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Dornhelm gab Köhlmeier für Buchprojekt "eine Carte blanche"

Zwei alte Freunde treffen einander regelmäßig und plaudern. Wenn die beiden so leidenschaftliche Geschichtenerzähler sind und so prominente Namen tragen wie Michael Köhlmeier und Robert Dornhelm, wird daraus fast zwangsläufig ein Buch. Nun liegt es vor. "Dornhelm - Roman einer Biografie" heißt das Werk, für das sich der Autor und der Filmemacher 13 Mal zum Gespräch getroffen haben. "Er hat von mir eine Carte blanche" gehabt, so Dornhelm über Köhlmeier im APA-Doppelinterview.

Robert Dornhelm und Michael Köhlmeier im Dialog
Robert Dornhelm und Michael Köhlmeier im Dialog

Die Freundschaft zwischen "Micki" und "Robert" begann vor über 40 Jahren, als Köhlmeier über Vermittlung von Harald Kloser zur Entwicklung eines Drehbuchs nach Los Angeles eingeflogen wurde. "In einer gemieteten Wohnung in West Hollywood bin ich dann mit meiner Reiseschreibmaschine gesessen." - "Es war die wahre Geschichte eines türkischen Mannes, der in Vorarlberg im Gefängnis gesessen ist, nicht deutsch konnte und beschuldigt wurde, eine alte Dame umgebracht zu haben. Mit dem Film sollte ihm Gerechtigkeit widerfahren", erinnert sich Dornhelm. "Aber ich hab gesagt: Lass uns doch lieber einen Anwalt für ihn suchen, der ihm helfen kann, und eine eigene Geschichte erfinden. So hat unsere Beziehung begonnen."

"Robert ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler"

Geschichten haben die beiden seither nie losgelassen, versichert Köhlmeier. "Robert ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler, der die Gabe hat, alles, was vergangen ist, in die Gegenwart zu ziehen. Ich war von Anfang an fasziniert, wie sich in einem persönlichen Schicksal so viel vom Schicksal der Welt widerspiegelt. Seitdem wir uns kennen, war ich süchtig nach seinen Geschichten." - "Danke für das große Kompliment. Ich seh es genau umgekehrt: Ich bin von Deinen Geschichten begeistert!", gibt Dornhelm zurück.

Die Geschichten, die nun im Buch in Dialogform wiedergegeben werden, erzählen vom Aufwachsen Dornhelms als 1947 in Temesvar geborener Sohn eines reichen Klassenfeinds im kommunistischen Rumänien bis zu seiner Arbeit mit den größten Hollywoodstars. Allerdings heißt es auch an einer Stelle: "Der Mensch ist auch, was er sich ausdenkt." Da liegt die Frage nahe: Ist alles wahr, was da zu lesen ist? "Diese Frage darf man einem Dichter nicht stellen", entgegnet Köhlmeier. Es gebe schon in der Bibel eine äußere Art des Findens ("Heute würde man Recherche dazu sagen.") und eine innere, die man Erfinden nennen könne. "Ich habe mich in der Robert-Figur wiedergefunden", schmunzelt Dornhelm und zeigt sich beglückt über die Art und Weise, wie sein Freund ihn zur literarischen Figur gemacht hat. "Manchmal erkenne ich Micki allerdings in der Sprache wieder, die er mir in den Mund legt." Auch, dass er dabei gelegentlich als wandelndes Filmlexikon rüberkommt, schmeichelt ihm. "Micki weiß viel mehr über Filme als ich. Ich bin mehr Gärtner und Fischer als Filmexperte. Ich habe zwar mit vielen Filmlegenden gearbeitet - aber Micki hat viel mehr über sie gewusst."

