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Messerschmidt-Schau im Belvedere "mehr als Charakterköpfe"

Franz Xaver Messerschmidt ist dem breiten Publikum vor allem durch seine "Charakterköpfe" bekannt. Eine neue Ausstellung im Unteren Belvedere veranschaulicht nun unter dem Titel "Mehr als Charakterköpfe" die ganze Bandbreite des Œuvres, das der Bildhauer bis zu seinem Tod mit 47 Lebensjahren geschaffen hat. Zugleich setzt die Schau Messerschmidts Arbeiten in Bezug zu anderen Künstlern und hinterfragt, warum seine berühmte Werkserie eigentlich "Kopfstücke" heißen muss.

Ausstellung würdigt gesamtes Werk des Bildhauers
Ausstellung würdigt gesamtes Werk des Bildhauers

Messerschmidt (1736-1783) lebte und arbeitete in einer Zeit kultureller und politischer Umbrüche. An seinen Porträts lässt sich die Hinwendung zu Idealen der Aufklärung ablesen. So präsentiert man im ersten Raum zwei sehr unterschiedliche Büsten, die Joseph Wenzel I. von Liechtenstein zeigen: Eine von Balthasar Ferdinand Moll hält den Fürsten in militärischer Kleidung und Standesabzeichen fest, jene von Messerschmidt ohne Perücke und Statushinweise, ganz konzentriert auf den Gesichtsausdruck.

Wegbereiter des Realismus

War Messerschmidt ein Genie, war er Außenseiter? "Vieles hat ihm die Gesichtsschreibung zugeschrieben, manches angedichtet", so Generaldirektorin Stella Rollig anlässlich eines Pressetermins am Donnerstag. Früh feierte er erste Erfolge. Mit seiner Art das Individuum darzustellen, wurde Messerschmidt zu einem Wegbereiter des Realismus - auch das wird anhand der Exponate klar herausgearbeitet und ersichtlich.

Mit der Anfertigung von Standfiguren von Maria Theresia und ihrem Ehemann Kaiser Franz I. Stephan erhielt Messerschmidt den wohl bedeutendsten Auftrag seiner Karriere (für die Schau imposant im Marmorsaal platziert). An der Akademie Wien wurde Messerschmidt die in Aussicht gestellte Nachfolge als Professor der Bildhauerei verwehrt - begründet mit angeblicher Feindseligkeit und "geistiger Verwirrung".

Kopfstücke für sich selbst

Der Künstler kehrte Wien den Rücken, zog schließlich nach Preßburg (heute Bratislava) und bestritt seinen Lebensunterhalt mit kleinformatigen Alabastermedaillons. Die ausgestellten Exemplare bilden einen Kontrast zu den Porträtbüsten aus Stein und Metall. Und um 1771 beginnt er mit der Arbeit, die später von anderen als "Charakterköpfe" bezeichnet werden - eine Serie von mindestens 55 Objekten, die der Bildhauer für sich selbst gestaltet, als Kopfstücke bezeichnet und zeit seines Lebens in seinem Atelier behält.

"Es handelt sich bei Messerschmidts Serie um keine Darstellung von unterschiedlichen Charakteren, sondern vielmehr um eine Sammlung an unterschiedlichen Mimiken", erläuterte Katharina Lovecky, die mit Georg Lechner die Ausstellung kuratierte. "Er ging ja von seinen eigenen Gesichtszügen aus." Im Kontrast dazu weist man auf die Versuche des Schweizer Pastors und Physiognomen Johann Caspar Lavater hin, von Gesichtszügen auf das Wesen eines Menschen zu schließen. Verdeutlicht wird, wie Messerschmidt mit dieser Arbeit mit dem strengen Klassizismus seiner Zeit bricht.

Nach Messerschmidts Tod verkaufte sein Bruder 49 der "Charakterköpfe" an einen Gastronomen. Über Jahrzehnte wurden die Stücke als Kuriositäten präsentiert, "zur Praterattraktion verkommen", sagte Lechner. Erst die Wiener Moderne entdeckt den Bildhauer als ernst zu nehmenden Künstler wieder. "Das Belvedere besitzt 26 Werke Messerschmidts, darunter vier Dauerleihgaben", betonte Rollig. "Mehr als Charakterköpfe" entfaltet sich wie eine Biografie des Bildhauers, zieht Querverweise, hinterfragt Einflüsse und betrachtet den Künstler im Spiegel seiner Zeit.

(S E R V I C E - "Franz Xaver Messerschmidt: Mehr als Charakterköpfe" im Unteren Belvedere, 31.10.25. - 6.4.26, Montag bis Sonntag 10-18 Uhr; www.belvedere.at)

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