Die Märchenkinder sind erwachsen geworden: Im Horror-Klamauk "Hänsel und Gretel - Hexenjäger" gehen die Grimm’schen Geschwister (Jeremy Renner, Gemma Arterton) im Kino mit hochmoderner Feuergewalt auf Hexenjagd. "Ein Heidenspaß!", sagt Jeremy Renner - einst für "The Hurt Locker" und "The Town" für den Oscar nominiert.
SN: Derzeit gibt’s überall Märchen im Kino und im Fernsehen: Gleich zwei Schneewittchen-Filme voriges Jahr, neue TV-Serien, Hänsel und Gretel. Woher kommt das?
Renner: Oh ja, es gibt immer so seltsame Trends in Hollywood. Warum wurden zugleich zwei
J.-Edgar-Hoover-Filme produziert, warum kommen zwei Hitchcock-Filme, warum passieren solche Parallelitäten? Aber bei den Märchen wundert es mich eher, dass das nicht schon längst passiert ist. Diesen alten Motiven eine neue Richtung zu verpassen, ist doch eine coole Sache.
SN: Viele dieser Märchen sind ziemlich düster. Haben Sie die als Kind vorgelesen bekommen?
Renner: Ja, doch. Ich kann mich zwar nicht erinnern, ob ich das als Kind auch so düster empfand, aber Sie haben recht. Das Absurde ist, dass "märchenhaft" heute bedeutet, dass etwas total klischeehaft harmonisch und schön ist - dabei sind viele Märchen genau das Gegenteil: Die sind verstörend und handeln oft von den grausamsten Dingen, die man sich nur vorstellen kann. Wenn sich die Leute "Hänsel & Gretel - Hexenjäger" ansehen, irritiert das vielleicht manche, dabei ist das gar nicht so fern von der Stimmung des ursprünglichen Märchens. Da sind diese beiden Kinder, die allein in den Wald geschickt wurden, damit sie dort sterben. Ihre Mutter wurde beschuldigt, eine Hexe zu sein, und wurde verbrannt, und der Vater stirbt. Und die Kinder finden im Wald ein Haus aus Süßigkeiten, die Hexe versucht, sie zu mästen, um sie später zu fressen, und dann bringen sie die Hexe um. Ende.
SN: Ihre Version ist blutiger als
das Original!
Renner: So ungefähr war es doch, oder nicht? Und wir erzählen fünfzehn Jahre später weiter: Da hat sich bei den beiden einiges an Groll aufgestaut gegen Hexen und so werden sie eben Kopfgeldjäger und legen im ganzen Land die Hexen um. Das ist voll schwarzen Humors. Klingt doch nach Heidenspaß!
SN: Seit "The Hurt Locker" vor zwei Jahren haben Sie einen Senkrechtstart hingelegt - unter anderem mit zwei Oscar-Nominierungen und großen Rollen in den "Mission: Impossible"- und "Bourne"-Filmreihen. Davor
war aber eine lange Durststrecke.
Renner: Ja, mit Mitte 20 konnte ich mir oft nichts zum Essen kaufen und hatte monatelang keinen Strom. Aber ich wollte unbedingt Schauspieler werden, deswegen nahm ich das in Kauf. Später habe ich begonnen, im Immobiliengeschäft zu arbeiten, und ich mache das immer noch nebenher: Ich kaufe Häuser, renoviere sie und verkaufe sie dann. Als ich damit begonnen habe, war das eine gute Möglichkeit, um mir genug Geld zu verdienen, sodass ich nicht aus Verzweiflung Rollen annehmen musste. Ich wollte nie aus Geldnot spielen.
SN: Sie sind also einer, der gern anpackt.
Renner: Nun, unsere Projekte sind mittlerweile viel zu groß, um noch überall selbst anzupacken. Ich überwache das Design und vor allem den Zeitplan, und für mich ist das auch eine kreative Erfahrung. In den letzten zwölf Jahren haben wir fünfzehn Häuser auf die Weise hergerichtet, alles Hollywood-Villen mit interessanter Architektur.
SN: Was Sie da erzählen, klingt nach der besten Vorbereitung dafür, eines Tages ins Produzentengeschäft einzusteigen.
Renner: Ja, durchaus, Häuser zu bauen hat sehr viel gemeinsam damit, Filme zu produzieren. Und weil mich das so interessiert, habe ich vor Kurzem mit Freunden eine Produktionsfirma gegründet, um genau die Art von Kino zu machen, die wir selbst sehen wollen.
Eines unserer Projekte ist ein Film über Steve McQueen. Und dann planen wir einen "Slingshot", das ist die unglaubliche Lebensgeschichte von Bill Caswell, dem Rallyefahrer. Ich glaube, das wird toll, so etwas wie "The Hurt Locker" auf vier Rädern.