Ein bisschen müde wirkt Bruce Springsteen, vermutlich vom Jetlag, als er an einem Samstagmorgen im Privatkino eines luxuriösen Londoner Hotels die Bühne betritt. "Herzlich willkommen, Freunde des frühmorgendlichen Films", ruft der "Boss" unter dem Jubel des Publikums, das aus Journalisten, Mitarbeitern seiner Plattenfirma und ein paar britischen Promis besteht.
Der 70-Jährige ist gekommen, um seinen Film "Western Stars" vorzustellen. Ab Montag (28. 10.) ist er in den Kinos zu sehen.
"Wenn ich Songs schreibe, dann gehe ich das an wie einen Film", erzählt Springsteen nach der Vorführung in London. So habe er das bei seinen Alben "Nebraska", "The Ghost of Tom Joad" oder "Devils & Dust" gemacht. "Das sind meine Kurzgeschichten-Platten, und die sind im Prinzip meine kleinen Filme, für die ich vorher ein Drehbuch schreibe. Deshalb erzeugen meine Songs eine visuelle Landschaft."
Springsteens Album "Western Stars" erschien im Juni. Es ist vom Songwriter-Pop der 60er- und 70er-Jahre inspiriert - von Glen Campbell, Jimmy Webb oder Burt Bacharach. Und es klingt mit seinen Orchester-Arrangements schon filmisch, fast wie ein Soundtrack.
"Mir war klar, dass ich nicht damit auf Tour gehen und ein Orchester mitbringen würde", sagt Springsteen. "Da habe ich mir gedacht, wir könnten es vielleicht einmal live spielen und filmen, damit die Leute die Chance haben, zu erleben, wie es live klingt." Gesagt, getan. In einer restaurierten alten Scheune auf seinem Grundstück in New Jersey spielte Springsteen das Album vor kleinem Publikum.
Der fast private Auftritt steht im krassen Gegensatz zu seinen riesigen Stadionkonzerten. Und das, obwohl Springsteen den einmaligen Gig mit ihm unbekannten Musikern spielte. "Die Band war startklar, als ich reinkam", sagt er nüchtern. "Ich habe sie vorher nie gesehen und auch seitdem nicht mehr." Einzige Ausnahme: Sängerin und Gitarristin Patti Scialfa, mit der Springsteen seit rund 30 Jahren verheiratet ist.
Zwischen den Konzertaufnahmen zeigt Regisseur Thom Zimny Bilder, die an die aufwendigen Marlboro-Werbespots der 80er- und 90er-Jahre erinnern. Anstelle des Cowboys, der durch die Natur reitet, fährt Springsteen mit dem Truck über sandige Straßen.
Im Film gibt sich der "Boss" nachdenklich, philosophiert aus dem Off. "Autos waren für mich immer eine Metapher", sagt er. "Vor 40 Jahren standen sie für Freiheit - heute nicht mehr so sehr, allenfalls noch als Metapher für Bewegung. Aber bewegen wir uns vorwärts? Die meiste Zeit bewegen wir uns nur."
"Western Stars" ist Konzertmitschnitt, musikalisches Roadmovie - und irgendwie auch der Film zum Soundtrack. Im Anschluss an die 13 Albumtracks, deren Liveversionen als "Western Stars - Songs from the Film" nun parallel auf CD erscheinen, spielt Springsteen übrigens eine charmante Zugabe. Er covert den Country-Hit "Rhinestone Cowboy", den Glen Campbell 1975 berühmt machte - "ein kleiner Gruß an meine Inspiration für die Platte und den Film".