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Tote Lover und goldene Windelhose: Margot Pilz in Bregenz

"Lovers" hat Margot Pilz ihre Ausstellung, die sie am Freitagabend im Künstlerhaus Bregenz eröffnet hat, genannt. Briefe an "My dead Lovers" hat die österreichische Künstlerin dafür in einer Installation im zentralen Hauptraum an sternförmig zusammenführende Fäden gehängt. Die neue Arbeit ist eine Hommage an den Ausstellungsort, das Palais Thurn und Taxis. Die Familie, deren Geschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, gilt als Erfinderin des Postwesens.

Margot Pilz, beflügelt von den Briefen an tote Liebhaber
Margot Pilz, beflügelt von den Briefen an tote Liebhaber

Es sind 300 graue Kuverts, die Pilz mit Namen versehen hat - eine erstaunliche Anzahl, selbst für eine lebenslustige 89-Jährige. Beim näheren Hinsehen erkennt man jedoch: Es sind elf Namen, die sich immer wiederholen. Auf Anraten eines befreundeten Anwalts hat die Künstlerin die echten Vornamen mit Fantasienamen gekoppelt: Harry Konstrukt, Hannes Hautlos, Eduard Spitzer ... "Das sind aber nur die toten Liebhaber, die anderen leben alle noch", merkte die Künstlerin bei der Führung am Freitag mit einem strahlenden Lächeln an.

Witz und Selbstironie

Pilz beschäftigt sich mit Witz und Selbstironie mit den großen Themen, mit denen sie unmittelbar konfrontiert wird: mit den Rollen, die Frauen von der Gesellschaft zugewiesen werden, mit dem Verhältnis von Mensch und Natur, mit den Veränderungen, die das Alter an Körper und Geist hinterlässt. "Pilz spricht dabei an, was am meisten tabuisiert ist: Begehren, Sexualität und Sinnlichkeit im Alter. Und sie macht deutlich, dass es all' das weiterhin gibt", sagte Kurator Andreas Hoffer.

Hoffer hatte schon 2021 in der Kunsthalle Krems eine große Retrospektive der Foto-, Medien- und Konzeptkünstlerin kuratiert und hat nun im Künstlerhaus Bregenz bekannte Arbeiten von Margot Pilz aus fast fünf Jahrzehnten mit neuen Werken kombiniert. Ikonische Fotoarbeiten, mit denen sie auf gesellschaftlichen Druck reagierte, indem sie sich fesseln oder sich von einer großen Platte fast erdrücken ließ (die 1983 entstandene Fotoserie "trotz dem" kann freilich, dreht man die Abfolge der sieben Aufnahmen um, auch als Selbstbefreiung interpretiert werden), treffen auf Arbeiten, mit denen sie erst in jüngster Zeit großen Themenausstellungen ihren Stempel aufgedrückt hat: "Restnatur" wurde zum vielpublizierten Sujet einer Naturausstellung des Lentos Museum Linz, "Anti Aging (Work Out)" gab einer Schau über "Die Kraft des Alters" im Unteren Belvedere ein prägnantes Gesicht.

Goldene Windelhose

Was Margot Pilz in den vergangenen Jahren neu geschaffen hat, ist weit mehr als ein klassisches Alterswerk. Es ist ein offensiver, selbstbewusster Umgang mit dem, was unsere Gesellschaft gerne verdrängt: Die Menschen werden immer älter, sie fühlen sich jung, sehen aber nicht mehr wie Junge aus. Das bringt auch die zweite Installation, die Pilz für Bregenz neu geschaffen hat, auf den Punkt: Für "Happy Crappy Age" hat sie neuere Fotografien, die sie und ihren letzten Lebensgefährten, den im Vorjahr verstorbenen Designer Ernst Beranek, zeigen, mit grafischen Elementen einer älteren digitalen Medienarbeit auf 15 transparente Plexiglasplatten gedruckt und schwebend in den Raum gehängt. Daneben hat sie Begriffe notiert, die dieses "fröhliche beschissene Alter" für sie charakterisieren: traumatische Verluste, infantile Panik, irrationales Handeln oder auch: chaotisches Vergessen.

Ein Begleittext ist auch für ihre vielleicht offensivste Umsetzung des Altersthemas wichtig: Margot Pilz hat eine große goldene Windelhose nähen lassen, die sie in einer auf Video festgehaltenen Tanzperformance neckisch und sexy einzusetzen versteht. Daneben hat sie Zahlen aufgelistet, die die Dimension des Problems verdeutlichen: den weltweiten Umsatz mit Inkontinenzschutz und das Volumen des von ihm produzierten Müllbergs.

Performance des "Margot Pilz Fanclubs"

Eröffnet wurde die Ausstellung "Lovers" am Freitag von einer Tanzperformance des Künstlers Michikazu Matsune und des von ihm gegründeten "Margot Pilz Fanclubs". Am Samstag ist das Künstlerhaus Bregenz im Rahmen der "ORF-Lange Nacht der Museen" bis 24 Uhr geöffnet. Die Ausstellung ist bis 16. November zu sehen. Und für kommendes Jahr appellierte Andreas Hoffer an die heimischen Museen, ihre Pläne noch einmal zu überarbeiten: 2026 feiert Margot Pilz ihren 90er.

(S E R VI C E - "Lovers - Margot Pilz", Ausstellung im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis in Bregenz, 4.10. bis 16.11., Mittwoch bis Samstag 14 - 18 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 - 17 Uhr, Lange Nacht der Museen: Samstag, 4.10.: 18 bis 24 Uhr; www.kuenstlerhaus-bregenz.at )

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