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Exotische Grenzgänger: Die Zwergzebus von Remschnigg

Auf dem Hof der Familie Muster in Leutschach grast eine ungewöhnliche Rinderherde. Seit 2001 werden auf einem südsteirischen Hof direkt an der Grenze zu Slowenien Zwergzebus gezüchtet.

„Oblak“ (slowenisch: Wolke) ist der Hausname des Hofs im Leutschacher Ortsteil Remschnigg.
„Oblak“ (slowenisch: Wolke) ist der Hausname des Hofs im Leutschacher Ortsteil Remschnigg.

Einen schnellen Plausch kann der Leutschacher Landwirt Hans Muster mit seinem Nachbarn nicht so einfach halten. Dabei scheitert es keineswegs am guten Willen, sondern am gegenseitigen Verstehen: Nur hundert Meter vom Oblak-Hof entfernt wird nämlich nicht mehr Deutsch, sondern schon Slowenisch gesprochen.

Mitten im südsteirisch-slowenischen Grenzgebiet, hoch oben auf einer Hügelkuppe im Ortsteil Remschnigg, liegt der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Muster. Seit über drei Jahrzehnten bewirtschaftet der 54-jährige Südsteirer zusammen mit seiner Frau Christa den zweihundert Jahre alten Hof. Ein Teil des Grundbesitzes der Familie liegt sogar noch immer jenseits der Grenze. Rund fünf Hektar Grund befinden sich auf slowenischem Staatsgebiet. "Obwohl die politischen Verhältnisse über Jahrzehnte viel Trennendes geschaffen haben, ist auch einiges miteinander verbunden geblieben", sagt Hans Muster. Eine Barriere sei natürlich die Sprache, fügt er hinzu. "Meine Eltern haben beide noch den windischen Dialekt gesprochen, an uns Kinder haben sie den aber nicht mehr weitergegeben." Und so muss er sich heute mit seinen slowenischen Nachbarn mit "Händen und Füßen" verständigen. "Das klappt auch irgendwie", schmunzelt er.

Steirische Zwergzebus

Neben seiner außergewöhnlichen Lage kann der Oblak-Hof noch mit einer weiteren Besonderheit aufwarten: Seit fast 25 Jahren züchten die Musters Zwergzeburinder in Mutterkuhhaltung. "Die Rinderrasse stammt ursprünglich aus Südasien", erklärt der Biobauer. "Von dort aus sind die Tiere nach Amerika, Afrika, Australien und in geringer Zahl auch nach Europa gelangt." Mit ihrer Größe von 90 bis 110 Zentimetern gehören Zwergzebus zu den kleinsten Rinderrassen der Welt. Weibliche Tiere erreichen ein Körpergewicht bis zu 300 Kilogramm, männliche bis zu 450 Kilogramm. Ihr Name leitet sich vom tibetischen Wort "zeu" oder "zeba" ab, was "Buckel" bedeutet und auf den auffälligen Widerristhöcker der Rinder hinweist. Ihr "Markenzeichen" befindet sich genau am Übergang von der Hals- zur Brustwirbelsäule. Der Höcker kann klein, groß, gerade oder hängend sein und ist ein stark entwickelter Muskel, der die Wirbelsäule mit den Schulterblättern verbindet. Restlos geklärt ist die Funktion des Höckers bis heute nicht. Vermutet wird aber, dass er ein physisches Merkmal für die Geschlechtsreife von männlichen Tieren ist.

Rund 100 Stück der besonderen Rinder leben aktuell in Remschnigg. "Wir haben uns auf die Fleischproduktion und die Vermarktung ab Hof spezialisiert", erklärt Hans Muster. "Schlachtreif sind die Tiere, wenn sie zwischen zwei und drei Jahre alt sind, hauptsächlich verwerten wir da das Fleisch von männlichen Tieren. Die Kühe werden bis zu 25 Jahre alt."

 Clemens Muster und Hans Muster mit den hausgemachten Spezialitäten aus Zebufleisch.
Clemens Muster und Hans Muster mit den hausgemachten Spezialitäten aus Zebufleisch.


