Die (vor)österliche Zeit ist Passionszeit. Mit Vertonungen des Leidens und Sterbens Christi nach dem Matthäus- und Johannesevangelium sind zwei Meisterwerke von Johann Sebastian Bach Stammgäste in Konzertsälen und Kirchen. Problematischer verhält es sich mit der Markuspassion, von der nur das Textbuch vorhanden ist.
"Eine Rekonstruktion ist immer heikel", sagt Gordon Safari. Der Salzburger Diözesankantor beauftragte den Komponisten Jakob Gruchmann, dem Text zuordenbare Originalwerke Bachs - darunter die Trauerode BW 198 - mit neuer Musik zu ergänzen. Das Experiment fügt sich in die offene Kunstauffassung von Safaris BachWerkVokal ein: Das junge Ensemble verbindet regelmäßig historisch informierte Aufführungspraxis mit Musik unserer Zeit.
Gruchmanns Komposition weist von Beginn an markante dramatische Qualität auf, wie sich bei einem Probenbesuch in der Kollegienkirche zeigte: Während die Musiker eintreten, ertönen zu Trommelsalven beklemmende Schmerzensschreie. Es braucht keine Szene, um das Bild von der Kreuzigung Jesu vor Augen zu haben. "Ich habe den Raum mit seinen Balkonen in die Musik einbezogen", erläutert Jakob Gruchmann. Immer wieder ertönen verstörende Zischlaute, expressive Orgelcluster oder reibungskräftige Bläserakzente aus den vier Emporen. Die Aufführung erzielt dadurch mehrdimensionale Raumwirkung. Auch der Vokalklang wird raffiniert eingesetzt, als zuspitzendes Element splittet sich der achtköpfige, szenisch geführte Chor in mikrotonale Einzelstimmen auf.
Als spannungsgeladenes Musiktheater ist die Passionsgeschichte in Salzburg neu zu entdecken. Heute, Mittwoch, und am Karfreitag wird die "Markuspassion neu" aufgeführt - mit freiem Eintritt als zusätzlichem Anreiz.
Konzert: Markuspassion von Johann Sebastian Bach, ergänzt von Jakob Gruchmann. Salzburg, Kollegienkirche, 13. April, 18 Uhr; 15. April, 15 Uhr.