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Pauls Jets feiern auf "Morgen sind wir Fantasy" die Schwäche

Ab 2019 haben Pauls Jets binnen vier Jahren drei Alben herausgebracht. Die Begeisterung im Feuilleton war groß, viele Konzerte standen am Tourplan, der Sprung nach Deutschland war geschafft. Es lief gut für die Band aus Wien - und dann hörte man plötzlich nichts mehr von ihr. Nun melden sich die Jets mit "Morgen sind wir Fantasy" zurück - mit reduzierter Instrumentierung, viel "Heartbreak", wie es Sänger Paul Buschnegg im APA-Gespräch nennt, und einem Song über Harry Potter.

Paul Buschnegg (r.) und seine Jets präsentieren ihre neuen Songs ab Ende Oktober
Paul Buschnegg (r.) und seine Jets präsentieren ihre neuen Songs ab Ende Oktober

Die Jets gründeten sich als Trio - neben Buschnegg waren Bassistin Romy Jakovcic und Drummer Xavier Plus mit an Bord. Später kam noch Keyboarder Kilian Hanappi dazu. Das bis dato letzte Album "Jazzfest" erschien vor drei Jahren. Bis auf vereinzelte Auftritte und den 2023 veröffentlichten Song "Anything goes" machte sich die Gruppe danach aber sehr rar. "Kilian, der sehr wichtig war für 'Jazzfest', ist für ein Jahr nach Brasilien gegangen", nennt Buschnegg im APA-Gespräch einen Grund für die kreative Pause.

"Außerdem haben wir alle begonnen, unsere Fühler auch in andere Richtungen auszustrecken. Es gibt so viele spannende Sachen, die man machen kann", meint der Band-Mastermind: "Die Vorstellung, immer nur Musik zu machen, ist weniger geworden." Aber dann hat man doch wieder neues Material in Angriff genommen, wobei das zwischenzeitliche Quartett zuletzt wieder zum Trio geschrumpft ist. Schlagzeuger Plus ist ausgestiegen - freundschaftlich, wie Buschnegg, der heuer mit der Musikerin Verifiziert das Wiener Popfest kuratiert hat, betont.

Ein Tränensmiley aus Ton als emotionaler Kompass

Wohin die emotionale Stoßrichtung auf der ganze 15 Songs umfassenden Platte geht, darüber lässt schon das Cover keinen Zweifel. Ein grob modelliertes Tränensmiley ist da zu sehen. "Kilian kam plötzlich mit zehn Kilo Ton aus Berlin und dann haben wir bei mir in der Wohnung herumexperimentiert - ein Keyboard und alles Mögliche in Ton gepresst. Am Ende wurde es dieses Emoji", erzählt Buschnegg. Und dieses stellt auch einen Bezug zum Opener "Pompeji" her - einer anschmiegsamen Synthiepop-Weltuntergangsfantasie, in der alles einstürzt, die Menschen "eine vergangene Spezies" sind und "die Geschichte endet". Ein digitales Zeichen aus Ton als Überbleibsel einer Zivilisation, die in Schutt und Asche liegt, das sei irgendwie die Idee gewesen.

Schwäche, Heartbreak und ein rekordverdächtiger Songtitel

Überhaupt habe es am Anfang die Überlegung gegeben, eine Art Konzeptalbum über den Klimawandel und die Welt am Abgrund zu machen, weil es eigentlich "so wenig coole Lieder darüber" gebe. "Aber im Endeffekt sind wir daran gescheitert. Es gibt zwar 'Pompeji', aber in den anderen Stücken geht es mehr um persönliche Krisen. Aber ich glaube, das kommt einfach raus, wenn ich Musik mache. Wenn man mich allein in ein Zimmer setzt und sagt, schreib ein Lied, mit dem du zufrieden bist und das du nicht peinlich findest, dann werden die meistens düster und traurig." Außerdem gebe es gerade so viel Musik, die Lust machen wolle, Drogen zu nehmen, Autos zu kaufen, sich teuer einzukleiden. "Es gibt einen totalen Boom an Kapitalismus-Musik. Ich liebe das auch, aber ich mache eine Musik, die das Gegenteil propagiert: Schwäche, Heartbreak, Wieder mit der Ex schmusen wollen - solche Sachen", analysiert der Endzwanziger. Liebeskummer, Melancholie, Verzagtheit haben also reichlich Platz auf "Morgen sind wir Fantasy". "Kiss Me In The Morning", "I didn't Make It" oder "Feel zu Feel" sind die passenden Überschriften dazu. Und natürlich der rekordverdächtig ausufernde Songtitel: "Ich habe Angst so ohne dich kann ich nicht leben oder kann ich doch ich glaub schon aber schön ists nicht".

