Alles überspitzen! Alles überzeichnen! Die Zeit verlangt das.
Durchgängige Story mit Baukastenelementen
APA: Wie läuft der Abend ab?
Scheid: Ich habe zum ersten Mal versucht, eine durchgängige Geschichte zu erzählen. Aber ich habe es so gebaut, dass es trotz der geschlossenen Geschichte Räume gibt, wo ich Dinge wie bei einem Baukasten raus- und reinnehmen kann - wenn Dinge fad werden oder sich politisch was Arges tut. Und es wird sehr musikalisch - mit vielen Rap- und Scratch-Nummern.
APA: Wie schaut die Zukunft, die Sie für Ihre Figur entwerfen, aus?
Scheid: Im Programm - hoffentlich nicht in der Wirklichkeit - gibt es dann nur noch eine einzige demokratische Republik, in die sich der Kabarettist geflüchtet hat. Ich verrate jetzt noch nicht, wo das ist. Der Rest, auch Österreich, wird totalitär regiert.
APA: Zukunftsentwürfe haben ja oft viel mehr mit der Gegenwart als mit der Zukunft zu tun.
Scheid: Ja, es ist ein fiktives, massiv überspitztes Weiterspinnen von Geschehnissen, die sich in Österreich und der ganzen Welt abspielen. Es gibt im Programm auch viele Rückblenden, um die jetzige Zeit zu zeigen. Ich habe das Gefühl, dass in großen Ländern zunehmend autoritäre Menschen an der Macht sitzen, Regeln immer weniger gelten, sich internationale Selbstverständlichkeiten auflösen. Hierzulande sieht man, dass die letzte schwarz-blaue Regierung immer noch nachschwingt. Dieses langsam von innen Zerlegen und Zersetzen sehe ich immer noch nachwirken. Aber vielleicht ist das nur eine sehr persönliche dystopische Sicht der Dinge.
APA: Mit der Sie aber wohl nicht alleine sind.
Scheid: Das ist ein guter Punkt. Ich weiß schon, dass man außerhalb der Bubble schwer senden kann. Aber dann möchte ich zumindest diesen Leuten sagen: Hallo, mir geht's eh auch so. Ihr seid's nicht allein mit Euren Sorgen. Ich glaube, es gibt eine Nummer im Programm, die richtig "owezaht". Das ist eine dicke Rapnummer, die wollte ich einfach machen. Das Programm an sich soll nicht deprimierend sein, aber die Augen öffnen. Und es soll auch Spaß machen. Diesen schmalen Grat zu wandern, ist die Challenge, die ich mir auferlegt habe. Man wird sehen, ob es hinhaut.
"Früher war mir das echt scheißegal"
APA: Was unsere Zeit auch prägt, ist, dass Worte ständig auf die Waagschale gelegt werden. Läuft man da Gefahr, mit einer Schere im Kopf zu schreiben?
Scheid: Früher war mir das echt scheißegal. Ich war auch nie superpersönlich beleidigend oder so. Aber jetzt, muss ich gestehen, hatte ich wirklich ein paar Momente der Selbstzensur. Dann musste ich eine Brücke schlagen so nach dem Motto: Ich will das sagen, aber wie sag ich's, dass ich dann nicht mit 50.000 Euro in der Kreide stehe, weil mich irgendwer verklagt. Das ist wirklich beängstigend. Umso mehr habe ich das Bedürfnis, dieses Programm zu dieser Zeit so hinzustellen, weil es eben genau um diese Dinge geht.
APA: Im Programm geht es auch um Wokeness. Was interessiert Sie daran?
Scheid: Na ja, das ist einer der Begriffe, die gerade einer Umdeutung zum Opfer fallen. Der Begriff kommt aus der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, war lange unter dem Radar, ist vor ein paar Jahren dann aufgepoppt. Die Rechten nehmen ihn jetzt her und deuten ihn als Schimpfwort um, was ja eine massive Verachtung ist. So läuft es mit vielen Dingen ab. Vor 20 Jahren ist das Wort "Gutmensch" umgebaut worden oder vor vier Jahren ist der Begriff "Querdenker" von Leuten einverleibt worden. Es werden einem ständig die Worte - wortwörtlich - im Munde umgedreht, sodass sie eine ganz neue Bedeutung bekommen. Damit muss eine Gesellschaft einmal fertig werden. So etwas treibt, glaube ich, auch die Spaltung voran.
APA: Haben Sie Angst, dass Leute, die wegen Ihrer Kunstfigur "Dave" ins Programm kommen, enttäuscht sein werden?
Scheid: Nein. Das hier ist jetzt mein viertes Bühnenprogramm, "Dave" kam so ungefähr beim zweiten raus. Dann hat es recht lange gedauert, dass die Leute gecheckt haben, dass der Typ, der den "Dave" spielt, auch Kabarett macht. Dann sind die "Dave"-Fans auch in meine Solos eingetrudelt und konnten das schnell differenzieren. Wenn jemand enttäuscht sein sollte, ist mir das herzlich egal. Ich mache meine Sache. Ich freue mich, dass "Dave" gut ankommt, aber ich will auch andere Dinge machen.
APA: Sie spielen "Dave" schon recht lange. Nervt er Sie inzwischen?
Scheid: Lustigerweise bin ich jetzt mehr mit ihm versöhnt, als ich es schon einmal war. Zwischendurch ist er mir wirklich auf die Nerven gegangen. Das war die Zeit, wo er so richtig gehypt hat und mich auf der Straße jeder als "Dave" angesprochen hat. Es ist sogar bis heute so, dass Leute, die früher David zu mir gesagt haben, Dave sagen. Das geht mir ordentlich am Senkel, weil ich mich in der Volksschule schon gegen diesen Spitznamen gewehrt habe. Es war halt auch eine depperte Idee, die Figur so zu nennen. (lacht) Aber ich bin versöhnt und mach' es auch gerne.
"Es gibt diese 'Dave'-Hooligan-Fans"
APA: Wie geht es im ORF nach zwei Staffeln mit "Dave" weiter?
Scheid: "Willkommen Österreich" fragt immer wieder an wegen Beiträgen. Aber wir würden ja gerne eine dritte Staffel "Dave" drehen. Das wünsche ich mir vom ORF, sage ich jetzt ganz offiziell. Es gibt diese "Dave"-Hooligan-Fans, denen möchte ich das gerne schenken. Ich bin sogar schon in Berlin darauf angesprochen worden. Aber der ORF sagt immer, wir leben in einer Bubble und das hat kein Publikum. Aber wäre es so, wäre es nicht an Netflix verkauft worden.
APA: Aber es gibt noch kein dezidiertes Nein vom ORF?
Scheid: Sagen wir so: Beziehungsstatus kompliziert.
(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)
(S E R V I C E - David Scheid: "The Kabarettist", Premiere am 20. Oktober, 19.30 Uhr, im Wiener Stadtsaal. Weitere Infos und Termine unter https://davidscheid.at/)