SN.AT / Kultur / Allgemein / Kultur

Neues Kapitel für Parov Stelar: "Keine Parameter erfüllen"

Electroswingpionier Parov Stelar schlägt ein neues Kapitel in seinem Schaffen auf. Am Donnerstag wurde in Wien sein neues Album "Artifact", das elektronische Energie mit klassischer Orchestrierung mischt, sowie die ORF-Doku "Klang und Farbe - Die Neuerfindung von Parov Stelar" präsentiert. "Ich bin jetzt bald 50 plus, und die stabilste Währung eines Künstlers ist Authentizität. Wenn ich die nicht bringen kann, schaffe ich mich selbst ab", sagte der Linzer im APA-Interview.

Parov Stelar setzt auf Authentizität
Parov Stelar setzt auf Authentizität

Mit "Artifact" wollte der Künstler, mit bürgerlichem Namen Marcus Füreder, an kein Erfolgsrezept anschließen. Das Album entstand über einem Zeitraum von sechs Jahren. Eingespielt wurde es unter anderem mit einem 35-köpfigen Orchester im Linzer Brucknerhaus. Eine "cineastische Tiefe" sollte "Artifact" haben, daher verstärken von Stelar mittels KI generierte Videos die Stimmung. Parallel zum Album erscheint außerdem das Buch "Trip. Eine Reise in die Unterwelt der Musik". Der 50-Jährige findet sein jüngstes Werk eigentlich "nicht so drastisch anders".

APA: Warum hat es seine Zeit gedauert, "Artifact" zu realisieren?

Parov Stelar: Tatsächlich gab es viele Songfragmente, die vor sechs, sieben Jahren entstanden und liegen geblieben sind - weil der Parov in eine andere Richtung so erfolgreich war, dass diese Samen damals nicht keimen konnten. Irgendwann war der Zeitpunkt da, wo ich mir dachte: Warum würde ich jetzt Musik veröffentlichen, die ich persönlich gerade nicht höre? Das kann ich nicht machen. Die meisten fragen, ob dazu Mut nötig war. Gar nicht, weil es ein Prozess war.

APA: Veränderung ist für einen erfolgreichen Künstler immer schwer ...

Stelar: Ich wusste, ich muss einmal loslassen und die Angst, dass man was verliert, ablegen. Ein Boxer hat mir einmal gesagt: "Aufstehen kannst du nur, wenn du am Boden liegst. Während du fällst, kannst du nicht aufstehen. Also schlag einmal auf!" Das war dann eine derartige Befreiung, dass ich mir vorgekommen bin wie ein kleines Kind, das vom Opa zu Weihnachten die Lego-Raumstation bekommt. Und ich habe zum Basteln angefangen. Der Rest ergab sich aus einer Jugendliebe, die man nie ganz vergessen hat, und plötzlich taucht sie wieder in einer Nebenstraße auf.

Eine Jugendliebe namens Ulrike

APA: Was war die Jugendliebe?

Stelar: Die hat Ulrike geheißen ... (lacht)

APA: Die künstlerische ...

Stelar: Mich hat damals schon Filmmusik beeindruckt. Ich weiß noch, wie "Der weiße Hai" ins Kino gekommen ist (singt die Titelmusik) - diese Kombination aus Bild und Musik, zwei Ingredienzien, die alleine vielleicht gar nicht so viel hergeben, aber zusammen sind sie stark. Ich habe bei diesem Album die Bilder im Kopf gehabt.

APA: Ist "Artifact" mit seinem kunstvollen Albumcover und den Videos als Konzeptalbum zu verstehen?

Stelar: Es ist das Gegenteil davon. Ein Konzept hat immer irgendwas Rationales, was im Kopf passiert ist. Und bei diesem Album habe ich den Kopf ausgeschaltet. Komplett."

APA: Auf Streamingerfolgsformeln haben Sie bewusst verzichtet?

