Eine Knieprothese ist kein Grund, auf das Skifahren zu verzichten. Das geht aus der ersten wissenschaftlichen Untersuchung zu diesem Thema hervor. Dabei wurden insgesamt 32 Probanden, die im Schnitt vor zwei Jahren ein künstliches Knie erhalten hatten, in eine "Skifahrergruppe" und eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Das Ergebnis: Die Skifahrer haben die Belastungen für sehr gut vertragen. Ein halbes Jahr nach der Studie konnten keine negativen Auswirkungen auf die Funktion der Knieprothese festgestellt werden.
Die Skitage wurden einen Winter lang in geführten Gruppen unter der Anleitung von Sportstudenten mit Skilehrkompetenz durchgeführt. Aufgabe war ein fein dosiertes und gut kontrolliertes Skifahren. Der Salzburger Sportwissenschafter und Leiter der Studie, Erich Müller, unterstrich im SN-Gespräch mehrfache positive Auswirkungen der sportlichen Betätigung. Ganz oben stand die Erkenntnis, dass das Skifahren die asymmetrische Belastung der Beine, die bei Patienten mit einer Knieoperation am Anfang stark ist, deutlich verringert hat. "Das wirkt sich auf die Alltagssituation positiv aus", sagt Müller. "Wir haben bei Tätigkeiten wie Treppensteigen feststellen können, dass beide Beine wieder in etwa gleich belastet werden."
Beim Skifahren ist es unerlässlich, in gleicher Weise nach links und nach rechts zu schwingen. Dabei muss jeweils das eine oder andere Bein als das äußere oder innere verwendet und belastet werden. "Das hat die Koordination von links und rechts und die notwendige Anpassung des zentralen Nervensystems deutlich verbessert", erläutert Müller.
In der Regel gibt es nach einer Knieoperation das Problem, dass die Sensorik nicht mehr so gut funktioniert. Das ist beim Knie besonders kritisch, weil es rund um das Gelenk und im Knie selbst zahlreiche Bänder und Muskeln mit Sensoren gibt, die dem Gehirn rückmelden, wie die Belastung aktuell aussieht. Durch die Operation am Knie können die Nervenleitungen für diese Sensorik teilweise gestört sein.
"Es dauert eine gewisse Zeit, bis die Durchgängigkeit dieser Leitungen wiederhergestellt ist", sagt Müller. "Das ist aber notwendig, damit das Gehirn die Muskulatur je nach der tatsächlich vorhandenen Belastung ansteuern kann, sodass beide Beine gleichmäßig belastet werden."
Das Skifahren habe genau diese Regeneration der Sensorik gefördert. "Wir konnten auch nachweisen, dass vor allem das operierte Bein in seiner Kraftfähigkeit stark zugenommen hat."
Mit dem Thema "Skifahren mit Knieprothese" waren viele medizinische Befürchtungen verbunden. Man meinte, dass die Koordination, die beim Skifahren erforderlich ist, mit einem künstlichen Kniegelenk nicht mehr möglich sei. Eine andere Befürchtung war, dass die Belastung zu einseitig auf dem nicht operierten Bein liegen könnte und dass dadurch letztlich auch dieses in Mitleidenschaft gezogen würde.
"All das haben wir ausräumen können", sagt der Salzburger Sportwissenschaft, der vor allem auch die psychischen Auswirkungen unterstreicht. "Die Hoffnung, wieder mehr Lebensqualität zurückzugewinnen, ist für viele Betroffene ein hauptsächlicher Grund für die Operation." Geliebte Freizeitaktivitäten wie Skifahren wieder wie früher ausführen zu können, sei für viele eine Bestätigung für ihre Entscheidung und für den Erfolg der Operation.
"Psychologisch ganz wichtig war, dass die Lebensfreude der Studienteilnehmer stark zugenommen hat. Sie haben sich auch in den Tagen zwischen den Skitagen wesentlich wohler gefühlt. Die Alltagsaktivitäten wurden wieder in wesentlich besserer Stimmung durchgeführt."
Die Studie über das Skifahren mit Knieprothese wurde erstmals beim 6. Internationalen Skikongress diese Woche in St. Christoph am Arlberg präsentiert. Unter der Leitung der Sport- und Bewegungswissenschaften Salzburg wirkten auch die Sportklinik Innsbruck, die Universitätsklinik für Orthopädie Salzburg und das Zentrum für gesundes Altern der Universität Kopenhagen mit.