Denn Reyes geht es bei seinem Projekt mit 30 indigenen Communitys von Oaxaca und Chiapas (Mexiko) weniger um das textile Kunstwerk als Objekt, sondern vielmehr um das, "was während des Entstehungsprozesses geschieht: die Beziehungen, das Lernen, die Meinungsverschiedenheiten, die gegenseitige Transformation", so der Künstler, Kurator und Forscher. In den Farben und Mustern stecken Geschichte und Emotionen, die Arbeit mit natürlichen Farbstoffen sei außerdem auch ein ökologischer Akt. So wird "gelebtes Kulturerbe" vermittelt, befand Co-Kuratorin Renée Rielder bei einem Presserundgang am Montag.
Natürliche Farbstoffe statt Chemie
Der Huipil ist eine traditionelle verzierte mexikanische Bluse bzw. ein Kleid. Die Herstellung beginnt mit der Auswahl und Färbung der Fäden. Das passierte traditionell mit Farbstoffen aus Pflanzen, Mineralien und Insekten aus dem unmittelbaren Umfeld der Weberinnen und Weber. Das Wissen ist im 20. Jahrhundert zunehmend verdrängt worden, billige industriell gefärbte Garne begannen Einzug zu halten. Reyes setzt sich in seinen Arbeiten intensiv mit Materialien auseinander, in Workshops mit indigenen Communitys wurde auf alte Praktiken zurückgegriffen und neue Methoden entwickelt.
Zunächst steht in der Ausstellung das handwerkliche Können im Mittelpunkt. Vor Porträts der Weberinnen und Weber hängen auf Webgeräten gespannte, reichlich verzierte Gewebe. Darunter sind Materialien, aus denen die Farben gewonnen werden, deponiert: zum Beispiel Indigobrocken oder getrocknete Schildläuse. Auf Screens lassen sich Informationen zu den Exponaten abrufen, Videos dokumentieren den Herstellungsprozess. Zeremonielle Huipils, festliche Gewänder, die Frauen zu religiösen Anlässen tragen, beeindrucken im nächsten Raum mit Farbenpracht und Bildsprache. "Es waren intensive Recherchen notwendig", erklärte Reyes. "Denn viele Muster galten als verloren."
"Die Farben der Erde" spannt auch den Bogen zur Gegenwart: Im letzten Raum geht es um modernes Design und die Rolle sozialer Medien für die Verbreitung indigener Textilkunst. Und nicht zuletzt besteht ein Bezug zur mesoamerikanischen Galerie der Dauerausstellung im Weltmuseum - eine Fotocollage verbindet die historischen Bestände des Hauses mit der aktuellen Schau.
(S E R V I C E - "Die Farben der Erde" im Weltmuseum Wien, 22.10.25-26.4.26, Neue Hofburg, täglich außer Mo 10-18 Uhr, Di 10-21 Uhr; www.weltmuseum.at)