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"Zumutung für die Freiheit der Kunst"

Josefstadt-Direktor Föttinger und Autor Daniel Kehlmann verschärfen die Kritik am kulturpolitischen Krisenmanagement.

Herbert Föttinger.
Herbert Föttinger.

Dass die Saison in der Wiener Josefstadt am 17. September mit den Thomas-Bernhard-Dramoletten "Der deutsche Mittagstisch" in der Regie von Claus Peymann eröffnen soll, steht auf dem frisch präsentierten Programm des Theaters. Unter welchen Umständen diese Saison beginnen werde, "kann ich nicht sagen", sagte Direktor Herbert Föttinger am Donnerstag. Ein Spielbetrieb unter den derzeit diskutierten Abstandsregeln bedeute 170 Zuschauer und damit eine mögliche Auslastung von höchstens 27 bis 28 Prozent. "Das wäre eine künstlerische und ökonomische Katastrophe", sagte der Theaterleiter, der erneut heftige Attacken gegen die Regierung ritt. "Diese Pandemie ist eine Zumutung für die Freiheit der Kunst", sagte Föttinger, und: "Diese Bundesregierung ist eine Zumutung für die österreichische Kulturnation."

Er kritisiert die Plan- und Empathielosigkeit der Regierung und zeigte großes Verständnis für das jüngste "Wutvideo" des Kabarettisten Lukas Resetarits: "Wir möchten endlich von der Bundesregierung Perspektiven haben." Hatte sich der Josefstadt-Direktor am 24. April nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler (Grüne) noch sehr zuversichtlich gezeigt, berichtete er nun auf Nachfrage, dass seither Funkstille herrsche. "Vielleicht war auch dieses Gespräch nur ein Lippenbekenntnis."

Föttinger forderte klare Perspektiven für den künftigen Proben- und Spielbetrieb: "Die Zeit des Lavierens muss vorbei sein", es dürfe keine "halbgaren Möglichkeiten zulasten der Freiheit der Kunst" geben. Jeder Eingriff in das Kunstschaffen stelle "eine Form der Zensur dar", bei der als Nächstes Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Handlungsfreiheit in Gefahr gerieten. Föttinger mahnte angesichts der Coronakrise ein tatkräftiges Bekenntnis zur Kulturnation Österreich seitens des Bundeskanzlers ein, von dem es zu Kunst und Kultur bisher nur Halbsätze gegeben habe: "Sie müssen uns einen Rettungsschirm aufspannen, der uns sicher und nachhaltig durch diese Krise bringt. Wenn Ihnen Theater, wenn Ihnen Kunst und Kultur irgendetwas wert ist, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören."

Auch Schriftsteller Daniel Kehlmann - er arbeitet an einem Stück zur Coronapandemie für die Josefstadt - fand harte Worte für das kulturpolitische Krisenmanagement: Zwar berufe sich die Politik gern auf die Leistungen der Kulturnation, sagte er in einem Statement, "aber wenn all das von einer weltweiten Katastrophe überrollt wird, ist in der Politik, die sich sehr für Möbelhäuser und Baumärkte interessiert, niemand erreichbar."

Kritik am "derzeitigen Planungsdesaster" übte am Donnerstag auch die IG Autorinnen Autoren. Mitverantwortlich dafür sei die Konstruktion der Zuständigkeitsbereiche in der Regierung: Staatssekretärin Ulrike Lunacek habe keine Stimme in der Regierung und Minister Werner Kogler (beide Grüne) keinen Zugang zum Ressort. Das würde "allein durch eine Neubesetzung nicht besser", zeigte sich Geschäftsführer Gerhard Ruiss überzeugt.

"Das Kunst- und Kulturressort wirkt verwaist, ein planvolles, abgestimmtes Vorgehen besteht nicht einmal in Ausnahmefällen. Entsprechend wenig durchdacht sehen auch die Ergebnisse aus", kritisierte Ruiss. "Der Vizekanzler ist gefordert, seine anderen Rollen hintanzustellen und als Kunst- und Kulturminister in der Regierung in Erscheinung zu treten."

Von den Oppositionsparteien forderten Neos und FPÖ den Rücktritt Lunaceks, die SPÖ versammelte am Donnerstag Kulturschaffende zu einer Protestdebatte.

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