SN.AT / Leben

"Jeder Baum hat eine Seele"

Er ist Sammler und Forscher, Heimatkundler, Musiker und Autor: Zwei seiner mittlerweile acht Bücher hat der pensionierte Förster Walter Mooslechner einem Lebensthema gewidmet - Holz.

Der ehemalige Förster ist überzeugt: „Holz ist beseelt, es lebt und atmet, darin liegt eines seiner größten Geheimnisse.“
Der ehemalige Förster ist überzeugt: „Holz ist beseelt, es lebt und atmet, darin liegt eines seiner größten Geheimnisse.“
Der Großarler Walter Mooslechner in seinem Element.
Der Großarler Walter Mooslechner in seinem Element.

"Schon als Kind wollte ich eigentlich immer nur draußen in der Natur und im Wald sein", erzählt Walter Mooslechner schmunzelnd. "Einer, der viel über Büchern gebrütet hat, war ich eigentlich nie." Dass er dann in seinem späteren Beruf dieser Leidenschaft habe nachgehen können, sei eine glückliche Fügung gewesen, berichtet er. "In Großarl gab es in den 1950er-Jahren noch vier Revierförster, die an jedem Ersten des Monats nach ihrer Dienstbesprechung im Wirtshaus meiner Eltern eingekehrt sind. Einer von ihnen hat damals meinem Vater angeboten, mich als Forstzögling in die Lehre zu nehmen. Davon war ich natürlich sofort restlos begeistert."

Alte Traditionen

1959 trat der damals 15-Jährige seine Lehre an und musste zunächst ein Praktikum absolvieren. "Als ein Teil der Ausbildung war für die Zöglinge vorgesehen, mit den Holzknechten im Wald zu arbeiten", schildert der ehemalige Förster seine ersten beruflichen Erfahrungen. "Das hat mir damals viele Einblicke in die alte Welt der Holzarbeit verschafft und mich nachhaltig geprägt." Obwohl die Technisierung zu Ende der 1950er-Jahre nach und nach auch die letzten Winkel der Gebirgstäler eroberte, sträubten sich zu dieser Zeit gerade die alten Forstarbeiter noch gegen den Fortschritt. "Insbesondere den lärmenden und stinkenden Motorsägen konnten die alten Holzknechte nichts abgewinnen", erinnert sich der Großarler. "Viele hielten noch lang an den traditionellen Arbeitsweisen und überlieferten Gebräuchen fest."

Arbeit bis in die Nacht

So wurde das gesamte Holz mit einer Zugsäge geschnitten, die Arbeitsabläufe der vierköpfigen Passen teilten sich in Schlägerung, Entastung, Entrindung und Bringung auf. Gearbeitet wurde vom ersten Tageslicht bis zum Sonnenuntergang, als Unterkunft dienten den Holzknechten während der Woche sogenannte Lohhütten oder Holzsölden.

"Dort wurde unter einfachsten Umständen gelebt", weiß der 76-Jährige. "Das war weniger romantisch, als man sich das heute vielleicht vorstellt."
Besonders gefahrenreich für die Holzknechte war vor allem das winterliche Holzziehen, für das schon im Herbst penible Vorkehrungen getroffen wurden. Beim ersten passenden Schnee brachten die Holzknechte ihre tonnenschwer beladenen Schlitten unter lebensgefährlichen Bedingungen hinunter ins Tal. "Ging alles glücklich aus, wurde das letzte Fuder Holz als ,Brautfuder' gefeiert", berichtet der Buchautor. "Oft genug jedoch endeten die spektakulären Fahrten für einen Holzknecht aber auch tödlich."

