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Wiener Ausstellung widmet sich Peter Weibels Frühwerk

Peter Weibel durchdenken oder durch Weibel denken? Beide Lesarten werden in der neuen Schau "Thinking Through Weibel" im Angewandte Interdisciplinary Lab (AIL) auf ansprechende Weise bedient. Die aus einer Kooperation mit dem Weibel Institut für Digitale Kulturen hervorgegangene Ausstellung bringt frühe Arbeiten des 2023 verstorbenen Medienkünstlers und -theoretikers in Dialog mit Frühwerken internationaler zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler.

Weibels Arbeiten in Dialog mit Zeitgenossen
Weibels Arbeiten in Dialog mit Zeitgenossen

Zwischen Messerblick und Steinskulpturen

Schon bei Betreten des ehemaligen Kassensaals der Otto Wagner-Postsparkasse wird das Publikum zum Akteur, wandelt man doch über die auf den Boden gemalten "Recht"-Schriftzüge und erweckt so Weibels 1968 entstandene Arbeit "Das Recht mit Füßen treten" zum Leben. Linker Hand betritt man schließlich den mit "Recht" betitelten ersten Teil der Ausstellung, in der man sofort von Weibels "Face to Face" begrüßt wird: einer 2011 entstandenen, kleinen Arbeit mit zwei Messern und einem Paar Augen. Löst man sich von diesem Blick, finden sich rechter Hand mit "Phantom Limb" der Amerikanerin Lynn Hershman Leeson zwei Schwarz-Weiß-Fotografien aus 1967, in denen die Künstlerin den weiblichen Körper mit technischen Objekten wie einer Kamera in Beziehung setzte.

Im Hauptraum dominieren schließlich Weibels Steinskulpturen "Signatur/Wunderbar" (1975), in denen er die beiden Wörter durch die auf unterschiedliche Seiten der Steinkuben eingravierten Buchstaben zu neuen Bedeutungen im dreidimensionalen Raum transformierte und den Fokus auf "Sign" und "Natur" bzw. "Wunde" und "Bar" legte. All das geschieht unter den wachsamen "augentexten" und vor der Videoarbeit "The Recitation of a Soliloquy" von Morehshin Allahyari. Dabei schrieb die iranische Künstlerin Einträge aus dem Tagebuch ihrer Mutter, die jene während des Iran-Irak-Krieges verfasste, Bild für Bild direkt auf die Filmrolle und verschnitt eine Projektion aus dem Iran mit dem Gesicht der Künstlerin, wodurch sich die Bedeutungsebenen überlagern.

Metaebene auf Buchstaben

Alle Arbeiten, darunter auch die beiden beschrifteten Metallplatten "... Aber nicht an den Untergang des Kapitalismus / Ich glaube an den Untergang der Welt..." oder die Serie "Ontologische Sprünge" sowie Eva Schlegels mannshohe Glasplatten mit verschwommenem Text, sind jeweils auf den auf dem Boden angebrachten Buchstaben von "RECHT" verortet, wodurch das aus Valerie Messini und Brooklyn J. Pakathi bestehende Kuratorenduo eine weitere semantische Ebene erschafft. "Die Arbeiten korrespondieren mit Themen wie Reflection, Refraction oder Relation, Expression, Endurance und Extraction oder Correlation, Connection und Circuit", erklärten die beiden am Mittwoch beim Presserundgang. Verfolgen kann man diese Metaebene im begleitenden Folder, der alle Arbeiten inklusive der Buchstaben-Kapitel inhaltlich aufbereitet.

Nach "Recht" geht es im gegenüberliegenden Saal, vom Eingang aus rechts gelegen, zu "Left", wobei man sich hier inhaltlich nicht nur auf die politische Linke und Queerness bezieht, sondern auch auf das Zurückgelassene. Dazu zählt etwa die auf dem Buchstaben "T" (Territory, Terror, Tactility,...) platzierte Installation "Festung Europa", in der Weibel sich laut den Kuratoren bereits 1994 mit dem Bedeutungsverlust von Nationalstaaten und Fluchtbewegungen auseinandersetzte. Statt bunter Nationalflaggen ragen schwarze Fahnen aus der Wand, auf dem Boden sind durchwühlte Koffer mit Kleidung zu sehen. Dem gegenüber steht das Video "Jawap" der südafrikanischen Künstlerin Thania Petersen, die sich der Entwicklung der Sufi-Musik widmet und den Blick auf die Gegenwart aus der westlichen Perspektive löst.

In dem deutlich bunter (und lauter) gestalteten Ausstellungsraum finden sich auch zwei Arbeiten von Jakob Lena Knebl, in denen der Körper zum Ausstellungsraum wird ("Amore Ettore", 2011). Ansonsten widmet man sich ganz Weibel selbst, der mit seiner Installation "stöhnender stein. nicht-humanes gedicht" 1969 im Wiener Stadtpark für Aufsehen sorgte oder mit seinen "Paper Poems" aus dem Jahr 1965 erstaunliche Feinsinnigkeit beweist. Der Untertitel der Schau ("Beginnings, Diversions, Elsewheres") fasst zusammen, worum es dem Kuratorenteam bei den Gegenüberstellungen ging: nicht nur um Anfänge, die mit dem Werk Weibels in Verbindung stehen, sondern auch um Abzweigungen und schließlich Wege, die weit weg geführt haben. Am Ende führt alles wieder zu Weibel. Und zeigt, dass sein Werk nichts an Relevanz verloren hat.

(S E R V I C E - "Thinking Through Peter Weibel. Beginnings, Diversions, Elsewheres" im Angewandte Interdisciplinary Lab, 1., Georg-Coch-Platz 2, 6. November bis 8. Jänner. www.dieangewandte.at)

(Quelle: APA)

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