SN.AT / Kultur / Musik

Tenor Michael Schade versteht sich als "Kultur-Mitdenkender"

Im Jänner hat er seinen 60. Geburtstag begangen: Kammersänger Michael Schade, Tenor von Weltrang, Professor an der Musikuniversität Wien (mdw) und seit 2014 künstlerischer Leiter der Internationalen Barocktage Stift Melk, fühlt sich "wahnsinnig fit, auch stimmlich", und "voll Elan". Das vermittelt er auch im APA-Gespräch, bei dem es um das Programm der Barocktage zu Pfingsten von 6. bis 9. Juni geht, aber ebenso um Projekte, Sichtweisen, Erinnerungen und Vorhaben.

Für Schade jagt bei den Barocktagen ein Highlight das andere
Für Schade jagt bei den Barocktagen ein Highlight das andere

Woher nimmt Schade denn die Energie für all seine Tätigkeiten als Sänger, Lehrer, Intendant und zwischen Österreich und Kanada pendelnder Familienmensch? "Ich habe das unbeschreibliche Glück, meinem Hobby beruflich nachgehen zu können. Wäre ich nicht als Opernsänger erfolgreich geworden, wäre ich trotzdem ein leidenschaftlicher Sänger. Und ich finde, wenn man eine Berufung dieser Art hat, kommt das auch einer Verantwortung gleich. Das beinhaltet Vorbereitung, Hingabe und Nein-Sagen zu anderen Sachen. Man muss reisen und Kindergeburtstage verpassen, das ist nicht leicht."

Familie ist "Sonnenseite des Lebens"

Eine "persönliche Überwindung" bedeute es etwa für ihn, ohne seine Frau Dee McKee verreisen zu müssen, die wesentlich zu jenen Energiequellen zählt, "die mir diesen ganzen Sängerwahn ermöglichen". Denn die Familie bildet für ihn ganz klar die "Sonnenseite des Lebens", das ist eigentlich "der Sinn der Sache."

"Aber ich denke auch daran, dass mir am Anfang geholfen wurde und täglich geholfen wird, und das will ich auch unbedingt weitergeben in den Meisterklassen, an der mdw, beim Stella-Maris-Wettbewerb und so weiter", betont Schade. Das Unterrichten bereitet ihm Freude. "Der Sängerjob alleine ist ja sehr gemütlich. Und es gibt nichts in der Welt, das erschöpfender ist als Unterrichten." Die Antwort auf Blockaden und Verspannungen bei Studierenden laute oft: "Keep it simple, stupid". Manche jungen Sänger geben unbewusste Botschaften, die Schade dann anspricht: "Wenn ein Sänger weit weg vom Pianisten steht, frage ich ihn: Wie lange mögen Sie ihn schon nicht?"

"Wir halten ja nicht nur die Hand auf"

Immer schon habe er den Drang verspürt, ein "Kultur-Mitdenkender" zu sein, sagt Schade. Auch seine Tätigkeit in Melk ist geprägt von Kommunikation bis ins Detail, von der Auswahl des Festivalweins bis zu Gesprächen mit dem Förderverein. "Das muss von Herzen kommen, sonst hat das keinen Sinn." Sein Vertrag wurde bis 2030 verlängert: "Wir haben einiges vor. Ich bin mir aber auch bewusst, dass in der Welt der Kultur große Kürzungen kommen. Davor habe ich nicht unbedingt Angst, möchte nur daran erinnern, dass, wenn man ein internationales Festival haben will, auch entsprechendes Geld fließen muss."

Die Barocktage seien jedenfalls ein bedeutendes Aushängeschild niederösterreichischer Kultur und ein Magnet für die Region und den Tourismus. "Wir halten ja nicht nur die Hand auf, wir geben auch einiges zurück." Oft werde nicht erkannt, wie viel Arbeit vor und nach einem Festival zu leisten ist, damit der Betrieb nach meist jahrelanger Vorlaufzeit für einige Tage hochgefahren werden kann. In Melk werde auch dem Publikum stets in einer "Agape-Situation" nach den Konzerten der Kontakt mit den Künstlern ermöglicht: "Das geht immer wunderbar!"

