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Nymphomaniac: Letzter Schrei aus Lust an Entblößung

Charlotte Gainsbourg mag das Risiko der Entblößung. Sie sagt, der Umgang mit Skandalen öffne ihre Seele. Der erste Teil des Films "Nymphomaniac" kommt am Freitag ins Kino.

Nymphomaniac: Letzter Schrei aus Lust an Entblößung
Nymphomaniac: Letzter Schrei aus Lust an Entblößung


Die Eskapaden ihrer Eltern Jane Birkin und Serge Gainsbourg sind legendär. Tochter Charlotte Gainsbourg, Sängerin, Schauspielerin, dreifache Mutter, beschränkt sich mit Skandalen auf die Leinwand: Mit vierzehn Jahren spielte sie mit ihrem Vater ein inzestuöses Liebespaar. Jetzt, mit 43, spielt sie in Lars von Triers skandalträchtigem "Nymph()maniac" eine sexsüchtige Frau. Der erste Teil des Films kommt am Freitag ins Kino. Teil zwei wird im April kommen. Es gibt aber eine Ausnahme: Das Salzburger Filmkulturzentrum zeigt schon morgen, Donnerstag, beide Teile.

Erzählt wird die Geschichte von Joe, gespielt von Charlotte Gainsbourg, die, einer sexversessenen Scheherazade gleich, ihr Leben erzählt. "Nymph()maniac" ist ein komplexer Essay über die Natur von Begehren, Liebe, Erotik und Sucht, ein intellektueller und zugleich sinnlicher Film.

SN: Die meisten Schauspielerinnen halten es nur einen Film lang mit Lars von Trier aus, "Nymph()maniac" ist aber schon Ihr drittes Mal.

Gainsbourg: Sagen wir so: Ich bin sehr willig bei ihm. Als ich ihn 2009 für "Antichrist" traf, litt er an Panikattacken. Ich dachte, er sei immer so schwierig. Bei "Melancholia" zwei Jahre später war er richtig glücklich, ich lernte ihn neu kennen. Dieses Mal war klar: Die Rolle würde besonders schwierig, also war er ganz für mich da. Er weiß jetzt alles über mich, körperlich, und was in meinem Kopf los ist. Umgekehrt ist er für mich immer noch geheimnisvoll und unvorhersehbar. Das mag ich. Ich vertraue ihm. Ich liebe es, wenn ich wie ein Werkzeug benutzt werde, um eine Geschichte zu erzählen.

SN: Wer ist diese Frau, die Sie in "Nymph()maniac" spielen? Sind Sie einander ähnlich?

Gainsbourg: Joe ist davon überzeugt, ein schlechter Mensch zu sein. Ich liebe sie als Figur sehr, aber ich sehe rein gar nichts, wo wir einander ähnlich wären.

Der Zynismus, ihre Dunkelheit, das ist mir fremd. Der Film handelt von Sex, aber vor allem davon, nie genug zu kriegen. Aber ich bin anders, nicht halb so obsessiv und gar nicht wagemutig.

SN: Nicht wagemutig? Immerhin ließen Sie sich für die Sadomaso-Szenen fesseln und schlagen.
Gainsbourg: Ja, das stimmt, und ich bin froh, dass ich es tat. Die Bloßstellung war Teil des Deals hier. Ich habe das auch genossen. Zugleich habe ich mich erniedrigt und bloßgestellt gefühlt.

SN: Hat das wehgetan?

Gainsbourg: Keine Sorge, da wurde keine echte Peitsche verwendet und der Hintern ist auch nicht meiner, sondern der einer anderen Dame. Auch die Vagina, die Sie im Film sehen, ist nicht meine. Einerseits bin ich darüber froh, aber es ist auch seltsam: Eine Vagina ist so unverwechselbar wie ein Gesicht und ich werde untenherum von einer anderen dargestellt. Das stört mich irgendwie.

SN: Ihre Kollegin Stacy Martin, die die junge Joe spielt, hatte in ihrem Vertrag stehen, dass sie eine künstliche Vagina tragen werde und dass es ein Porno-Double für die Sexszenen gebe.

Gainsbourg: Ich brauchte das nicht schriftlich, ich wusste schon von der Arbeit an "Antichrist", dass ich Lars vertrauen kann. Und ich wusste, dass es professionelle Pornodarsteller geben würde für die Sexszenen, das war meine einzige Bedingung. Unterm Strich bin ich aber bei diesem Film weniger nackt als in "Antichrist". Heftig sind natürlich die masochistischen Szenen, das ist eine andere Art der Entblößung.

SN: Nach "Antichrist" sprachen Sie darüber, wie Ihre Kinder mit der öffentlichen Reaktion auf solche Rollen umgehen. Wie ist das dieses Mal?

Gainsbourg: Ich weiß, ich bringe meine Kinder durch meine Arbeit in eine schwierige Lage. Ich habe das ja selbst erlebt: Als ich Kind war, haben meine Eltern "Je t'aime" (1976, Anm.) gedreht. Meine Mutter hat viele Dinge getan, die nicht gesellschaftskonform waren, aber ich hatte nie das Gefühl, dadurch geschädigt zu sein. Gehänselt wurde ich in der Schule sowieso, egal ob meine Eltern irgendetwas Schockierendes taten oder nicht. Bei meinen Kindern ist es genauso. Zugegeben, durch das Internet ist das heute wohl etwas hässlicher, aber ich hoffe, es schadet ihnen nicht zu sehr.

SN: "Nymph()maniac" existiert in zwei Versionen, einer zensierten und einer längeren, die Lars von Trier selbst geschnitten hat. Was halten Sie davon?

Gainsbourg: Ich finde es schade, aber würde es diese gekürzte Version für den Weltvertrieb nicht geben, würde der Film gar nicht existieren können. Letztlich ist es aber deprimierend. Besonders Frankreich hat mich enttäuscht, da wurde sogar der Trailer der soften Version noch mal zensiert. Ich dachte immer, mein Land wäre ein Land der Freiheit, aber da habe ich mich wohl getäuscht.

Nymph()maniac 1, Drama, Dänemark/Frankreich/Belgien/GB 2013. Regie: Lars von Trier. Mit Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgård, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Uma Thurman, Christian Bale, Sophie Kennedy Clark.
Preview: Das Kino in Salzburg zeigt erstmals und einmalig den gesamten Film: morgen, Donnerstag (19 Uhr).

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