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Nachruf auf Publikumsliebling Otto Schenk: Theatermann mit vielen Gesichtern

In Österreich ein Bühnenstar, im Rest der Welt heiß geliebter Opernregisseur, in Salzburg ein Dauergast: zum Tod von Otto Schenk.

Otto Schenk starb Donnerstagfrüh in seinem Haus am Irrsee
Otto Schenk starb Donnerstagfrüh in seinem Haus am Irrsee
Schenk bei den Salzburger Festspielen 1987 („Der Bauer als Millionär“).
Schenk bei den Salzburger Festspielen 1987 („Der Bauer als Millionär“).
Schenk bei den Dreharbeiten zu Fernsehoper 'Die alte Jungfer und der Dieb'.
Schenk bei den Dreharbeiten zu Fernsehoper 'Die alte Jungfer und der Dieb'.
Multitalent Otto Schenk dirigierte auch im Konzerthaus.
Multitalent Otto Schenk dirigierte auch im Konzerthaus.
2014 als „Hans Weiring“ mit Alma Hasun als „Christine“ in „Liebelei“ im Josefstadt-Theater.
2014 als „Hans Weiring“ mit Alma Hasun als „Christine“ in „Liebelei“ im Josefstadt-Theater.
Mit Sterneköchin Johanna Maier 2007 bei einer Kochshow im SN-Saal.
Mit Sterneköchin Johanna Maier 2007 bei einer Kochshow im SN-Saal.
Beim Schwammerlessen im Sacher mit Helmut Lohner zur Festspielzeit 2007.
Beim Schwammerlessen im Sacher mit Helmut Lohner zur Festspielzeit 2007.

Otto Schenk ist tot. Seine Kunst lebt weiter. Erst vor wenigen Tagen geleitete seine "Fledermaus"-Inszenierung die Besucher der Wiener Staatsoper zum 190. Mal pointensicher ins neue Jahr. Am 9. Juni steht im Haus am Ring die 400. Aufführung des "Rosenkavaliers" in der Regie von Otto Schenk auf dem Programm. Wenige Künstler, David Hasselhoff vielleicht ausgenommen, wurden in ihrer Heimat und dem Rest der Welt so unterschiedlich wahrgenommen wie der vielseitige Wiener: In Österreich avancierte der Vielbegabte als Schauspieler zum Publikumsliebling, international ist er vor allem als Opernregisseur bekannt.

An den großen Häusern New Yorks, Münchens und natürlich an der Wiener Staatsoper haben seine Inszenierungen teils mehr als ein halbes Jahrhundert überdauert. Die Met engagierte Schenk 2009 sogar ein weiteres Mal, um seinen "Ring" aus den 1980er-Jahren zu überarbeiten.

Petition für Schenks "Rosenkavalier"

Viele Opernliebhaber schätzen seine Inszenierungen, die das Gesamterlebnis Musiktheater als nostalgischen Genuss ermöglichen. An der Bayerischen Staatsoper war der Unmut groß, als Schenks "Rosenkavalier" 2021 von einer Neuproduktion in der Regie von Barrie Kosky ersetzt werden sollte: Münchner Opernfreunde riefen eine Onlinepetition ins Leben, doch sie konnten Koskys zeitgemäßere Regiearbeit letztlich nicht verhindern. Auch Wiens Staatsopernchef Bogdan Roščić, ein erklärter Freund progressiver Opernregie, hält seit Jahren an Schenks "Rosenkavalier"-Inszenierung aus 1968 fest. "Heilige Kühe schlachtet man nicht", wusste bereits Roščićs Vorgänger Dominique Meyer.

Oper als "Flucht aus dem Theater"

Allen Vorwürfen einer überkommenen Ästhetik - die auch neueren Inszenierungen wie "Das schlaue Füchslein" aus 2014 innewohnt - zum Trotz zeichnet Otto Schenks Opernarbeiten eine ausgefeilte Personenführung, Musikalität und Nähe zu den Intentionen der Komponisten aus. "Mein großes geschwollenes Bein war die Oper, aber eigentlich war die Oper eine Flucht aus dem Theater und hat sich mir als Paradies eröffnet", sagte Otto Schenk 2016 in einem SN-Interview. Andernorts berichtete Otto Schenk von einer "Sehnsucht nach der Musik" und deren Ausdrucksform Oper, in die er sich "durch das Hintertürl Regie" geschlichen habe.