Von Grace Kelly bis Harvey Keitel

Das Buch beginnt zwar mit Grace Kelly, die den Erzähltext zu Dornhelms erstem Film "Die Kinder der Theaterstraße", der 1977 für den Oscar nominiert wurde, einsprach, und enthält auch einige Anekdoten, die seine enge Freundschaft mit dem Star, der zur Fürstin von Monaco wurde, belegt, hält ansonsten aber das Namedropping in Grenzen. Dafür gibt es jede Menge guter Geschichten, etwa eine so unheimliche wie komische Nacht, die der Regisseur mit dem ungarischen Literaten Peter Esterhazy am Wiener Donaukanal verbrachte. "Die meisten Geschichten hab ich schon gekannt", gibt Köhlmeier zu. Deswegen habe er sich auch die Freiheit der Bearbeitung genommen und nur zur Kontrolle auf die Mitschnitte der Gespräche zurückgegriffen. Dass dabei eine Art Hommage an die Erzählsituation im "Decamerone" entstanden sei, sei ihm erst später aufgefallen. "Auch dass es im Dialog erzählt wird, ist nicht von vornherein festgestanden. Aber ich finde, es ist eine sehr treibende Form, eine Form, die sehr in die Person hineingeht. Ich brauche ihn dabei nicht extra charakterisieren. Wie in einem Theaterstück: Was er sagt, das ist er."

Viel erfährt man über Dornhelms Kindheit, die Liebe zu seiner schönen Mutter und zu seinem Bruder Peter, wenig über den abwesenden, weil als Kapitalist eingesperrten Vater. Erst am zehnten Tag kommt die Rede auf die Ausreise der Familie, bei der alle Besitztümer zurückgelassen werden mussten, der Vater jedoch einen Diamantring verschluckte, um ihn in den Westen zu schmuggeln. Über den geliebten Großvater, Sprössling einer der reichsten rumänischen Familien, habe er immer schon einen Film drehen wollen, erzählt Dornhelm in dem Buch. Warum ist daraus nichts geworden? "Wir haben schon an einem Projekt über meine Familiengeschichte gearbeitet, dann ist uns 'Requiem für Dominic' in die Quere gekommen." Der 1990 in Temesvar gedrehte Film über die Rumänische Revolution war die erste konkret gewordene Zusammenarbeit des Regisseurs mit Köhlmeier als Drehbuchautor. Einige Jahre später folgte "Der Unfisch".

Haus in Malibu ist abgebrannt

"Dornhelm - Roman einer Biografie" endet mit einem privaten Konzert von Leonard Bernstein in dessen New Yorker Wohnung. Es hätte einen viel spektakuläreren Schluss gegeben, berichtet Dornhelm und sucht auf einem seiner beiden Smartphones ein Foto, bei dem er und Harvey Keitel in seinem Haus in Malibu strahlend das Manuskript des Buches in die Kamera halten. Wenige Tage später sei das Haus komplett abgebrannt. "Nur das Schwimmbecken steht noch. Alles flach. Das Haus gibt's nicht mehr. Und die Versicherung zahlt nichts. 35.000 Familien sind vier Monate vor dem Feuer von ihr gekündigt worden." Dennoch wirkt Robert Dornhelm abgeklärt und gelassen. "Das liegt auch daran, dass mir das vor 32 Jahren bereits einmal passiert ist."

Den Film über seinen Großvater hat er nicht endgültig aufgegeben, doch die Filmfördersituation sei derzeit katastrophal, sagt der Regisseur. Das heißt, es wird auch kein Gegenstück des Buches geben, kein "Köhlmeier. Film einer Biografie"? "Ich habe keine so aufregende Biografie wie der Robert", wehrt Michael Köhlmeier schmunzelnd ab. Unter dem Titel "Mein privates Glück!" habe er aber im Frühjahr doch "Die Lebensgeschichte meiner Eltern" in vier Folgen der Ö1-"Radiogeschichten" erzählt? "Stimmt. Das kommt nächstes Jahr im Herbst als Buch." Vorher kommt aber noch eine Neuigkeit aus Frankfurt. Dort wird am Dienstag die Shortlist für den am 13. Oktober zu vergebenen Deutschen Buchpreis bekanntgeben. Mit seinem Roman "Die Verdorbenen" steht Michael Köhlmeier auf der Longlist.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Michael Köhlmeier: "Dornhelm. Roman einer Biografie", Zsolnay Verlag, 284 Seiten, 26,80 Euro)

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