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"Maria Theresia": Neue Musical-Monarchin wird gefeiert

Die Kaiserinnen haben sich das Musicalzepter übergeben und "Elisabeth" nach 33 Jahren den Staffelstab an ihre angeheiratete Ururgroßmutter "Maria Theresia" weitergereicht. Am Freitag feierte das neue Musical der Vereinigten Bühnen Wien im Ronacher seine Uraufführung - und wurde frenetisch akklamiert. Zwar hat das Werk noch Ecken und Kanten, die geschliffen gehörten. Diesen stehen aber zugleich einige große Nummern gegenüber. Eine Audienz bei der Kaiserin lohnt sich also.

Nienke Lattens Maria Theresia strebt nach oben
Nienke Lattens Maria Theresia strebt nach oben

Feministische Ikone

Das Stück fokussiert auf das gesamte Leben der Monarchin von der Jugend bis zum Tode - und jazzt die Regentin und 16-fache Mutter dabei zur feministischen Ikone hoch. Von Beginn weg liegt der Tenor auf dem Umstand, dass sich mit der Habsburgerin eine Frau entgegen aller Usancen ihrer Zeit den Weg an die Spitze erkämpft hat.

Weniger weiblich geprägt kommt da das Autorenteam von "Maria Theresia" daher. So handelt es sich beim Liedtexter Jonathan Zelter, dem von "Spatz und Engel" bekannten Buchautor Thomas Kahry sowie dem komponierenden Vater-Sohn-Duo Dieter und Paul Falk schließlich um ein reines Männerquartett.

Harter Start

Der Beginn des Musicals zählt dabei fraglos zu den Schwachstellen des Abends. Maria Theresia ist hier ein aufmüpfiges Mädchen, das sich nicht in die Frauen zugedachten Rollen fügen möchte - hier wird die Parallele zum Welthit "Elisabeth" überdeutlich herausgearbeitet. Träume gegen Disziplin und Willensstärke gegen Gehorsam sind hier die Leitlinien. Und natürlich geht die Liebe vor allem.

Die kommt in Person von Franz Stephan von Lothringen daher - und damit beginnt das Unheil. Nicht für Maria Theresia, sondern für die Inszenierung in dieser Phase. Nichts kann so schief gehen, als wenn eine Regie versucht, mit der Brechstange Coolness auf die Bühne zu stellen. Wenn Fabio Diso in der Rolle des Franz Stephan als Jungspund am Hof einreitet, "immer easy" intonieren und Kostüme wie Cindy Lauper in den 80ern tragen muss - dann schrammt das nicht an der Grenze zur Peinlichkeit vorbei, sondern brettert mitten hinein.

Leider sind über das Werk hinweg wiederholt diese pseudocoolen Momente verteilt, wobei es vor allem textlich bisweilen gewaltig rumpelt, wenn man an Zeilen wie "Wir alle sind MT - die Theresianer schlagen jetzt zurück" oder "Vor zwei Wochen hat sich ihre große Liebe verpisst, jetzt muss sie sehen, wie das Leben ohne ihn ist" denkt.

Fritz als Wendepunkt

Diesen Durchhängern stehen auf der anderen Seite aber auch Knaller gegenüber. Wenn sich die junge Maria Theresia gegen die - klar ins Reich der Legenden zu verortende - Verlobung mit Friedrich von Preußen wehrt, ist das im Stück der Beginn einer lebenslangen Feindschaft und letztlich der Grund für den Siebenjährigen Krieg. Vor allem ermöglicht es aber dem ehemaligen VBW-"Falco" Moritz Mausser nach dem schwachen Start, im Stück mit der powergetriebenen Nummer "Dass ich liebe, hasse ich" über sein Leiden am Schwulsein einen ersten Höhepunkt zu setzen.

Friedrich der Große übernimmt im weiteren Verlauf gewissermaßen die Rolle des Todes aus der "Elisabeth". Er ist der diabolische Antipode der Protagonistin, der sie als dunkler Schatten immer wieder mit ihren dunklen Seiten konfrontiert. Denn auch diese werden in "Maria Theresia" nicht ausgespart. Die Flucht in die Arbeit, die Krise der Ehe, die skrupellose Ausnützung der Kinder für ihre Heiratspolitik. All dies hält die großartige Niederländerin Nienke Latten zusammen, die die Veränderungen ihrer Figur über die Jahrzehnte hinweg nicht nur glaubwürdig spielt, sondern auch stimmlich ihre Mammutaufgabe bravourös meistert.

Musikalische Potpourri

Musikalisch kommt "Maria Theresia" allerdings disparater daher als die Personenzeichnung auf der Textebene. Immer wieder lässt das Falk-Duo Hip-Hop-Anklänge einfließen, die vom ESC-gestählten Choreografen Jonathan Huor entsprechend inszeniert werden, und setzt in den sich durchgängig reimenden Rezitativen auf dem Rap entlehnten Sprechgesang - dahingestellt, wie groß hier die Street Credibility wäre. In diesen Passagen bewegt man sich im Fahrwasser des Broadwayhits "Hamilton".

Beigemischt werden aber auch einige Klischeenummern des Musicalschmachts der frühen 2000er oder Chornummern, die wohl nicht von ungefähr an das Volk in "Elisabeth" erinnern. R'n'B-Elemente dazu, ein paar Selbstermächtigungshymnen, melancholische Erinnerungsballaden, und fertig ist ein musikalisches Amalgam, das sich nicht so leicht vermischen will. Aber zugleich finden sich darin viele potenzielle Hits, romantische Duette und schmissige Songs für das Ensemble - oder traurige Balladen selbst für Nebenfiguren wie Annemieke van Dams Erzieherin Madame Fuchs.

Großer Saal und kleine Panne

Regisseur Alex Balga setzt das Geschehen in einen Rokokoraum, reduziert auf die ornamentalen Rahmungen, in denen Leinwände verschiedene Stimmungen liefern. Zwei Gerüsttürme und eine Brücke dazu, und fertig ist eine ebenso schnelle wie flexible Bühnengestaltung, die nicht auf Spektakel setzt, sondern Zweckdienlichkeit mit Ästhetik verbindet. Bei der Premiere sorgte die Technik allerdings für eine kleine, mehrminütige Zwangspause inmitten der Nummer "Wir gratulieren" - manchmal erstarren eben auch die Computer in Ehrfurcht vor der Kaiserin.

Den VBW bleibt nun zu wünschen, dass "Maria Theresia" auf der Erfolgsseite eher in die Fußstapfen von "Elisabeth" tritt und nicht in jene von "Rudolf". Da müssen die Frauen doch zusammenhalten.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - "Maria Theresia" von Dieter und Paul Falk, Liedtexte Jonathan Zelter, Buch: Thomas Kahry im Ronacher, Seilerstätte 9, 1010 Wien. Regie: Alex Balga, Musikalische Leitung: Carsten Paap, Choreografie: Jonathan Huor, Bühne: Morgan Large, Kostüm/Maske: Aleksandra Kica. Mit Maria Theresia - Nienke Latten, Franz Stephan - Fabio Diso, Friedrich II. - Moritz Mausser, Madame Fuchs - Annemieke van Dam, Kaiserin Elisabeth Christine - Annemarie Lauretta, Kaiser Karl VI./Michael Gabriel Fredersdorff - Dominik Hees, Kanzler Bartenstein - Andreas Wolfram, Joseph - Aeneas Hollweg, Marie Christine - Amelie Polak. Weitere Aufführungen bis 27. Juni 2026 fixiert. www.musicalvienna.at)

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