"Das Positive: Angststörungen sind gut behandelbar."
Nilufar Mossaheb
Psychiaterin
Gibt es verschiedene Arten von Angststörungen? Es gibt Angststörungen, die sich auf etwas Spezielles richten, beispielsweise auf Plätze, Menschen, bestimmte Lebewesen wie Insekten oder darauf, das Haus allein zu verlassen. Das bezeichnet man als gerichtete Angststörung. Diese Ängste sind auch als Phobien bekannt. Sehr häufig sind diese Phobien mit Panikattacken verbunden, sobald die Person einer gefürchteten Situation gegenübersteht, und folglich versucht sie, diese zu meiden. Das kann so weit gehen, dass Menschen sich nicht mehr trauen, das Haus zu verlassen. Bei einer Sozialphobie beispielsweise haben Menschen Angst davor, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und sich zu blamieren. Da geht es nicht nur darum, dass es ihnen unangenehm ist, vor anderen Menschen zu sprechen, sondern dass es zu den geschilderten Angstsymptomen kommt, wenn sie nur vor anderen essen oder telefonieren. Und dann gibt es die generalisierte Angststörung, bei der Menschen allgemein ein erhöhtes Angstniveau empfinden, das die meiste Zeit bestehen bleibt. Diese Ängste richten sich nicht auf etwas Bestimmtes, sondern führen zu allgemeinen Sorgen: dass man selbst erkrankt, Angehörigen etwas zustoßen könnte und Ähnliches. Sorgen, die nachvollziehbar, jedoch von der Dauer, Intensität und Situationsangemessenheit überzogen sind.
Treten Angststörungen bei einem Geschlecht oder bei einer Altersgruppe besonders häufig auf? Angststörungen gehören mit Depressionen zu den weltweit häufigsten psychischen Erkrankungen. 10 bis 15 Prozent aller Menschen leiden unter einer Angststörung, bei einem Viertel wird sie irgendwann einmal auftreten. In den letzten Jahren sind Angststörungen weltweit häufiger geworden, besonders bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es sind etwa 20 Prozent der Frauen und 9 Prozent der Männer betroffen. Sozialphobien und andere gerichtete Ängste beginnen häufig im Teenageralter zwischen 15 und 20, die generalisierte Angststörung beginnt typischerweise in den 20ern bis 30ern. Grundsätzlich können Angststörungen bei jedem Geschlecht und in jedem Alter erstmalig auftreten.
Welche Probleme erleben Betroffene im Alltag? Es gibt unterschiedliche Ausprägungen von Angsterkrankungen und das Ausmaß der Probleme kann entsprechend variieren. Sehr beträchtlich kann das Problem des Vermeidungsverhaltens bezüglich bestimmter Situationen werden. Es ist nachvollziehbar, dass man sich dem Zustand der Angst nicht gerne aussetzt, doch das Vermeiden kann so weit führen, dass das Leben immer unfreier wird. Es schränkt die Autonomie eines Menschen natürlich stark ein, wenn er sich nicht mehr aus dem Haus traut, nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann, in sozialen Situationen mit massiven Angstsymptomen zu kämpfen hat. Depressionen sind eine häufige Begleiterkrankung der Angststörung und vermindern die Lebensqualität weiter. Häufig erleben Betroffene Unverständnis und fühlen sich isoliert.
Was lässt sich gegen die Erkrankung unternehmen? Das ist die gute Nachricht: Angststörungen sind gut behandel- und therapierbar. Es braucht dabei durchaus Geduld, aber sie können vollständig abklingen oder jedenfalls so weit, dass sie das Leben nicht mehr dominieren. Die wesentlichen Behandlungsbestandteile sind die Psychotherapie und die richtige Medikation. Besonders für die kognitive Verhaltenstherapie gibt es wissenschaftlich Nachweise für die Wirksamkeit bei Angststörungen. Zunächst lernen Menschen, wie ihre Erkrankung funktioniert, wie die Beschwerden zuzuordnen sind, und in der Folge stellen sie sich begleitet Schritt für Schritt angstauslösenden Situationen. Entspannungstraining kann dabei helfen, mit Angstsymptomen zurechtzukommen. Es gibt heutzutage sehr wirksame und gut untersuchte Medikamente gegen Angststörungen, vor allem aus der Gruppe der Antidepressiva, deren Wirkung im Laufe von ein paar Wochen einsetzt. Für viele Betroffene haben sich Selbsthilfegruppen als hilfreich erwiesen. Regelmäßiger Sport, insbesondere Ausdauersport, zeigt sich ebenfalls als zusätzlich hilfreich im Rahmen eines individuellen Behandlungsplans. Der Hausarzt oder die Hausärztin ist die erste Anlaufstelle, die zu einem psychiatrischen Facharzt bzw. einer psychiatrischen Fachärztin überweisen kann.
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