Aber weil Buschnegg - anders als zu Anfangszeiten der Jets - das Songwriting nicht mehr alleine besorgt, ist die thematische Ausbeute dann doch etwas breiter. "Wenn ich mit anderen Musik schreibe, entstehen oft auch lustige Sachen." Da gibt es etwa den Herumblödel-Dialog "Wir hatten Fun", das etwas dadaistische "If I Was A Human", die Hip-Hop-Spaßmacherei "Smash" oder die recht explizit politische Schlussnummer "Blau" - entstanden unter dem Eindruck des fulminanten FPÖ-Wahlsiegs im Vorjahr.

Und dann ist da noch ein Song namens "Harry Potter" - freilich auch nicht ganz unpassend zu einem Album, das "Fantasy" im Titel hat. Besungen wird ein utopischer Gegenentwurf zu einer mehr als zerrütteten Welt und "gegen Euren Krieg". "Du bist ein Zauberer, Baby", schwärmt Buschnegg im Song. "Ich bin halt aufgewachsen mit Harry Potter", erklärt der Sänger, Jahrgang 1996. "Ich weiß nicht, ob Fantasy eine valide Strategie gegen Krieg ist", aber nur in einer gut funktionierenden Welt würden viele Leute Fantasy oder "doofe lustige Kunst" machen. "In der Welt, in der wir gerade leben, ist das irgendwie schwer möglich, weil man sich ständig fragt, ob die Energie nicht woanders sinnvoller eingesetzt wäre." Mit dem Zauberlehrling kann sich der Pauls-Jets-Sänger jedenfalls durchaus identifizieren: "Harry Potter ist der Inbegriff des Indieboy. Das sind die mit den ganzen Psychosen, die sofort beleidigt und traurig sind und irgendwann aufwachen und glauben, sie sind etwas ganz Besonderes", schmunzelt Buschnegg.

Abschied vom "kommerziellen Projekt"

Musikalisch liefert die Band einmal mehr Softie-Pop mit wohligen bis schiefen Melodien und klanglichen Anleihen von New Wave über Chanson bis Rock. Auffällig gern wird diesmal mit Retro-Synthiesound gespielt und die Drum Machine ist im Dauereinsatz - was nicht nur mit dem Abschied von Schlagzeuger Plus zu tun hat. Denn mit der Entscheidung, wieder ein Album machen zu wollen, habe man sich zugleich von der Idee verabschiedet, "ein kommerzielles Projekt zu betreiben" - also Geld mit der Kunst verdienen zu wollen. Damit war man sich aber auch einig, die Sache künftig ohne Druck und mit so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich anzugehen. "Zum Beispiel hassen wir Autofahren. Wir können's nicht gut und es ist saugefährlich, immer verkatert im Auto zu sitzen." Also will das Trio künftig nur noch mit dem Zug zu den Konzerten fahren, was natürlich auch in Sachen Gepäck eine Limitierung bedeutet - auch bei den Instrumenten. Handliche Drum Machine statt wuchtiges Schlagzeug, ist da nur die logische Konsequenz. Damit das Live-Set zur Platte passt, habe man auch so aufgenommen. "Das war der Ausgangspunkt für den Sound des Albums."

Wie das selbstauferlegte Klangkorsett vor Publikum funktioniert, wird sich bei der kleinen Tour herausstellen, die am 30. Oktober in der Arge Kultur Salzburg beginnt und die Jets dann neben Wien (1. November, Flucc) und Linz (13. Dezember, Stadtwerkstatt) auch in einige deutsche Städte wie Berlin, Hamburg, Karlsruhe und München führt. Wie es mittelfristig mit seiner Band weitergeht, weiß Paul Buschnegg noch nicht so ganz. "Es wird vielleicht so ein On/Off-Ding werden." Eines weiß er aber fix: "Es geht jetzt alles langsamer."

(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)

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