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Kunst ohne Künstler im Kunsthaus Bregenz

Als Autor von Kunstwerken anonym zu bleiben, hat eine lange Tradition. Anonymität ist eine Möglichkeit, mit Zensur umzugehen, in der aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Bregenz ist sie aber eine freiwillige Entscheidung. Mit "Verweigerung, Infiltration und die Gabe" zwingt eine unbekannte Person - das KUB darf sie oder ihn nicht nennen - alle Beteiligten im Kunstbetrieb zu neuen Perspektiven. Zentral in der Schau ist das Konzept einer Künstlerresidenz, die verschenkt wird.

Anonyme Ausstellung stellt neue Fragen im Kunsthaus Bregenz
Anonyme Ausstellung stellt neue Fragen im Kunsthaus Bregenz

Im obersten Stockwerk des KUB hat die unbekannte Person parasitäre Architektur installiert: Eine 52 Quadratmeter große Wohnung aus neutralem, langlebigem Aluminium, vollständig bewohnbar mit Schlafplatz, Küche, Bad und Tisch. Besucher können sich die Hände waschen, sich setzen, auf der Matratze probeliegen. Seine Ressourcen - Wasser und Strom - bezieht das Haus als Ausstellungsobjekt über das Kunsthaus. Zu sehen ist das im Stock darunter, wo ein Abflussrohr über die Decke führt.

Haus als Unterstützungsmodell für Kunstschaffende

Das Haus sei als Vorschlag für eine flexible, modulare Künstlerresidenz gedacht, so die anonyme Person, die bei der Presseführung via Dolmetscher zugeschaltet war. Was auf den ersten Blick kühl und unpersönlich wirkt, soll eine Einladung sein: Der oder die Unbekannte bietet Nutzern maximalen Gestaltungsfreiraum, er oder sie nimmt sich dabei ganz zurück. "Das Haus kann aktiviert werden", erklärte die Person und schlug vor, dort doch Kaffee zu kochen.

Ein Dach und die Fassade - zehn gedämmte Paneele der Außenhaut sind als Vorschlag für eine Fertigstellung im Stock darunter aufgestellt - werden je nach Klima und Bauordnung am künftigen Standort dazu gefügt. Eine Anleitung für den leicht zu bewerkstelligenden Aufbau des Prototypen der Künstlerresidenz druckt ein Kopierer im Erdgeschoss. Per öffentlicher Ausschreibung wird das KUB das Haus zur künstlerischen Nachnutzung im Rahmen eines Unterstützungsmodells verschenken.

KUB auf ungewohnten Wegen

"Wir sind der richtige Ort für Ungewohntes", so KUB-Direktor Thomas D. Trummer über das "große Wagnis" einer solchen Konzeptausstellung, sowohl für das KUB als auch für die Person. Die Anonymität des Künstlers, der Künstlerin stelle das Team vor große Herausforderungen, etwa in der Werbung, der Vermittlung, bei der Eröffnung oder bei der Presseführung. Die Schau stelle gerade in Zeiten, wo Urheberschaft so überbetont sei - "Jeder schreit im Netz: Ich, ich, ich!"- , aber auch wegen der KI-Nutzung so stark in Diskussion stehe, wichtige Fragen. Zentral sei: "Es ist kein Spiel, es ist kein Rätsel", betonte Trummer.

Person entschied sich für Rückzug aus Ökonomie der Kunst

Auch für die Person bedeute die Anonymität Verzicht, etwa auf Meriten und öffentliche Aufmerksamkeit. "Ich stellte mir die Frage: was passiert, wenn ich nicht auf meine Identität setzen kann?", begründete die Person über ihren Dolmetscher die Entscheidung, anonym zu bleiben. Allerdings falle ihm oder ihr das schwer, denn "für einen Künstler ist es eine große Ehre, im Kunsthaus Bregenz auszustellen, das definiert eine Karriere, würde Möglichkeiten für weitere Ausstellungen eröffnen", so die Person. Bei den Überlegungen sei ihm oder ihr klargeworden, wie sehr die Infrastruktur, in der Kunst entstehe, davon abhänge, woher der oder die Kunstschaffende komme. Falle das weg, fehle eine wichtige Stütze in der Struktur.

Ziel sei es gewesen, das Werk aus den Ökonomien zurückzuziehen, daher auch die verpflichtende Weitergabe des Hauses als Geschenk. Es steht nicht zum Verkauf, darf nicht besessen oder archiviert werden. Kunst könne für sich bestehen und sei nicht an eine Künstlerpersönlichkeit gebunden. Auch ihm oder ihr gebe es Freiheit: "Wenn ich nicht ich bin, kann ich einfach irgendjemand sein", so die Person. Die Last, dass Identität, Nationalität und eigene Geschichte ins Werk eingelesen werden, falle weg. Bei der Arbeit habe er oder sie darum bei Null begonnen: "Es geht darum, nicht so zu sein, wie man normalerweise ist, nicht so zu arbeiten, wie man normalerweise arbeitet."

(S E R V I C E - Ausstellung "Verweigerung, Infiltration und die Gabe" einer namentlich nicht genannten Person, von 11. Oktober bis 18. Jänner, Kunsthaus Bregenz. Eröffnung am 10. Oktober, 17 Uhr, www.kunsthaus-bregenz.at)

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