Das Große im Kleinen
Neben Josef Hader sind u.a. Verena Altenberger, Susi Stach, Sebastian Bezzel und Johannes Silberschneider zu sehen. Regisseur Matti Geschonneck ("Die Wannseekonferenz") hat den Stoff nach der Romanvorlage "Unruhe um einen Friedfertigen" von Oskar Maria Graf als ungeschöntes Historiendrama inszeniert, das anhand einer Dorfgeschichte den Aufstieg der Nationalsozialisten erzählt und somit das Große im Kleinen zeigt. Im Vorfeld der TV-Premiere sprach die APA mit Hauptdarsteller Hader über den Charakter seiner Figur, Heimatfilme, gesellschaftliche Alarmzeichen und seine Kabarettpläne.
APA: Herr Hader, "Sturm kommt auf " basiert auf dem Roman "Unruhe um einen Friedfertigen" von Oskar Maria Graf. Kannten Sie das Buch vorher?
Josef Hader: Ich kannte das Buch nicht, habe es aber gelesen, weil es noch kein Drehbuch gab, als ich das Angebot bekommen habe, da mitzuspielen. Ich wollte mir aber darüber klar werden, ob ich die Geschichte mag und ob die Figur in meiner schauspielerischen Reichweite ist. Die Antwort war in beiden Fällen: Ja.
APA: Sie spielen den Schuster Julius Kraus. Was ist das für ein Charakter?
Hader: Er ist jedenfalls kein mutiger Mensch. Er ist auch kein - wie es im Buchtitel heißt - Friedfertiger, sondern eher einer, der Angst hat und versucht, nicht aufzufallen, sondern irgendwie durchzukommen. Insofern ist er jemand, der uns allen sehr ähnlich ist und versucht, mit einer gewissen Feigheit zu überleben. Im Lauf der Geschichte wird er allerdings immer mutiger, weil die ganze Welt um ihn herum zusammenbricht und er sich wahrscheinlich denkt: Jetzt ist eh alles schon wurscht.
"Ich bin leider relativ harmoniesüchtig"
APA: Kraus will sich auch in politisch turbulenten Zeiten aus allem raushalten, sich nicht einmischen. Ist Ihnen diese Haltung nahe?
Hader: Das ist eine gefährliche Frage an einen Kabarettisten. Da kann man nur Nein sagen. (lacht) Tatsächlich ist es so, dass ich einerseits gerne vor Publikum stehe und gemocht werden mag. Ich bin leider relativ harmoniesüchtig. Gleichzeitig hatte ich immer - schon als Kind eigentlich - einen großen Trotz. Der Trotz war oft stärker als alles andere. Für meinen Trotz habe ich oft Dinge riskiert, die nicht in meinem Interesse waren. Zwischen diesen beiden Polen bewege ich mich.
APA: Der Film handelt von der zunehmenden Radikalisierung der Gesellschaft in der Zwischenkriegszeit und dem Aufstieg der Nationalsozialisten. Was erzählt uns die Geschichte über unsere Gegenwart?
Hader: Dass es gefährlich werden kann, wenn Menschen anfangen, nicht mehr miteinander zu reden und sich gegenseitig so blöd finden, dass am Ende nur noch Gewalt übrig bleibt und das Gefühl, sich bekämpfen zu müssen. Soweit sind wir nicht, aber ein bisschen in diese Richtung unterwegs sind wir schon.
APA: Wieso sind die Menschen heute so unzufrieden?
Hader: Viele sind unzufrieden, weil ihre Situation tatsächlich schlechter geworden ist in den vergangenen Jahren. Das darf man nicht kleinreden. Bei anderen allerdings frage ich mich auch, warum. Es ist diese seltsame Angst, etwas zu verlieren. Da schimpft man zur Sicherheit gleich einmal, damit die Angst vielleicht weniger wird.
APA: In der Zwischenkriegszeit hat diese Radikalisierung katastrophal geendet. Wie können wir heute da rechtzeitig wieder rauskommen?
