SN.AT / Kultur / Musik

Charles Aznavour - eine große Stimme verstummt

Charles Aznavour ist im Alter von 94 Jahren in Südfrankreich gestorben. Mit mehr als 1300 Liedern hat der Sänger und Entertainer die Chansonwelt geprägt wie kaum ein anderer.

Charles Aznavour bei einem Auftritt im Vorjahr.
Charles Aznavour bei einem Auftritt im Vorjahr.

Die Beziehung zwischen Charles Aznavour und seinen Fans war einfach zu beschreiben. "Ich liebe mein Publikum. Und mein Publikum liebt mich", sagte der Entertainer noch Ende des Vorjahres in einem Interview, in dem er über seine bevorstehende Europatour sprach. 93 Jahre war er zu diesem Zeitpunkt alt. Und seine eigentliche Abschiedstour, mit der er sich 2006 eigentlich von der Bühne hatte verabschieden wollen, lag schon wieder mehr als ein Jahrzehnt hinter ihm, aber Charles Aznavour sang weiter. Auf den rauen Charme seiner Stimme wollte das Publikum ebenso wenig verzichten, wie Aznavour auf sein Publikum verzichten wollte. Auch in der Wiener Stadthalle stand der Chansonnier im Dezember 2017 noch einmal auf der Bühne. Diesmal sollte es eine Abschiedstournee bleiben: In der Nacht auf Montag ist Charles Aznavour in seinem Haus in Südfrankreich gestorben.

Zeitweise hatten nicht einmal Elvis und Bob Dylan gegen die Strahlkraft des französisch-armenischen Chansonniers eine Chance: Als "Entertainer des Jahrhunderts" wurde er 1998 vom Nachrichtensender CNN und dem Magazin "Time Online" gewählt. Als "französischer Frank Sinatra" wurde er immer wieder bezeichnet. Für die Entdeckung seiner Stimme allerdings zeichnete Edith Piaf verantwortlich.

Als Sohn eines Künstlerpaares aus Armenien, das vor dem Völkermord 1915 geflohen war, kam Aznavour im Jahr 1924 als Schahnur Waghinak Asnawurjan zur Welt. Weil es in der Musikmetropole Paris Verlockenderes gab als die Schule, stand er schon als Neunjähriger auf der Bühne. Bis zum großen Durchbruch als Sänger sollte es allerdings noch eine ganze Weile dauern.

Als "Zwerg mit Krächzstimme" wurde der 1,61 Meter große Künstler in seiner Anfangszeit als Sänger von Kritikern verrissen - bis er allen das Gegenteil bewies: Mehr als 1300 Chansons hat Charles Aznavour komponiert und weltweit mehr als 180 Millionen Platten verkauft. Prägend für seine Karriere wurde die Begegnung mit Edith Piaf, die ihn 1946 entdeckte und auf Tournee durch Frankreich und die USA mitnahm. Er komponierte für sie. Als sich ihre Wege trennten, begannen bald seine solistischen Erfolge. Mit seinem Auftritt im "L'Olympia" im Jahr 1956, dem Epizentrum des Chansons, gewann er das Großstadt-Publikum. Danach füllte er die Konzertsäle in Deutschland, England, Russland und Amerika. Als Entertainer, der in mehreren Sprachen sang, hatte er mit Liedern wie "La Boheme", "Du lässt Dich geh'n" oder "Yesterday when I was young" Welterfolge.

Als Schauspieler spielte er zudem in mehr als 60 Filmen mit, etwa in Volker Schlöndorffs Verfilmung des Romans "Die Blechtrommel" von Günter Grass. In Hollywood wurde er im Vorjahr mit einem Stern auf dem "Walk of Fame" geehrt.

Sein Engagement im Kampf um die internationale Anerkennung der Gräueltaten an den Armeniern als Völkermord brachte ihm auch politische Ämter und Ehren ein. Von Kriegskindern und von Armenien sang er in seinen Songs immer wieder. In Armenien wurde er dafür verehrt. Sogar ein Museum wurde in Eriwan nach ihm benannt. Vom Präsidenten der Kaukasusrepublik wurde er zum "Sonderbotschafter für humanitäre Aktionen" ernannt, von der Weltkulturorganisation UNESCO zum Sonderbotschafter für Armenien, und auch bei der UNICEF und der UNO vertrat er die Interessen seines Landes. 2009 wurde er noch armenischer Botschafter in der Schweiz. Nach Ärger mit dem französischen Finanzamt in den 1970er-Jahren hatte er sich mit seiner Frau in der Nähe von Lausanne am Genfer See niedergelassen. Er war drei Mal verheiratet und Vater von sechs Kindern.

Frankreichs Präsident Macron zeigte sich via Twitter betroffen von der Todesnachricht: Doch Aznavours "Meisterwerke, seine Klangfarbe, seine einzigartige Ausstrahlung" würden lange in Erinnerung bleiben.

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.