Ob das die Grazer Bevölkerung goutiert hätte? Das Grazer Rathaus mit einer monumentalen, hypertechnoiden Fassade inklusive Schwebebahn und undefinierbaren Riesenrohren? Mit dieser Entwurfscollage reagierten in den frühen 1960-er Jahren drei junge Architekturstudenten - Konrad Frey, Manfred Kowatsch und Peter Thurner - gegen grassierende Pläne, die historische Grazer Rathausfassade abzuschlagen und durch eine neoklassizistische Fassade zu ersetzen.
Der Gegenvorschlag des Trios und die damit verbundene Forderung, die "Verwirklichung der neuen Stadt in Angriff zu nehmen" blieb freilich unrealisiert. Der Entwurf reiht sich damit ein in eine gar nicht so kleine Liste von Projekten, die in der Stadt Graz nicht über das Stadium einer Idee, einer Planung einer Vision hinausgekommen sind. Die Ausstellung "Ungebautes Graz - Architektur für das 20. Jahrhundert" fasst im GrazMuseum nie realisierte Bauprojekte zusammen. In sechs Kapiteln von der Zwischenkriegszeit-Moderne bis zur Selbstdefinition als "Kulturstadt" der 1980-er und -90er Jahre zeigt Gastkuratorin Ingrid Holzschuh, was alles denk- aber letztlich aus unterschiedlichen Gründen noch nicht machbar war.
Wie ein Gebäude in Moskau sieht der Entwurf für das "Warenhochhaus Scheiner" am Grazer Jakominiplatz aus dem Jahr 1932 aus. Adolf Inffeld und Leopold Bauer hatten ein Hochhaus mit bis zu zwölf Geschossen geplant. Die Pläne sollten versiegen, laut Landeskonservator und des "Vereins für Heimatschutz" wäre damit dem Grazer Stadtbild ein "nicht wieder gut zu machender Schaden zugefügt" worden.
In der Nazi-Zeit gab es umfassende Planungen, neben massiven Neugestaltung des Schloßbergareals, einer Universität und Sportanlagen sollten auch ein Aufmarschplatz und eine 75 Meter breite Aufmarschstraße realisiert werden. Im Stadtteil Messendorf wiederum war die für Arbeiter gedachte Trabantenwohnstadt "Graz-Südstadt" geplant.
Alle in der Ausstellung gezeigten Projekte würden viel über die Stadt und die Geschichte erzählen, betont die Kuratorin Holzschuh: "Auch wenn sie Papierarchitektur blieben und heute weitestgehend vergessen sind." Unter dem Titel "Offene Stadt" ist eine 1954 geplante Großgarage auf dem Andreas Hoger Platz zu sehen. Architekt Walther Kordon wollte damit auf den Zuwachs des Individualverkehrs reagieren, das Projekt, das auch eine Servicestation und Autobusbahnhof vorsah, wurde zumindest ansatzweise in den 1960-er Jahren umgesetzt. Ziemlich radikal hört sich das utopische Vorhaben "Vertikale Stadt" der Architekturstudenten Klaus Gartler und Helmut Rieder aus dem Jahr 1964 an: Graz sollte mit Murwasser geflutet werden. Danach wollte man eine 1,5 Kilometer lange vertikale Stadtstruktur für die umzusiedelnden Bewohner schaffen.
Parkhochhaus in der Sackstraße, Hallenbad im Augarten, Trigon Museum im Pfauengarten: Sie alle eint das Schicksal, nicht mehr als ein Luftschloss geworden zu sein. Was auch für das "Kunsthaus im Schloßberg" (1997) gilt. Die "Schachtel" im Gestein war bei einer Volksabstimmung 1988 abgelehnt worden.
Ausstellung: "Ungebautes Graz - Architektur für das 20. Jahrhundert", GrazMuseum, bis 31.1.2021