Hader: Da weiß ich keine Antwort. Ich war ja im bischöflichen Seminar, da wurden die kleinen Buben zu Priestern erzogen, aber ich bin lieber Kabarettist geworden. Ein Grund waren natürlich die Frauen. (lacht) Der zweite war, dass ich sehr skeptisch bin gegenüber einfachen Lösungen. Insofern kann ich schwer eine Antwort auf diese Frage geben. Aber es hat einen Sinn, solche Filme zu machen und anzuschauen, weil man dadurch einen sinnlichen Eindruck dieser Zeit bekommt und vielleicht doch was lernt für die Gegenwart.
"Aktuelle Heimatfilme schauen oft so aus wie aus den 50ern"
APA: Das Grundthema des Films an sich ist ja nicht neu. Was macht "Sturm kommt auf" anders oder besonders?
Hader: Das Besondere ist der Schauplatz. Die Zwischenkriegs- und Nazizeit wird nicht in der Großstadt, sondern in einem Dorf erzählt. Das hat es natürlich auch schon gegeben. Mir fällt die "Alpensaga" ein. In dieser Tradition steht der Film. Die Heimatfilme, die aktuell im Fernsehen zu sehen sind, schauen ja ein bisschen so aus wie die aus den 50er-Jahren, die ich als Kind am Samstagnachmittag gern geschaut habe. Aber jetzt mag ich lieber Heimatfilme, die die nicht so schönen Seiten einer Zeit schildern.
APA: Was kann man im Dorf besser zeigen als in der Stadt?
Hader: Ein Dorf ist ein Mikrokosmos. Man kann die ganze Gesellschaft wie in einer Laborsituation anschauen. Dort wollen sich die Menschen bloß nicht zerstreiten, weil man ja - anders als in der Stadt - diesen Leuten ständig begegnet und irgendwie miteinander auskommen muss. Ich höre öfter, dass am Land über bestimmte Themen gar nicht mehr geredet wird, damit man sich nicht zerstreiten muss. Das ist ein Alarmzeichen, weil durch das Nichtreden Konflikte nicht verschwinden, sondern größer werden.
Kommunalpolitik als "positives Gegenbeispiel zur Bundesebene"
APA: Die Geschichte des Films ist in Oberbayern angesiedelt. Sie sind in Oberösterreich am Land aufgewachsen. Wie haben Sie die Dorfgemeinschaft damals erlebt?
Hader: Ich bin im Vergleich zur Zwischenkriegszeit in den 60ern und 70ern mit einem ungemein höheren Lebensstandard aufgewachsen. Es war niemand in Not. In der Kommunalpolitik ist das Dorf im Vordergrund gestanden. Man hat gemeinsam versucht, das Richtige für die Ortsgemeinschaft zu tun. Die politischen Schau- und Grabenkämpfe haben eigentlich nicht stattgefunden. Es ist ja auch heute noch so, dass die Kommunalpolitik oft ein positives Gegenbeispiel zur Bundesebene ist.
Neues Kabarettprogramm in zwei Jahren
APA: Neben Ihren Filmarbeiten sind Sie seit vier Jahren mit Ihrem aktuellen Kabarettstück "Hader on Ice" unterwegs. Arbeiten Sie schon an einem Nachfolgeprogramm?
Hader: Ja, in ungefähr zwei Jahren möchte ich ein neues machen.
APA: Das ist für Ihre Verhältnisse recht schnell ...
Hader: Stimmt. Ich habe irgendwann beschlossen, dass ich nicht mit dem Rollator auf die Bühne kommen will. Insofern sollte ich mich ein bisschen beeilen. (lacht)
APA: Worum wird es gehen?
Hader: Es ist noch gar nichts spruchreif. Das ist bei mir mit Vorsicht zu genießen. Die Ideen, die ich zwei Jahre vorher habe, werden's dann meistens eh nicht.
(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)