Von solchen klaren Vorschriften ist die Freizeitwelt weit entfernt - einschließlich der Gefahrenquellen Disco oder Popkonzert. Dort können durchaus Schallpegel von rund 110 dB auf das Trommelfell einhämmern - deutlich mehr als ein Presslufthammer. Aber vergleichbare gesetzliche Vorschriften wie beim Lärm am Arbeitsplatz gibt es nicht.Disco und MP3Erfreulich ist, dass bei jungen Menschen durchaus das Bewusstsein für die Gefährdung der Ohren vorhanden ist. Allerdings mit der Einschränkung, dass sie die Gefahrenquellen nicht richtig einschätzen. Bei einer Befragung von 18- bis 35-Jährigen in Deutschland nannten 37 Prozent die häufige Nutzung von MP3-Playern mit Kopfhörern als größte Gesundheitsgefährdung. 32 Prozent meinten, Discobesuche seien schädlich, zwölf Prozent nannten Straßen- und Industrielärm.
Tatsächlich haben aber 84 Prozent der Befragten bereits - meist vorübergehende - Hörbeschwerden nach Discobesuchen gehabt. Im Gegensatz dazu bekamen durch MP3-Player "nur" 59 Prozent Probleme mit ihrem Gehör. Die Reihenfolge ist also bei der tatsächlichen Schädigung des Gehörs (Disco voran) genau umgekehrt wie bei den vermuteten Gefahren (MP3 voran).SchädigungenDie Schädigungen, die bei einem Pop- oder Rockkonzert entstehen können, gelten als "akustischer Unfall". Gerd Rasp, Vorstand der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten an den Salzburger Landeskliniken sagt dazu: "Ein hoher Schallpegel über eine längere Zeit kann die Haarzellen im Ohr schädigen. Diese Zellen sind die Rezeptoren für die Auslenkungen der Membran."
Eine vorübergehende Schädigung dieser Haarzellen macht sich durch ein Absenken der Hörschwelle bemerkbar. "Das ist so, als ob das Ohr zu wäre", erläutert Rasp. Also eine Art Taubheitsgefühl. "Wenn das nur einige Stunden andauert und am nächsten Tag wieder weg ist, dann ist kein Arztbesuch erforderlich. Wenn es aber länger anhält, sollte binnen 24 Stunden der Arzt aufgesucht werden, um einen dauerhaften Schaden zu vermeiden."
Übrigens kann auch eine klassische Symphonie einen Pegel von 80 dB und kurzzeitig sogar bis zu 100 dB erreichen. Das ist für die Ohren aber trotzdem weniger dramatisch. "Im Konzertsaal ist der Abstand meist größer", sagt Klinikvorstand Rasp. "Man ist nicht so nahe dran wie bei der Lautsprecheranlage eines Popkonzerts."
Der Mediziner empfiehlt daher, "bei einem Popkonzert in jedem Fall einen Gehörschutz dabei zu haben und ihn einzusetzen, sobald die Lautstärke unangenehm wird". Die einfachste Ausführung eines Gehörschutzes für Konzerte sind Schaumstoffstöpsel. Diese haben eine Dämpfungswirkung von rund 20 dB. Ein Popkonzert von 110 dB wird damit auf den Lärmpegel von mittlerem bis schweren Straßenverkehr (85-95 dB) abgesenkt.GehörschutzEin individueller Gehörschutz wird im Unterschied zu der herkömmlichen Lösung genau an die Form der Ohren angepasst. Der Stöpsel sitzt besser und gibt dadurch einen sicheren Schutz. Darüber hinaus kann die Dämpfung bestimmter Frequenzen genau auf das persönliche Hörvermögen abgestimmt werden. Diese Technik nutzen auch Musiker, weil sie dadurch die Musik über den ganzen Frequenzbereich gleich gut hören können.
Thomas Wiesner, Medizintechniker bei der Firma Hansaton, weist darüber hinaus auf einen weiteren Vorteil hin: "Der individuelle Gehörschutz kann auch mit einem In-ear-Monitor ausgestattet werden. Damit wird der Gehörschutz gleichzeitig zum hochwertigen Minikopfhörer für den MP3-Player, den iPod oder das Smartphone."