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Hirschls "Content" auf der Bühne: Inhalt ohne Sinn

In der Firma Smile Smile Inc. verrichten alle ihre Tätigkeit. Oder vielleicht besser ihre Beschäftigung. Denn eine wirkliche Aufgabe kann man das nicht nennen, was die Angestellten hier haben. Sie produzieren Content. Um des Contents willen. Clips, Listen, wurscht. Quantität statt Qualität. Veröffentlicht wird eh nichts. So in Elias Hirschls Roman "Content", so auch in der ersten Bühnenadaption durch Aslı Kışlal, die am Mittwoch im Schauspielhaus Wien Uraufführung feierte.

Das Ich kommt selten alleine im Schauspielhaus-'Content'
Das Ich kommt selten alleine im Schauspielhaus-'Content'

Merkel erklärt Listicles

Angela Merkel erklärt darin Listicles - oder besser die KI-generierte Stimme der deutschen Altkanzlerin, während die Angestellten in sinnentleerter Handgriffschoreografie schwelgen und ebensolche Listen à la "Die 104 besten Gründe, warum der Toaster nicht am Tisch stehen sollte" schreiben. Sie schreddern Nokias oder veranstalten Weitwurfwettbewerbe mit den Geräten. Eine hohle Phase. Aber eine, die andauert.

Die reale Welt unter ihnen und um sie herum zerfällt, bricht ein wie die alte Kohlegrube, auf der man steht. Die neue Ausbeutung geht nicht mit Staublunge einher, sondern mit Staubhirn. Aber es geht am Ende immer noch um die Kohle. Wurscht. Die digitale Welt lässt auf einer Welle der Bedeutungslosigkeit surfen. Bis man vom Brett gehauen wird, das ist dann nicht mehr ganz so wurscht. Oder eigentlich schon. Hirschl entwirft eine Welt, die aus sich heraus besteht, sich immer wieder selbst befruchtet bis hin zum Stadium der Debilität.

Alle werden zu Ich

Hirschl lässt in seiner Satire vom Investigativjournalisten bis zum im Selbstoptimierungsmantra verhafteten Start-up-Unternehmer, von der das Nichts erst akzeptieren Lernenden bis hin zur Fahrradbotin die Personage der Gegenwart auflaufen. Doch alle Akteure werden am Ende zu Ich, der eigentlichen Erzählfigur. Alle sind Ich - und damit auch niemand. Dafür gibt es die Doppelgängerin, die sukzessive das Leben und vor allem das Posten übernimmt.

Im Kern liefert Hirschl mit dem während eines Stadtschreiberstipendiums in Dortmund entstandenen "Content" weniger überspitzte Satire, denn aktuelle Zustandsbeschreibung. Und Aslı Kışlal gelingt es bei ihrem Schauspielhaus-Debüt, die Zeilen disparat wie der Roman auf die Bühne zu transponieren, fragmentiert in einzelne Sequenzen. Länger hält die Aufmerksamkeitsspanne auch nicht. Um die Figuren zu zitieren: Creepy ist gar kein Ausdruck.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - "Content" von Aslı Kışlal nach Elias Hirschl im Schauspielhaus, Porzellangasse 19, 1090 Wien. Regie: Aslı Kışlal, Bühne: Shahrzad Rahmani, Kostüme: Nadine Abena Cobbina, Musik: Uwe Felchle. Mit Tala Al-Deen, Tina Keserović, Sophia Löffler, Ursula Reiter und Maximilian Thienen. Weitere Aufführungen am 9., 10., 16. und 17. Mai sowie am 28. und 29. Juni. Mitte September ist die Inszenierung dann beim Koproduktionspartner, dem Theater Kosmos in Bregenz, zu sehen. www.schauspielhaus.at/content)

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