Stelar: Ich habe ein T-Shirt gemacht, auf dem steht "Parov Stelar - music not industrie". Das Hörerverhalten wird jetzt leider von Algorithmen geprägt. Das ist eine Katastrophe. Ich habe es bei diesem Album geliebt, Intros zu machen, die eine Minute dauern. Weil, was ist Kunst? Ich will Künstler bleiben, sonst bin ich Industrie und erfülle Parameter.

APA: Enthalten ist auch eine von Ihnen überarbeitete Version von Lana Del Reys "Art Deco". Wie kam es dazu?

Stelar: Ich habe vor einigen Jahren einen Remix von einem Lana-Song gemacht. Zwei Jahre später kam ich zufällig drauf, dass ihr Manager, Ben Mawson, mein Nachbar in Mallorca ist. Er hat gesagt: Schau vorbei - und dann macht Mirjam Weichselbraun die Tür auf. Da kannte ich mich überhaupt nicht mehr aus, ich wusste ja nicht, dass sie zusammen sind. Ich hab ihm die Albumidee erzählt und dass ich Lanas Stimme mit dieser Melancholie auf dem Album brauche.

APA: Die Videos zum Album sind mit Einsatz von KI gestaltet. Keine Angst vor dieser Technologie?

Stelar: Zu Beginn hatte ich die nicht. Ich habe versucht, die KI als Werkzeug einzusetzen. Ich habe Einzelbilder mit der KI animiert, der Prozess war fast länger als der musikalische. Momentan ist es ein schwieriges Thema geworden. Wie ich das Video gesehen habe, Phil Collins liegt im Krankenhaus und Paul McCartney spielt ihm was vor, hat mich das richtig berührt. Dann bin ich draufgekommen, das ist ein KI-Scheiß. Da habe ich mich richtig betrogen gefühlt. So was ist gefährlich, es macht was mit uns Menschen.

Einbruch als Ausgangspunkt für seine Biografie

APA: Warum jetzt die Biografie?

Stelar: Es hat schon vor Jahren ein Verlag angefragt. Die Umstände haben aber nicht gepasst. Ich schreibe eigentlich sehr gerne und intensiv. Dann war ich in Mallorca, mein Haus steht in einem großen Wald, der Weg führt über Serpentinen. Ich komm zu meinem Haus hin und seh ein Auto stehen. Das kann nur ein Einbrecher sein. Was mach ich jetzt? Also habe ich zunächst einmal mein Auto quer gestellt, damit er nicht mehr wegfahren kann. Wir standen uns gegenüber wie in einem Duell. In dem Moment ruft eine österreichische Nummer an: "Grüß Gott, hier spricht edition a und wir hätten eine Idee für ein Buch." - "Das ist lieb, aber grad ein blöder Moment, weil ich kämpfe gerade mit einem Einbrecher." - "Das ist doch gleich das erste Kapitel!" - "Ja danke, aber können wir das doch ein anderes Mal besprechen." Ich fand das so skurril. Wenn das kein Schicksalswink ist.

APA: Was passierte mit dem Einbrecher?

Stelar: Ich hab meinen Kampfsporttrainer angerufen, und der kennt viele Leute bei der Polizei. Die sind schnell gekommen. Wir haben uns gütlich geeinigt.

APA: Am 10. November ist auf ORF 2 (23.15 Uhr; auch auf ORF ON abrufbar) eine Dokumentation über Sie zu sehen. Welche Gefühle hat sie bei Ihnen geweckt?

Stelar: Es hat mich stolz gemacht. Ich war auch ein bisschen aufgeregt, weil ich nicht gerne zurückschaue. Aber die Sendungsgestalterin ging mit viel Respekt und Feinfühligkeit an die Sache heran. Ich habe die Gelegenheit wahrgenommen, einmal kurz inne zu halten. Ich habe sehr viel über mich gelernt in der Doku.

(Das Gespräch führt Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E - Parov Stelar und Maximilian Hauptmann: "Trip. Eine Reise in die Unterwelt der Musik", edition a, 192 Seiten, 26 Euro; www.parovstelar.com)

(Quelle: APA)

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.