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"Die Sprache spricht sie": Wartenberg inszeniert Schwab

"Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos" war zwar nicht das erste Stück von Werner Schwab, doch die Uraufführung 1991 an den Münchner Kammerspielen war ein Paukenschlag, der die beginnende Karriere des Grazer Dramatikers (1958-1994) in eine andere Umlaufbahn beförderte. Fritzi Wartenberg war da noch gar nicht auf der Welt. Die 28-Jährige, die im Frühjahr mit "Elisabeth!" am Burgtheater ihre Visitenkarte abgab, inszeniert Schwabs "Radikalkomödie" nun am Akademietheater.

Regisseurin Fritzi Wartenberg im Akademietheater
Regisseurin Fritzi Wartenberg im Akademietheater

Die so brutalen wie komischen Stücke Schwabs, mit deren eigenwilliger Sprache er Anfang der 1990er die deutschsprachige Theaterszene aufmischte, habe sie erst spät kennengelernt, aber dann gleich begeistert, schildert Wartenberg im APA-Interview vor den Endproben zu der am 18. Oktober angesetzten Premiere. "In diesem 'Schwabisch' liegt eine zeitlose Kraft. In der Sprache ist so viel eingeschrieben. Sein Zugang ist wirklich außergewöhnlich: Nicht die Figuren sprechen, sondern die Sprache spricht sie."

Das in einem Mietshaus spielende böse Stück, in dem die Witwe Grollfeuer die anderen Hausparteien zur Geburtstagsfeier einlädt, bei der man die jeweiligen Familienhöllen der Wurms und der Kovacic' in allen derben Details kennenlernt, wurde vor gerade einmal sieben Jahren zuletzt am Akademietheater inszeniert: Nikolaus Habjan sorgte dabei mit seinen Puppen für die nötige Distanz zwischen Sprache, Figuren und Handlung. Nach welchem Konzept bringt Wartenberg das Stück auf die Bühne? "Ich setze ganz auf mein wunderbares Ensemble, mit dem zu arbeiten enormen Spaß macht." Franziska Hackl spielt die Frau Grollfeuer, Sebastian Wendelin und Zeynep Buyraç Herrn und Frau Kovacic, Jonas Hackmann und Tilman Tuppy deren Töchter, Maresi Riegner und Stefanie Reinsperger, als Julie und Liliom ein emotionsgeladenes, berührendes Paar, sind Frau Wurm und ihr Sohn Herrmann.

"Die 'Liliom'-Truppe hat besonders symbiotisch funktioniert"

Überhaupt fällt auf, dass fast das komplette "Liliom"-Ensemble auch die "Volksvernichtung" spielt. "Ich habe jede Besetzung ganz individuell ausgewählt", lacht die Regisseurin, "aber es ist ein offenes Geheimnis, dass die 'Liliom'-Truppe ganz besonders symbiotisch funktioniert hat. Insofern geht ein großes Dankeschön an meinen Kollegen Philipp Stölzl." Eine besonders enge Beziehung verbindet Wartenberg mit Stefanie Reinsperger: "Wir haben einander vor ein paar Jahren am Berliner Ensemble kennengelernt. Daraus hat sich sehr schnell eine Freundschaft ergeben." In einem der vielen Gespräche kam die Rede auf die Eignung der Kaiserin Elisabeth als Bühnenfigur. Das gemeinsam daraus entwickelte Projekt gehöre aber nach Wien, nicht nach Berlin, waren die beiden sich einig. "Elisabeth!" aus der Feder der Autorin Mareike Fallwickl wurde schließlich eine fulminante Soloshow für Reinsperger und zu einem weiterhin gespielten Publikumserfolg am Burgtheater (nächste Vorstellung am 26. Oktober).

Ihren Beruf beschrieb Wartenberg, die 1997 in Köln geboren wurde, aber ab dem Alter von zwei Jahren in Salzburg aufgewachsen ist und in Wien an der Universität und am Max Reinhardt-Seminar studiert hat, in der "Berliner Morgenpost" so: "Es fühlt sich an wie Dirigieren." Dirigenten gibt es aber solche und solche. Sie versuche sich in der eigenen Arbeit schon bewusst von jenen autoritären Figuren abzusetzen, die noch die Generation vor ihr geprägt hat und mit der sie auch in der Ausbildung konfrontiert wurde. "Und besonders viel Spaß macht das Dirigieren, wenn alle mitdenken und sich einbringen." Die Strukturen veränderten und verbesserten sich zugunsten eines offenen und angstfreien miteinander Arbeitens, stellt die junge Regisseurin fest, gibt aber auch zu bedenken, dass Theater Emotionsmaschinen seien: "Alle Konflikte werden hier im Schnellgang durchlaufen." Es gehe um respektvollen Umgang. Aber manchmal müsse eben autoritär entschieden werden. "Man kann schon auf den Tisch hauen - aber es muss dabei um die Sache gehen."

"Ich hab das große Glück, dass an mich geglaubt wird."

Gleichzeitig sieht man in vielen Bereichen, dass mühsam erkämpftes gesellschaftliches Terrain wieder verloren geht. "Ja, das ist ein Problem, mit dem wir alle umgehen müssen. Ich habe aber die große Hoffnung, dass Theater in der Hinsicht noch möglichst lange eine sichere Insel bleibt." Bei solchen Formulierungen muss man daran denken, was in Berlin über sie geschrieben wurde: "Wartenberg ist jung, aber sie hat die Ausstrahlung einer erfahrenen, verlässlichen Leitungsperson." Die so Beschriebene lächelt: "Ich hab das große Glück, dass an mich geglaubt wird. Auch für mich fühlt es sich an, als wäre ich am richtigen Platz. Für mich muss das Projekt stimmen. Und das ist mit diesem Ensemble, das so viel Energie einbringt, definitiv der Fall."

Die nächste Produktion von Fritzi Wartenberg gilt einer Filmbearbeitung: In Hannover bringt sie am 20. März 2026 den Film "Höhere Gewalt" von Ruben Östlund auf die Bühne. Schlüsselszene ist der Moment, als sich auf einer Hotelterrasse in den Alpen ein Familienvater vor einer heranrollenden Lawine per Hechtsprung in Sicherheit zu bringen versucht, anstatt Frau und Kinder zu schützen - ein instinktives Verhalten, das die Beziehung grundsätzlich infrage stellt. Lässt sich diese Szene überhaupt anders als filmisch lösen? "Ich habe dazu eine Idee gehabt, die bei der Bauprobe gut funktioniert hat", schmunzelt Wartenberg. "Aber wie wir das lösen, das wird eine Überraschung."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos". Eine Radikalkomödie von Werner Schwab, Regie: Fritzi Wartenberg, Bühnenbild: Jessica Rockstroh, Kostüme: Esther von der Decken, Sounddesign/Musikal. Leitung: David Rimsky-Korsakow, Akademietheater. Premiere: 18.10., 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen: 21., 30.10., 3., 10.11., www.burgtheater.at)

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