Für seinen Coming-of-Age-Roman "Echtzeitalter" bekam der österreichische Schriftsteller Tonio Schachinger am Montag den Deutschen Buchpreis. Auch sein erster Roman "Nicht wie ihr" stand schon auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. Es geht in "Echtzeitalter" um die Geschichte des Wiener Gymnasiasten Till, um den Zerfall der Familie, um Freundschaften, die erste Liebe und den diabolischen Klassenlehrer. Dem in Wien lebenden Tonio Schachinger, der 1992 in Indien geboren wurde, "gelingt das Kunststück, als Coming-of-Age-Roman ebenso einfühlsam wie dezent zu sein", urteilt die Jury des Buchpreises. "Stilistisch brillant, aber nie aufdringlich."
Jeder, der den Roman liest, kann danach vermutlich viel besser die eigenen Kinder, seine Neffen, Nichten oder die Nachbarskinder verstehen, die permanent im Netz zocken. Denn die Welt des Protagonisten Till spielt sich in zwei Welten ab, Schachinger beschreibt das sehr präzise und so, dass man sich in Till hineinfühlen und ihn verstehen kann. Der Schüler geht auf ein Wiener Internat. Es ist ein Kampf um sozialen Status. Und dort herrscht Drill. Da sind das Nachsitzen und die permanente Angst, sich einen Fehltritt zu erlauben. Schachinger schreibt das ganz fein auf, gespickt mit viel Ironie.
Tonio Schachinger zeichnet auf den 365 Seiten auch die brutale Hierarchie nach, die in Klassenverbänden herrschen kann.
Zwischen Traditionen, Autoritäten, Ausbruchswillen und Gefühle streut Schachinger in Unterrichtsszenen die Welt der klassischen Literatur ein und umhüllt das Ganze zudem mit der altehrwürdigen Internatsszenerie. Und es finden sich so schöne Sätze wie: "Wien zieht Sonderlinge an." Zu Hause ist der eher zurückhaltende Till entspannt, wenn er sich stundenlang bis tief in die Nacht auf Spiele konzentrieren kann. Auf einem Ranking steht er ganz weit oben. Er ist bekannt in der Gamerszene. Wenn sich beide Welten von Till kreuzen, sind das eigentlich die besten Szenen im Buch. Seine Mutter ist etwa überglücklich, dass sich ihr Sohn für Architektur zu interessieren scheint, als er sich ein Buch aus dem Hausbestand fischt und in sein Zimmer mitnimmt. Die Wahrheit: Das Buch eignet sich gut als Unterlage für seinen Laptop.