Operndebüt in Salzburg im Jahr 1958

Sein Debüt als Opernregisseur gab Otto Schenk am Salzburger Landestheater: Am 30. Jänner 1958 feierte seine Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" ihre Premiere. Der SN-Rezensent berichtete von "dankbarem Publikum" und "reichem Applaus", formulierte aber auch Einwände gegen die Zeichnung Papagenos in "vierschrötig polternder Art eines bäuerischen Faxenmachers und Dorfhelden". Schenks Herz für die gepflegte Kasperliade spaltete bereits damals Publikum und Kritik.

Der Schauspieler, der 1947 sein Debüt im Wiener Theater der Jugend gefeiert hatte, schlug früh eine Regiekarriere ein. Im Alter von 25 Jahren inszenierte Schenk 1955 erstmals im Theater in der Josefstadt, das seine künstlerische Heimat blieb: Von 1988 bis 1997 war er dort als künstlerischer Leiter tätig.

Geliebter Teufel im "Jedermann"

Bei den Salzburger Festspielen inszenierte er erstmals 1972, für Shakespeares "Was ihr wollt" stand ihm ein illustres Ensemble um Klaus Maria Brandauer, Josef Meinrad, Christiane Hörbiger und Helmuth Lohner zur Verfügung. Hörbiger und Lohner sollten 1976 seine Salzburger Spielpartner im "Talisman" werden: Die Nestroy-Produktion ist als DVD verfügbar und erinnert an die schauspielerischen Fähigkeiten Otto Schenks, der das Stück zudem schlüssig in Szene setzte. In Erinnerung blieb der Darsteller Schenk auch als Teufel im "Jedermann": ab 1978 fünf Festspielsommer lang neben Maximilian Schell, 1991 und 1992 schließlich an der Seite seines ewigen Bühnenkompagnons Helmuth Lohner.

Tragende Rolle im Festspiel-Direktorium

Eine noch tragendere Rolle in Salzburg sollte Otto Schenk ab 1986 als Festspiel-Direktoriumsmitglied spielen. Er engagierte Regisseure wie Thomas Langhoff, Jürgen Flimm und Peter Stein, die österreichische Bühnenklassiker von Raimund, Grillparzer oder Schnitzler gehörig entstaubten. Dem damaligen Direktoriumsmitglied Heinrich Wiesmüller zufolge soll er der einzige Mensch gewesen sein, der Herbert von Karajan zum Lachen bringen konnte. In der legendären Causa um George Taboris Inszenierung von Franz Schmidts "Das Buch mit sieben Siegeln" 1987 solidarisierte sich Schenk mit protestierenden Künstlern. Nach drei Jahren gab er schließlich die Schauspielagenden im Festspielbezirk ab: Mit dem Rückzug Herbert von Karajans aus dem Direktorium und der Berufung Hans Landesmanns ins Direktorium Ende 1988 war eine Ära der Reform angebrochen.

Erfolge im Fernsehen

Der Bühne blieb Otto Schenk bis ins hohe Alter treu, seine Doppelabende mit Helmuth Lohner waren Publikumsrenner. Unter dessen Regie - buchstäblich ein Rollentausch - feierte Otto Schenk in "Mein Opa ist der Beste" und "Mein Opa und die 13 Stühle" auch Fernseherfolge. An der Seite von Christiane Hörbiger überzeugte der Publikumsliebling in "Tafelspitz" auf der Kinoleinwand. Nach Helmut Lohners Tod im Jahr 2015 wurde Michael Niavarani ein Stichwortgeber für Schenks Bühnenkunst des Geschichten- und Anekdotenerzählens. "Sachen zum Lachen" lieferte er auch als Autor etlicher Bücher.

Am Donnerstag starb Otto Schenk im Alter von 94 Jahren. Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte ihn via X als den "Komödianten schlechthin", Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger als "letzten wirklich großen Theatermenschen des 20. Jahrhunderts". Sowohl die Wiener Staatsoper als auch die Salzburger Festspiele hissten am Donnerstag die schwarze Flagge - eine würdige Verbeugung vor dem legendären Theatermann.

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