Tiefes kehliges Grölen, lange sehnsuchtsvolle Klagelaute oder kurze heisere Rufe: Bis zu fünfhundert Schreie pro Stunde stoßen Hirsche in der Hochphase der Brunft aus, um damit ihrem Rudel zu imponieren oder Nebenbuhler zu vertreiben. Kundige Jäger können aus den Brunftschreien der Hirsche aber noch viel mehr ableiten. "Je nachdem, an wen die Lautäußerungen gerichtet sind", enthalten sie andere Botschaften, weiß Martin Grasberger, Chefredakteur des Jagd-Fachmagazins "Weidwerk". "Sucht ein Hirsch nach weiblichen Tieren, schwingt in den Rufen Sehnsucht mit", beschreibt er. "Warnt ein alter Platzhirsch seine Rivalen, brüllt er aggressiv. Fordert ein Jüngerer einen erfahrenen Platzhirsch heraus, klingt es provozierend." Genau um die Kunst, diese verschiedenen Brunftlaute so präzise und authentisch wie möglich zu imitieren, gehe es bei der Rufjagd. "Im Revier schlüpft der Jäger dann zum Beispiel in die Rolle eines provozierenden Kontrahenten", führt Grasberger weiter aus. "Ziel ist es, den Platzhirsch durch Rufen dazu zu bringen, das Rudel zu verlassen." Je authentischer ein Ruf gelingt, desto größer ist die Chance, dass der Hirsch aufmerksam wird und näher kommt. Damit der Plan aufgeht, müssen allerdings viele Faktoren zusammenspielen. "In der Natur ist es wichtig zu verstehen, in welcher Stimmung der Hirsch ist", betont Grasberger. "Nur dann kann man mit den Rufen auch angemessen auf eine Situation reagieren."
Der Ton und die Musik
Wenn in wenigen Tagen auf der Messe "Hohe Jagd & Fischerei" in Salzburg wieder die besten Hirschrufer Österreichs um den Staatsmeistertitel rittern, kann freilich nur die Qualität der Imitation und nicht die Taktik bewertet werden. Aber auch das Rufen auf der Messebühne verlangt den Teilnehmern einige Skills ab. "Eine musikalische Begabung ist zwar keine zwingende Voraussetzung", meint der amtierende Staatsmeister Rupert Oberrauter, "Vorteile bringt es beim Hirschrufen aber sicher." Selbst beherrscht der 26-jährige Gasteiner sogar mehrere Musikinstrumente. Beigebracht hat dem passionierten Jäger das "Schreien" - wie Oberrauter es selbst bezeichnet - ein Kollege aus der Region. Kein Zufall: Seit Jahren kommen die besten Hirschrufer aus dem Gasteiner Tal. Die Region ist praktisch ein Hotspot. In kaum einer anderen Gegend gibt es so viele gute Imitatoren wie hier.