SN.AT / Kultur / Theater

Festspielhaus St. Pölten: Bettina Masuch startet ihre erste Saison

"Sich mit dem Alltag der Menschen verbinden" - Neue künstlerische Leiterin will sich "zentralen Fragen unserer Zeit" stellen.

Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.
Bettina Masuch leitet nun das Festspielhaus St. Pölten.

Die deutsche Dramaturgin Bettina Masuch, zuletzt Intendantin des tanzhaus nrw in Düsseldorf, folgt ab der Saison 2022/23 Brigitte Fürle als künstlerische Leiterin des Festspielhauses St. Pölten nach. Im Interview mit der Austria Presse Agentur spricht sie über ihre ersten Impressionen in der niederösterreichischen Landeshauptstadt, ihre Ansprüche, auch gesellschaftlich zu wirken, und ihre Beziehung zum Tanztheater.

Hatten Sie schon Gelegenheit, sich mit dem Festspielhaus etwas vertraut zu machen?
Bettina Masuch: Meine ersten Eindrücke waren natürlich noch geprägt von der Pandemie und vom Lockdown. Die Kollegen waren alle im Homeoffice. Das war wirklich eine Ausnahmesituation. Nach und nach hat sich das Haus wieder mit Leben gefüllt. Und das ist dann auch der spannendste Moment, zu sehen: Wer sind denn die Menschen, die dort ins Konzert kommen, die eine Tanzvorstellung ansehen? Was mich begeistert hat: wie divers das Publikum ist. Das ist eine große Herausforderung.

Wie gehen Sie diese Herausforderung an?
Das Motiv meiner ersten Saison ist die Umarmung, die uns beispielsweise auch grafisch in der Programmbroschüre begleitet. Das ist natürlich auch eine Reaktion auf Corona und auf das verordnete Berührungsverbot, mit dem wir uns ja lange herumgeschlagen haben. Sie steht bildlich für eine Kunst, die die Menschen in Dialog und Berührung bringt mit den großen Umbrüchen unserer Zeit.


Das Programm für Ihre erste Saison in St. Pölten vermittelt Kontinuität. Wie viel davon ist bereits von Ihnen konzipiert?
Es gibt nur eine Tanzvorstellung, die wir übernommen haben, die im letzten Jahr pandemiebedingt ausgefallen ist. Mir war es generell wichtig, das, was am Haus sehr gut funktioniert, und das ist ja eine ganze Menge, auch weiterzuführen. Andererseits ist es mir natürlich wichtig, neue Akzente zu setzen. Es gibt also die Kontinuität in Form der Wiederbegegnung mit alten Bekannten wie etwa Sidi Larbi Cherkaoui und Akram Khan. Andererseits gibt es auch die neuen Freunde wie Jan Martens, Oona Doherty und Saido Lehlouh, aufregende und höchst talentierte junge Choreografinnen und Choreografen, die im Festspielhaus erstmals eine große Bühne in Österreich bekommen werden.

Man muss also das Festspielhaus nicht neu erfinden?
Nein, dazu gibt's keinen Grund. Es hat ja auch einen wirklich wichtigen Platz in der österreichischen Konzert- und Theaterlandschaft, den es weiter auszubauen gilt. Es geht nicht darum, ein UFO in St. Pölten zu landen, sondern sich immer wieder mit dem Alltag der Menschen zu verbinden.

In schwierigen Zeiten ...
Natürlich ist auch die große Frage: Was macht Corona mit uns? Und wir erleben einen Krieg in Europa - wie verändert das unsere Sicht auf Kunst und Kultur und unser Alltagsverhalten? Die Feier des Schönen und Guten darf schon auch sein, gerade in Zeiten wie diesen, sollte aber keine Weltflucht darstellen, sondern im Gegenteil die Hinwendung zur Welt.

Sie kommen ja ursprünglich vom Theater, haben mit Kalibern wie Castorf, Marthaler, Pollesch gearbeitet - wie erklärt sich die Orientierung hin zum Tanz?
Bei mir war es eine Wiederentdeckung. Ich komme aus Solingen, das liegt direkt neben Wuppertal, wo Pina Bausch ihre ersten "Skandale" produziert hat. Durch sie habe ich wirklich zusehen gelernt. Da hat eine Auseinandersetzung eingesetzt, die dazu geführt hat, dass ich Theaterwissenschaft studiert und lange als Dramaturgin gearbeitet habe. In Zürich fragte mich dann Meg Stuart, ob ich eine Produktion von ihr erarbeiten würde. Zuerst dachte ich, was hat man da zu tun, denn es gibt keinen Text, aber schließlich ging ich dann in Berlin von der Volksbühne weg zum damals gegründeten Theater Hebbel am Ufer. Für mich ist der zeitgenössische Tanz eine sehr gegenwartsbezogene Kunstform, die verschiedene Einflüsse in sich aufnehmen kann. Das entspricht sehr unserem modernen Leben, dass man vielen inhomogenen Einflüssen unterworfen ist, und das fasziniert mich nach wie vor.

Sie eröffnen die Saison mit Sidi Larbi Cherkaoui.
Für mich war es wichtig, mit genau den Fragen dieser neuen Kreation in meine erste Spielzeit zu starten: Was ist Identität? Was machen unterschiedliche kulturelle Einflüsse mit einem Menschen? Letztendlich eine der zentralen Fragen unserer Zeit!


Sie haben in Berlin, Zürich, Düsseldorf gearbeitet, nun also das vergleichsweise kleine St. Pölten: Macht das einen Unterschied?
Ich glaube, die Herausforderung ist eine andere. Es steht ein sehr großer Saal zur Verfügung, was einerseits großartig ist, denn normalerweise findet der zeitgenössische Tanz eher in kleinen Sälen statt. Dazu gibt es hier noch die Tonkünstler als Residenzorchester: Das ist ein großes Alleinstellungsmerkmal dieses Hauses und das reizt mich sehr. Da gibt es auch einige Projekte mit Film und Livemusik.

Das Publikum schwankt derzeit noch zwischen Sehnsucht nach der lange vermissten Kultur und andererseits Vorsicht - wie sehen Sie diese Ambivalenz?
Aus meiner Sicht ist es noch gar nicht ausgemacht, ob wir da wieder anknüpfen können, wo wir vor der Pandemie aufgehört haben. Es ist keine leichte gesellschaftliche Aufgabe, die Menschen wieder zusammenzubringen, aber ich finde sie wichtig und deswegen freue ich mich darauf.

Um nochmals auf St. Pölten zurückzukommen: Hier scheint ja die Anbindung zwischen der Stadt und dem Kulturbezirk immer noch verbesserungswürdig. Haben Sie das auch schon bemerkt?
(lacht) Ja, am Anfang wundert einen das ein bisschen. Das ist tendenziell für ein Publikum gebaut, das mit dem Auto anreist. Man hat nicht so sehr daran gedacht, dass man auch zu Fuß kommen könnte. Es wird ab dem zweiten Jahr eine Reihe von Formaten geben, die sich explizit an die Menschen in der Stadt richten. Aber das machen wir dann, wenn wir sozusagen in einer neuen Normalität angekommen sind.


Für wie lange ist Ihr Vertrag ausgestellt?
Für vorerst sechs Jahre. Aber ich ziehe hierher, um zu bleiben!


KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.