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Die hohe Kunst des Hirschrufens

Die mit den Hirschen röhren: Die talentiertesten Hirschrufer des Landes zeigen auf der Messe Hohe Jagd & Fischerei heuer wieder ihr Können.

Rotwild brunftet in Österreich vorwiegend im September. In tieferen Lagen beginnt die Brunft etwas früher, in höheren Lagen etwas später.
Rotwild brunftet in Österreich vorwiegend im September. In tieferen Lagen beginnt die Brunft etwas früher, in höheren Lagen etwas später.

Tiefes kehliges Grölen, lange sehnsuchtsvolle Klagelaute oder kurze heisere Rufe: Bis zu fünfhundert Schreie pro Stunde stoßen Hirsche in der Hochphase der Brunft aus, um damit ihrem Rudel zu imponieren oder Nebenbuhler zu vertreiben. Kundige Jäger können aus den Brunftschreien der Hirsche aber noch viel mehr ableiten. "Je nachdem, an wen die Lautäußerungen gerichtet sind", enthalten sie andere Botschaften, weiß Martin Grasberger, Chefredakteur des Jagd-Fachmagazins "Weidwerk". "Sucht ein Hirsch nach weiblichen Tieren, schwingt in den Rufen Sehnsucht mit", beschreibt er. "Warnt ein alter Platzhirsch seine Rivalen, brüllt er aggressiv. Fordert ein Jüngerer einen erfahrenen Platzhirsch heraus, klingt es provozierend." Genau um die Kunst, diese verschiedenen Brunftlaute so präzise und authentisch wie möglich zu imitieren, gehe es bei der Rufjagd. "Im Revier schlüpft der Jäger dann zum Beispiel in die Rolle eines provozierenden Kontrahenten", führt Grasberger weiter aus. "Ziel ist es, den Platzhirsch durch Rufen dazu zu bringen, das Rudel zu verlassen." Je authentischer ein Ruf gelingt, desto größer ist die Chance, dass der Hirsch aufmerksam wird und näher kommt. Damit der Plan aufgeht, müssen allerdings viele Faktoren zusammenspielen. "In der Natur ist es wichtig zu verstehen, in welcher Stimmung der Hirsch ist", betont Grasberger. "Nur dann kann man mit den Rufen auch angemessen auf eine Situation reagieren."

Der Ton und die Musik

Wenn in wenigen Tagen auf der Messe "Hohe Jagd & Fischerei" in Salzburg wieder die besten Hirschrufer Österreichs um den Staatsmeistertitel rittern, kann freilich nur die Qualität der Imitation und nicht die Taktik bewertet werden. Aber auch das Rufen auf der Messebühne verlangt den Teilnehmern einige Skills ab. "Eine musikalische Begabung ist zwar keine zwingende Voraussetzung", meint der amtierende Staatsmeister Rupert Oberrauter, "Vorteile bringt es beim Hirschrufen aber sicher." Selbst beherrscht der 26-jährige Gasteiner sogar mehrere Musikinstrumente. Beigebracht hat dem passionierten Jäger das "Schreien" - wie Oberrauter es selbst bezeichnet - ein Kollege aus der Region. Kein Zufall: Seit Jahren kommen die besten Hirschrufer aus dem Gasteiner Tal. Die Region ist praktisch ein Hotspot. In kaum einer anderen Gegend gibt es so viele gute Imitatoren wie hier.

Ein Meister im Hirschrufen: Rupert Oberrauter aus Gastein.
Ein Meister im Hirschrufen: Rupert Oberrauter aus Gastein.


Europabewerb in Litauen

Rupert Oberrauter muss seinen Staatsmeistertitel auf der Messe nun gegen die Konkurrenz verteidigen. Den fünf erfolgreichsten österreichischen Bewerbern winkt auch die Teilnahme an der Europameisterschaft, die heuer in Litauen ausgetragen wird. Dort sei das Niveau schon sehr hoch, verrät Oberrauter, der letztes Jahr bei der EM in Polen mit dabei war. Schwieriger seien die Bewerbe im europäischen Ausland auch deshalb, weil nach anderen Kriterien bewertet wird, weiß er. Das bedeutet in der Praxis, dass etwa französische Hirschrufer anders klingen als österreichische.

Wie bereitet sich der junge Pongauer auf den bevorstehenden österreichischen Bewerb vor? "Eigentlich gar nicht intensiv", gesteht der Maurer, "ich hoffe jetzt einmal darauf, dass ich mich vor Ort ganz spontan in die richtige Stimmung versetzen kann." Erst vor Kurzem habe er einmal trainiert. "Das muss jetzt genügen."

"Das Schreien darf nichts Menschliches enthalten"
Rupert Oberrauter
Staatsmeister

Authentische Tierlaute

Es sind drei - mit einem Stechen möglicherweise vier - Aufgaben, die im Rahmen des Bewerbs an die Hirschrufer gestellt werden. Die erste Anforderung besteht darin, den Schrei eines suchenden Hirsches zu imitieren. Darauf folgen der "Sprengruf" und das "Mahnen eines Platzhirsches". Die dritte Aufgabe ist für die Teilnehmer besonders fordernd: Zwei Hirsche sollen bei einem Rufduell nachgeahmt werden. Dabei geht es darum, die Stimm- und Gemütslagen zweier Tiere wiederzugeben, die sich gegenseitig abschätzen und kurz vor einem Kampf stehen. Beurteilt werden die Leistungen der Rufer von einer Jury, die hinter einem Holzverschlag "blind" bewertet.

Je nach Qualität der Rufe werden ein bis sechs Punkte vergeben, wobei der Rufer mit der höchsten Punktezahl gewinnt. Für den Fall eines Gleichstands entscheidet ein Stechen. Welche Instrumente für die Darbietungen verwendet werden, bleibe den Rufern überlassen, erklärt Martin Grasberger, der Organisator und Jurymitglied des Bewerbs auf der Messe ist. Gebräuchlich sind zum Beispiel Plastikrohre, die als Lautverstärker eingesetzt werden. Aber auch Rinderhörner und Tritonmuscheln finden hier Verwendung.

Tierfotograf als Rufer

"Die Rufjagd ist ein extrem anspruchsvolles jagdliches Handwerk mit einer langen Tradition", betont Grasberger. Die Praxis verlange viel Können, Naturverständnis und auch großes Einfühlungsvermögen. Und nicht nur Jäger nutzen die Lockrufe für ihre Zwecke, verrät der Fachmann mit Verweis auf den Europameister von 2024. "Der Franzose Virgile Parpinelli ist kein Jäger, sondern Tierfilmer und Fotograf, der sich das Rufen selbst beigebracht hat, um den Tieren näher zu kommen."

"In der jagdlichen Praxis mit dem Hirschruf zu arbeiten birgt für Ungeübte allerdings auch das Risiko, das Wild zu vergrämen", warnt der amtierende Staatsmeister Rupert Oberrauter abschließend. "Man muss sich schon im Klaren sein, was man da tut: Das Schreien darf nichts Menschliches mehr enthalten, sonst kann man damit mehr ruinieren als gewinnen."