Bauholz richtig verarbeiten

Über das Berufliche hinaus habe ihn der Themenkreis Holz immer fasziniert, erklärt der pensionierte Förster. Allein das aus Urzeiten überlieferte Wissen darüber, wie Bauholz richtig verarbeitet werde, sei ein Kosmos für sich. "Während dem Holzgewerbe und der Industrie heute allerlei technische Hilfsmittel zur Verfügung stehen, mussten sich die Handwerker vergangener Tage anders behelfen. Es wurde auf uraltes Wissen zurückgegriffen, mithilfe dessen man den Zeitpunkt der richtigen Schlägerung bestimmte oder die Lagerung und Trocknung des Bauholzes vornahm." Als beste Jahreszeit für die Holzschlägerung galt lange Zeit der Winter. Eine Erkenntnis, die Walter Mooslechner auch heute noch vertritt: "Am wichtigsten ist es, dass man das Bauholz in einer vegetationslosen Zeit gewinnt, nämlich dann, wenn der Baum sich in einer Ruhephase befindet." Das in der Saftruhe geschlägerte Holz zeige andere Inhaltsstoffe und Eigenschaften als das Sommerholz, ist der Fachmann überzeugt. "Es neigt weniger zu Rissen und bleibt wesentlich ruhiger." Vor Jahren habe er an einem uralten Stallgebäude in St. Veit selbst eine erstaunliche Entdeckung gemacht, berichtet er. An der kunstvoll verzierten Firstpfette fand sich die Jahreszahl 1564. Vier Jahrhunderte war das Gebäude der Witterung und Schädlingen ausgesetzt und zeigte trotzdem keine gravierenden Verfallserscheinungen oder Risse.

Überlieferte Regeln bestimmten den Zeitpunkt der Holzschlägerung.
Überlieferte Regeln bestimmten den Zeitpunkt der Holzschlägerung.

Schutzzauber und Botschaften

"Für unsere Ahnen waren Gefahren wie Feuer, Stürme oder Blitzschlag, die Haus und Familie bedrohten, allgegenwärtig", erklärt der Heimatforscher. Dementsprechend versuchten sich die Menschen auch mit allerlei Bann- und Schutzzeichen gegen Unheil zu wappnen. Vor allem der Giebel wurde als Kopf eines Hauses oft mit verschiedenen Zeichen versehen, um die Bewohner vor Unwettern oder dämonischen Mächten zu bewahren. Hier war vor allem die Firstpfette eine bevorzugte Stelle, um Zeichen, Hausmarken oder Symbole zu hinterlassen. Während man im Flachland Bemalungen bevorzugte, wurden die Zeichen in den Gebirgsregionen ins Holz geschnitzt.
"Botschaften" im Holz findet man bei alten Bauernhäusern auch heute noch in der sogenannten Zierschrot eingearbeitet. An Zwischenwandbalken oder im Eckverbund alter Blockbauten brachten die Zimmerleute hier spezielle Verzierungen an. So wurde etwa das Monogramm des Hausbesitzers genannt, Hufeisen, Krüge oder Tierköpfe deuteten auf eine Handwerkskunst oder eine besondere Leidenschaft hin.

Alte Handwerkskunst

"So wichtig der technische Fortschritt auch sein mag", resümiert der ehemalige Förster, "noch bedeutender ist es, dass wir den Kontakt zur Natur nicht verlieren. Dazu kann auch Holz beitragen." Er ist überzeugt: "Holz ist beseelt, es lebt und atmet. Vielleicht liegt darin eines seiner schönsten Geheimnisse." Eines seiner letzten Bücher hat Walter Mooslechner den alten Handwerkskünsten gewidmet. "Als ich noch ein Kind war, hat es in jedem Ort ganz selbstverständlich einen Wagner oder einen Binder gegeben. Heute sind viele dieser Holzberufe weitgehend in Vergessenheit geraten. Mühlenbauer, Körbler, Besenbinder oder Schindelmacher kennen die meisten Menschen heute nur noch aus Erzählungen. Künstliche Werkstoffe haben das Holz in vielen Bereichen ersetzt", meint er. "Das ist schade."

Dennoch zeigt sich der Forstexperte zuversichtlich, was die Zukunft angeht. "Wald und Holz erfahren heute wieder eine wachsende Wertschätzung. Immer mehr Menschen sehnen sich nach Qualität, Wert und Beständigkeit. Holz ist und bleibt einfach auf das Engste mit den Menschen verbunden."