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Ausbildungsplatz? Garantiert!

Die deutsche Bundesregierung plant eine Ausbildungsgarantie und holt sich Tipps von Österreich. Arbeitsminister Martin Kocher zeigt Vorteile auf, gering qualifizierte Jugendliche zu fördern.

In Österreich bekommt jeder Jugendliche unter 25 Jahren, der sich beim AMS meldet und keine über den Pflichtschulabschluss hinausgehende Ausbildung hat, einen Ausbildungsplatz.
In Österreich bekommt jeder Jugendliche unter 25 Jahren, der sich beim AMS meldet und keine über den Pflichtschulabschluss hinausgehende Ausbildung hat, einen Ausbildungsplatz.

Der Anteil junger Menschen ohne Berufsausbildung hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren kaum verändert, während er in vielen anderen OECD-Ländern deutlich gesunken ist. In Deutschland liegt er außerdem höher als in Österreich und der Schweiz - beides Länder, in denen die duale berufliche Bildung ebenfalls fest verankert ist. Die neue deutsche Bundesregierung möchte diesem Problem mit einer Ausbildungsgarantie gegensteuern und bezieht sich dabei explizit auf Österreich. Am Montag wurde in einer Onlineveranstaltung über dieses Vorhaben auf Basis der Erfahrungen, die in Österreich und anderen OECD-Ländern gemacht wurden, diskutiert.

Trotz der vielen derzeit offenen Lehrstellen gebe es Jugendliche, die sich in einer betrieblichen Struktur etwas schwerer täten, sagte Arbeitsminister Martin Kocher. "Die Ausbildungsnachfrage nimmt infolge von Corona ab", sagte El Iza Mohamedu, Leiterin des OECD Skills Centre in Paris. Es sei von entscheidender Bedeutung, Jugendliche dazu zu bewegen, eine Ausbildung zu absolvieren. "Zwei Drittel der Menschen, die Grundsicherung beziehen, verfügen über keine Berufsausbildung", sagte Leonie Gebers, SPD-Staatssekretärin aus dem Bundesministerium für Arbeit in Berlin. Jedoch sei es eine immense Herausforderung, für gering qualifizierte Jugendliche einen passenden Ausbildungsplatz zu finden, so El Iza Mohamedu. Diese seien für Arbeitgeber weniger attraktive Kandidaten. "Lese- und Rechtschreibschwächen bedeuten eine geringere Produktivität und einen erhöhten Betreuungsbedarf." Doch auch angesichts des Fachkräftemangels werde es immer wesentlicher, dass alle jungen Menschen eine Berufsausbildung bekommen. "Wir sollten da nichts unversucht lassen", so Gebers. Daher plant die neue deutsche Regierung, eine Ausbildungsplatzgarantie, ähnlich wie in Österreich schon bestehend, einzuführen.

Bild: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER
Wir haben Jugendliche, die sich in einer betrieblichen Struktur etwas schwerer tun.
Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit

Die Ausbildungsgarantie sichert Jugendlichen unter 25 Jahren, die sich beim Arbeitsmarktservice als lehrstellensuchend melden und keine über den Pflichtschulabschluss hinausgehende Ausbildung haben, einen betrieblichen oder überbetrieblichen Ausbildungsplatz. Nach einem mindestens zehnwöchigen Vorbereitungskurs wird ein Ausbildungsvertrag mit der Schulungseinrichtung geschlossen. Die Jugendlichen werden dann entweder in der Schulungseinrichtung selbst ausgebildet oder sie sind in mit der Einrichtung kooperierenden Unternehmen untergebracht. Ein regulärer Berufsschulbesuch findet statt.

13.000 Euro kostet ein Ausbildungsplatz

Die Überbetriebliche Ausbildung (ÜBA) wird größtenteils vom AMS finanziert, im Durchschnitt belaufen sich die Kosten für einen Ausbildungsplatz auf 13.000 Euro pro Jahr, wie Arbeitsminister Martin Kocher sagte. Für dieses Ausbildungsjahr ist ein Budgeteinsatz von bis zu 240 Millionen Euro vorgesehen. Die Mittel stammen vor allem aus der Arbeitslosenversicherung. 2021 nahmen rund 12.000 Menschen an der ÜBA teil, etwa die Hälfte davon in Wien.

Das seit 2017 bestehende Modell sei erfolgreich. Bei einer schwachen Konjunktur und damit verbundenem Abbau an Lehrstellen springe die Überbetriebliche Ausbildung beispielsweise ein und diene so als letzte Sicherheit. Auch in der Pandemie sei sie ein wichtiges Instrument gewesen. "Auch weil wir festgestellt haben, dass infolge der Krise immer mehr Jugendliche psychische Schwächen haben", sagte Dennis Tamesberger von der Arbeiterkammer Linz.

Fast 40 Prozent der Ausbildungsplätze in Deutschland konnten im vergangenen Jahr nicht besetzt werden, wie Bernd Fitzenberger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg sagte. Gleichzeitig sei die Zahl der ungelernten Arbeiter seit 2015 gestiegen, was auch mit der Migration zusammenhänge. Laut Fitzenberger liegt das Problem auch im gesellschaftlichen Grundverständnis, nach dem es für junge Menschen der richtige Weg ist, in den Arbeitsmarkt zu gehen. "Das droht in manchen Kreisen ein bisschen verloren zu gehen." Das System habe Strukturen geschaffen, die es ermöglichten, auch ohne berufliche Ausbildung in den Arbeitsmarkt zu gehen. Viele junge Menschen hätten ihre Berufslaufbahn daher mit Helferjobs gestartet.

Zahl der ungelernten Arbeiter gestiegen

Achim Dercks, stellvertretender Geschäftsführer des deutschen Industrie- und Handelskammertags in Berlin fasste die Veranstaltung zusammen: "Es ist nicht ein Mangel an Ausbildungsplätzen, der uns umtreibt, sondern die Frage, wie wir benachteiligte Jugendliche gewinnen." Dercks Meinung nach sei die individuelle Weiterbildung ein wesentlicher Faktor. "Dazu gehört es, die Einstiegsqualifikationen der Jugendlichen zu verbessern." Diese machten einen großen Faktor für die Übernahmequoten aus. Auch die Pandemie habe es durch eine fehlende Berufsorientierungsphase für die Jugendlichen schwer gemacht, sich die Betriebe anzuschauen. "Ich glaube, dass wir an diesen Stellen mehr tun sollten", so Dercks, der sich einer Garantie gegenüber skeptisch äußerte. Die Teilnehmer sahen die Veranstaltung als gewinnbringend an. "Wir haben Unterschiede im System und man wird die Ausbildungsgarantie nicht eins zu eins umsetzen können", sagte die deutsche Staatssekretärin Leonie Gebers. "Aber wir können von den Erfahrungen Österreichs lernen."