Der in Saudi-Arabien aufgewachsene und Berlin lebende von Bismarck ist ein "außergewöhnlicher Künstler, aber auch Poet, Forscher und Provokateur", wie ihn Riedl bei einem Pressetermin zur Ausstellung mit dem Titel "Normale Katastrophe" beschrieb. Seine Werke basieren auf Verknüpfung bildender Kunst mit Forschung und Experimentieren. "Ich bin neugierig", brachte es von Bismarck im APA-Gespräch auf den Punkt. So entstand die Arbeit "Talking to Thunder", nachdem er vom Blitz getroffen wurde und von Bismarck dem Blitz noch einmal nahekommen wollte.
Vom Blitz getroffen - Blitze eingefangen
In ersten Raum sind Raketen platziert, mit denen von Bismarck und sein Team Blitze angelockt haben. "Wenn man Glück hat, löst man damit einen Blitz aus, und man kann ihn fotografieren", so von Bismarck beim Rundgang. Im Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Arbeit, ging es ihm bei der Aktion, der Jahre an Recherche vorausgingen, nicht um die Präsentation von Zahlen, sondern um die Vermittlung von Gefühlen. Eindrucksvoll gelingt ihm das mit seinen großformatig gehängten Bildern, die etwa einen mächtigen Blitz festhalten, der den Himmel über einer Palmenlandschaft erleuchtet.
"Inmitten von Naturgewalten" will die Schau "menschliche Hybris, Verantwortung und Handlungsmacht" thematisieren. Einen Schuss Humor lässt von Bismarck trotz aller Ernsthaftigkeit nicht vermissen. Zur Werkserie "Punishment" wurde er vom persischen König Xerxes inspiriert, der nach einem Brückeneinsturz das Meer mit 300 Peitschenhieben bestrafen ließ. "Das war sehr intensiv", beschrieb der Künstler jene Szenen, die im Kunst Haus auf großer Leinwand laufen, in denen er eine stürmische See peitscht. "Ich musste wirklich eine Art Wut entwickeln." Gefilmt wurde spontan in Rio - "die Peitsche hatte ich im Gepäck dabei".
1,5 Sekunden Wellengang im Sturm
Die Videoarbeit "Den Himmel muss man sich wegdenken" beschäftigt sich ebenfalls mit Wasser. In der raumgreifenden Projektion türmt sich eine Sturmwelle wie ein monochromes Bergmassiv auf, gedreht während eines Sturms vor Irland. Ein einziger Skipper hatte sich bereit erklärt von Bismarck im Unwetter aufs Meer zu fahren. "Ich wollte fast aufgeben", schilderte der Künstler die Situation. Aber dann gelang es ihm doch, im heftigen Wellengang stabil zu filmen - 1,5 Sekunden für die Projektion in extremer Zeitlupe auf acht Sekunden gedehnt. Man müsse sich für die ruhige Arbeit Zeit nehmen, empfiehlt von Bismarck. Tatsächlich verfällt man beim längeren Betrachten der majestätische Naturgewalt in eine Art Trance.
Der zweite Teil der Präsentation, einen Stock höher, widmet sich der Kraft des Feuers. In einer erstmals gezeigten Fotoserie "The Day The Ocean Turned Black" (durch Asche, Anm.) dokumentiert von Bismarck die Folgen der diesjährigen verheerenden Brände in Los Angeles. "Ich wollte verstehen", sagte er über seine Intention abseits eines Katastrophentourismus. Er fotografierte in einer Phase, "in der noch nicht aufgeräumt" und der Medienansturm vorbei war, was von Gebäuden übrig blieb. Die Serie sei als "Art Röntgenblick einer Stadt" zu sehen, "wenn man alles wegnimmt, was brennbar ist". Parallel dazu verstehen sich Waldbrand-Fotos aus der Arbeit "Fire with Fire" als "ästhetische Suche nach dem Feuer als etwas Natürliches".
"Irritierend schön"
Von Bismarcks Werke und speziell "Normale Katastrophe" soll "kein Ruf nach Panik, sondern nach Wahrnehmung" sein, fasste Riedl zusammen. Die Arbeiten seien "oft irritierend schön", ergänzte Kuratorin Sophie Haslinger. Das beginnt bereits im begrünten Innenhof, wo der Künstler in einer Intervention einen Baum scheinbar zum Brennen gebracht hat.
(S E R V I CE - "Julius von Bismarck. Normale Katastrophen" im Kunst Haus Wien, Untere Weißgerberstraße 13, 1030 Wien von 10. September bis 8. März 2026, täglich 10-18 Uhr. www.kunsthauswien.com)