Umstellung auf Zwergzebus

Es waren viele unterschiedliche Gründe, die für Hans Muster und seine Frau vor fast 25 Jahren den Ausschlag gaben, die landwirtschaftliche Ausrichtung ihres Betriebs zu ändern. "Der Betrieb war eine konventionelle Landwirtschaft mit Milchkühen, als ich ihn in den 1990ern übernommen habe", so der Biobauer. Jeden Tag habe er bis spät in die Nacht gearbeitet. "Für mich allein war das System mit der Milchwirtschaft extrem schwierig zu bewerkstelligen", meint er rückblickend. "Aufgrund der geringen Humusauflage waren unsere Weideflächen für die Fleckviehhaltung auch nicht ideal geeignet. Wir haben gekämpft und uns nach Kräften bemüht, aber man bekommt keine Topleistung von einer Kuh, wenn die Grundlage nicht stimmt." In den 1990ern zeichneten sich dann auch die ersten sehr trockenen Jahre als Vorboten des Klimawandels ab. In dieser herausfordernden Situation beschäftigte sich das Landwirtsehepaar immer stärker mit alternativen Möglichkeiten abseits der Milchwirtschaft. "Wir wollten etwas finden, das zu uns passt, sprich: Wir wollten mehr mit der Natur arbeiten und ihr nicht unseren Willen aufzwingen", erinnert sich Hans Muster heute. "Durch einen Zeitungsartikel sind wir dann auf die Rasse der Zwergzebus gestoßen und nach einigen Recherchen haben wir unseren Plan besiegelt. Am 12. Juni 2001 holten wir die ersten 42 Tiere aus Deutschland auf den Hof."

Der steirische Landwirt Hans Muster pflegt einen liebevollen Umgang mit seinen Tieren.
Der steirische Landwirt Hans Muster pflegt einen liebevollen Umgang mit seinen Tieren.

Mittlerweile hält er weit mehr als doppelt so viele Rinder auf seinem Betrieb, ganz genau kann er die Zahl selbst gar nicht sagen. "Ich habe gelesen, dass in afrikanischen Dörfern derjenige der Bürgermeister wird, der die größte Zebuherde hat", meint er schmunzelnd. "In Leutschach wäre das dann wohl ich ..."

Urtümliche Rinder

Umringt von seiner Zebuherde steht der Landwirt auf dem Feld und krault einem Tier den Kopf, das sich zutraulich an ihn schmiegt. "Das ist Schnappi", sagt er, "sie ist schon eine ältere Dame und mag Streicheleinheiten." 20 Jahre sind ein Lebensalter, das für Zwergzebus nicht ungewöhnlich ist. Die Rinder sind sehr langlebig und wachsen relativ langsam heran. Schnappi hat dunkles Fell und kleine krumme Hörner. Andere Exemplare der Herde sind schwarz-weiß gesprenkelt oder tragen ein rötliches Fellkleid. "Zeichnungen, Kopfgröße oder Hornstellung sind absolut unterschiedlich", erläutert der Leutschacher Bauer. "Eine geordnete Zucht gibt es bei diesen Tieren nicht." Positive Eigenschaften zeigen sich in der Ruhe, der Genügsamkeit und der Widerstandsfähigkeit der Rinder. "Zebus sind auch sehr robust und anpassungsfähig, was sie besonders resistent gegen extreme klimatische Bedingungen und Krankheiten macht", weiß Hans Muster. "Dazu kommt noch ihre wertvolle Eigenschaft als Landschaftspfleger." Selbst bei karger Weide finden Zebus Nahrung in Form von überständigem Gras, Dornbüschen oder Disteln.

Im Winter sind die Tiere im Laufstall mit Auslauf untergebracht, ab den Frühlingsmonaten genießen sie wieder die Weidehaltung. "Weil sie nicht überzüchtet sind, verfügen Zebus über viele ihrer Urinstinkte", verrät der Züchter. "Sie können ihre Jungtiere gegenüber Fremden und Eindringlingen mitunter sehr vehement verteidigen." Auch innerhalb der Herde bilden die Tiere starke soziale Bindungen aus und etablieren klare Rangordnungen. "Wenn Gefahr droht, erfasst die Panik immer die ganze Herde."

Der steirische Landwirt Hans Muster pflegt einen liebevollen Umgang mit seinen Tieren.
Der steirische Landwirt Hans Muster pflegt einen liebevollen Umgang mit seinen Tieren.


Zartes, kurzfasriges Fleisch

Das Fleisch der Zwergzebus ist dunkler als herkömmliches Rindfleisch. Gleichzeitig ist es auch fettärmer und enthält weniger Cholesterin. Eine feine Fettmarmorierung hebt die Charakteristik noch einmal mehr hervor. "Der Geschmack wird oft als wildähnlich oder nussig beschrieben", beschreibt der Steirer. "Ich finde allerdings, der Geschmack lässt sich nicht vergleichen und hat etwas sehr Eigenes." Weil die Rinder sehr langsam wachsen und klein sind, sind die Fleischstücke sehr kurzfasrig, sehr kompakt, aber zart. Das Zwergzebufleisch kann wie Rindfleisch zubereitet werden, schmeckt jedoch kräftiger und aromatischer. Verkauft wird das kontrolliert biologische Fleisch ab Hof, Biohauswürste und Biorohschinken können online erworben werden.

Kleine Rinder, große Qualitäten: Zebus sind genügsam, widerstandsfähig und robust.
Kleine Rinder, große Qualitäten: Zebus sind genügsam, widerstandsfähig und robust.