Der Concentus Musicus soll weiterhin als Orchester in Residence fungieren, "solange ich da bin", so Schade. Die Zusammenarbeit sei noch in Verbundenheit mit Nikolaus Harnoncourt entstanden, mit dessen Nachfolger Stefan Gottfried er sich "sehr gut verstehe" und der auch das ihm am Herzen liegende Förderungsprojekt "Accademia melicensis" leitet. Mit dem Kartenverkauf für die Barocktage gehe es "supergut", freut sich der Intendant auf das Festival und betont den Mix aus prominenten Mitwirkenden von Pablo Heras-Casado über Stefan Gottfried und den Concentus Musicus bis zur Hofkapelle München und "Neuentdeckungen" wie die junge israelische Sängerin Shira Patchornik und Anita Monserrat, Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper: "Ein Highlight nach dem anderen."

Es geht um die Befreiung der Seele

Hervorheben will er weiters die Neuvertonung des "Melker Marienlieds" aus dem 12. Jahrhundert durch den deutschen Komponisten Johannes Schachtner, die er selbst zur Uraufführung bringen wird. Das diesjährige Barocktage-Motto "Maria bewegt..." sieht Schade auch als Reverenz an das Drama einer Frau, die unverheiratet ein Kind zur Welt bringt: "Eine beeindruckende Geschichte, selbst wenn man nicht religiös wäre." Maria als theatralische, inspirierende, auch sinnliche Figur stehe in der Tradition starker Frauen aus dem Alten Testament.

Im Frühjahr reist Schade nach Toronto, um dort den Hauptmann in einer Produktion von Alban Bergs "Wozzeck" zu singen: "Ich liebe es, ein Repertoire von Buxtehude bis Berg zu haben." Am wohlsten fühlt er sich jedoch nach wie vor in der "Mozart'schen Klassikperiode", und die schönsten Erinnerungen hat er an Abende mit dem Concentus Musicus: "Da ging es nicht um ein Ziehen und Wollen, sondern um die Befreiung der Seele." Etwa beim "Don Giovanni" unter Harnoncourt: "Wenn ich mit Nikolaus musiziert habe, war ich nie nervös."

Weitere Vorhaben sind Liederabende mit Justus Zeyen im Stadttheater Wiener Neustadt (24. Mai) und mit Florian Krumpöck ("Winterreise", 13. Juli) beim Kultur.Sommer.Semmering. Danach geht es wieder nach Kanada, wo in Victoria (British Columbia) nicht nur Bachs "Magnificat" und Bach-Kantaten mit hunderten Mitwirkenden aufgeführt werden, sondern auch "Die schöne Müllerin" in der Kathedrale erklingen wird. Im Herbst steht eine Europa-Tournee mit Andres Orozco-Estrada auf dem Programm: "Wir machen die 'Carmina Burana' u.a. in Luzern, Luxemburg und Köln." Schades Resümee: "Es läuft munter weiter. Und das ist die große Message an alle: Dass ich weitermachen will!"

Melk als "Ort, wo ich mich zu Hause fühle"

Nicht zuletzt feiern auch die Sommerspiele Melk ihr 65-Jahr-Jubiläum. Deren Intendant Alexander Hauer hat heuer mit "Praterstern" von Monika Helfer und Michael Köhlmeier wieder eine Uraufführung angesetzt, inszeniert von der jungen Regisseurin Christina Gegenbauer. Auch die Musikrevue mit 40 Hits aus acht Jahrzehnten darf nicht fehlen. "Melk hat was zu bieten", ist Schade überzeugt: "Ein Ort, wo ich mich zu Hause fühle."

(Das Gespräch führte Ewald Baringer/APA)

(S E R V I C E - Internationale Barocktage Stift Melk, 6. bis 9. Juni, Information und Tickets: www.wachaukulturmelk.at)

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.