Bei der Wien-Premiere der vom österreichischen Tausendsassa Habjan von seinem Mentor Tranter übernommenen und weiterentwickelten Produktion, die im Mai am Deutschen Theater Berlin herauskam, gab es am Donnerstag Standing Ovations. Das Stück, das sich zwischen Geburtstagstorte (Hitler, dessen Familie Schicklgruber hieß, feierte am 20. April 1945 seinen 56. Geburtstag) und Zyankalikapseln (mit denen Goebbels sich, seiner Frau und seinen sechs Kindern am 1. Mai 1945 das Leben nahm) als Danse macabre im Bunker unter der Reichskanzlei entwickelt, zeigt noch immer Wirkung.
Komisch und tragisch
Natürlich ist es auch gefährlich, die Massenmörder des "Dritten Reiches" auf Mitleid erregende Wracks zu reduzieren, doch es ist auch befreiend. Lachen ist immer ein heilsamer Umgang mit Autoritätsmonstern, deswegen wird es ja von allen Regimen gefürchtet. Doch der 95-minütige Abend ist nicht nur komisch, wenn etwa eine überdrehte Eva Braun, die ihrem "Wolfi" den Schnurrbart nicht mehr streicheln und auch nicht mehr auf dessen Schoß das unschuldige Mädel markieren darf, dem verunsicherten Propagandaminister ständig Avancen macht, oder Hitler ein paar Runden auf seinem Schäferhund Blondie reitet. Er ist auch zutiefst tragisch.
Dem kleinen Helmut Goebbels, einem der sechs Kinder, deren holprige Aufzählung durch den Vater ein Running Gag ist, würde man etwa von Herzen wünschen, er fände den angeblich unter Hitlers großem Schreibtisch versteckten Geheimgang ins Freie tatsächlich und würde dem Tod entkommen. Und was Hitlers Kammerdiener Heinz Linge alles durch den Kopf geht, als ihm Goebbels eröffnet, er habe dessen Mutter hinrichten lassen, weil sie angeblich Juden "zugetan" sei, erspielt Habjan grandios.
Schöpfungsakt und Todesclown
Es ist einer der wenigen echten Schauspieler-Momente in dieser Produktion, in der sich Habjan und Linshalm einmal mehr als kongeniales Duo erweisen, die den von ihnen geführten (und von Tranter gebauten) Puppen wie in einem Schöpfungsakt Leben einhauchen. Den glamourösen Todesclown, der seine Zauberkunststücke meist verhaut, sich aber dennoch seiner Wirkung nur allzu bewusst ist, spielen sie meist gemeinsam. Mit ihm versucht Hitler noch ganz am Ende zu verhandeln. Vergeblich. Doch das Grauen, das er hinterlassen hat, sollte auch 80 Jahre danach nicht vergessen werden. "Schicklgruber" leistet einen kleinen Beitrag dazu.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Jan Veldman / Neville Tranter: "Schicklgruber", Deutsch von Nikolaus Habjan und Manuela Linshalm, Regie: Neville Tranter / Nikolaus Habjan, Bühnenbild: Julius Semmelmann, Kostüme: Lisa Zingerle. Mit Nikolaus Habjan und Manuela Linshalm. Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin, Nächste Vorstellungen im Theater in der Josefstadt: 30.9., 1., 2.10., 9.-11.1.26, Karten: 01 / 42 700-300, www.josefstadt.org )